Die Reality-Dichte im Fernsehen und auf den gängigen Streamingplattformen hat sich in den zurückliegenden Jahren spürbar erhöht. Insofern wird es immer schwieriger, mit neuen Formaten aufzufallen und das Publikum zu überzeugen. Banijay Productions Germany hat es nun trotzdem versucht und mit "Fight for Paradise: Wem kannst du trauen?" bei Netflix ein Reality-Format on Air gebracht, das zwar spürbar an bestehende Formate angelehnt ist, in Summe aber durchaus viel Eigenständigkeit atmet. 

Zunächst zum Konzept und den Ähnlichkeiten zu anderen Sendungen: In "Fight for Paradise", einer Adaption des britischen "Surviving Paradise" (Studio Lambert und Raw TV für Netflix), kämpfen die Kandidatinnen und Kandidaten um die Gunst ihrer Mitstreiter, um so am Ende das Preisgeld in Höhe von 100.000 Euro abzuräumen. Dafür müssen sie taktisch spielen und Allianzen schmieden. Der vermeintliche Clou: Ein Teil der Teilnehmenden wohnt in einer luxuriösen Villa, der andere in einem tristen Camp - "Big Brother" lässt grüßen. Im Camp, teilweise auch Hölle genannt, schlafen die Reality-Sternchen auf Pritschen, müssen ihr Plumpsklo selbst entleeren und bekommen nur Gemüsesuppe zu essen - das und die Optik des Settings erinnern stark an den RTL-Dschungel. Nur dass eben nicht in Australien oder Südafrika gedreht wurde, sondern in Mexiko. 

Und dann ist ein Großteil der Kandidatinnen und Kandidaten so gecastet, dass sie problemlos auch in den bekannten Bikini-Formaten der Konkurrenz auftreten könnten. Zum Start bedient man sich außerdem auffällig der Idee einer anderen Netflix-Show: "Too Hot to Handle". Da wird den Teilnehmenden vorgegaukelt, sie würden nun alle in der Villa leben - bis das böse Erwachen durch Moderatorin Bonnie Strange kommt. Vor allem in den ersten 15 Minuten wirkt "Fight for Paradise" wie eine dreiste Kopie - dieses Gefühl legt sich aber schnell. 

Hohes Tempo und wie immer viel Krawall

Das liegt vor allem daran, dass das neue Netflix-Format durch schnelle Schnitte, krawallige Kandidaten und insgesamt ein hohes Tempo schnell eine Eigendynamik entwickelt. Da geht es darum, wer sich in den Dienst der Gruppe stellt oder wer nur an sich denkt - und dann vielleicht kurzzeitig die Vorteile der Villa genießt. So werden die Teilnehmenden schnell gegeneinander aufgestachelt - wobei die Kandidatinnen und Kandidaten, das liegt in der Natur solcher Formate, das auch ziemlich gut selbst hinbekommen. 

Fight for Paradise © Netflix Bitte nicht verwechseln: Bei Netflix gibt's zwar einen Dschungel, eine weiße Stretch-Limo fällt hier aber nicht vom Himmel.

Ähnlich wie beim Großen Bruder gibt’s auch beim Kampf ums Paradies immer wieder Überraschungen, die das Geschehen mal mehr und mal weniger stark beeinflussen - und so entsprechend für Gesprächsstoff Ärger sorgen. Und so können sich die Teilnehmenden nie wirklich sicher sein, dass ihre ausgedachten Schachzüge am Ende auch wirklich so greifen, wie sie sich das ausgemalt haben. Das hat für das Publikum Unterhaltungswert und sorgt dafür, dass es nicht langweilig wird. 

Anders als zum Beispiel "Kampf der Realitystars" versucht man sich nicht ständig an einer humoristischen Überhöhung des Gezeigten. Wobei Ausnahmen die Regel bestätigen: Als Kandidatin Samira erzählt, dass sie aus Ghana, Dänemark und Hamburg komme, wird den Zuschauern beinhart die Anzeige eingeblendet: "Samira, 22, Bielefeld". 

Bonnie Strange, bitte zurück ins Tonstudio

Und dann wäre da ja auch noch Bonnie Strange, die schon in den ersten zwei Folgen so viele unterschiedliche Frisuren und Haarfarben präsentiert, wie sie andere in ihrem ganzen Leben nicht haben. Auf der Cathy-Hummels-Moderationsskala steht sie über dem Original, weil sie nicht von Beginn an wie ein Fehler in der Matrix wirkt. Ansonsten aber bleibt sie blass, weil sie nicht viel Arbeit hat und sich ihr Einsatz auf einige wenige Ansagen vor den Teilnehmenden beschränkt. Dass dabei nicht alles glatt gelaufen sein kann, zeigt schon die Tatsache, dass alleine in der ersten Folge unfassbar viel nachvertont werden musste.

 

In Summe mischt "Fight for Paradise" bekannte Zutaten, stellt sie dabei aber so neu zusammen, dass das Format durchaus eine Daseinsberechtigung hat. Die Netflix-Reality hebt sich in ihrem Schwerpunkt gut ab von bestehenden Sendungen, in denen meist die Liebeleien der Teilnehmenden im Mittelpunkt stehen. Hier fokussiert sich das Team von Banijay vor allem auf das Spiel von Vertrauen und Misstrauen - und rührt es einmal kräftig durch die etablierte Krawall-Trommel. Einen USP hat "Fight for Paradise" damit. Nun heißt es: Fight for the Audience!

Die ersten vier Folgen von "Fight for Paradise: Wem kannst Du trauen?" sind ab sofort bei Netflix verfügbar. Die Folgen fünf bis acht werden am 30. April veröffentlicht.