Man wächst an seinen Aufgaben, heißt es. Am Samstagabend wurde Daniel Boschmann größer. Die Moderation der knapp vierstündigen Sat.1-Spendengala "Deutschland hilft" zu Gunsten der gleichnamigen Aktion wurde für ihn zum "Make it or break it"-Moment, den er mit Bravour bestand. Klar, er war auch vorher schon ein erprobter Moderator mit ordentlich Kilometer auf dem Tacho, der trotzdem bislang oft unter dem Radar flog. "Das ist der vom Frühstücksfernsehen" dürfte er zur Genüge als Charakterisierung kennen. Trotz Quotenrekorden am Morgen, ist es so eine Krux mit der Übertragbarkeit der Popularität zu prominenteren Sendezeiten.

An diesem Samstagabend empfahl sich Daniel Boschmann für mehr; moderierte sich frei vom Einerlei der Wegmoderier. Mit gutem Gespür balancierte der 40-Jährige auf dem schmalen Grat zwischen Einfühlsamkeit für seine Gesprächspartner und die Schicksale der Flutkatastrophe auf der einen Seite sowie der nötigen Bildschirmpräsenz andererseits. Letztere klingt selbstverständlicher als es ist: Bei tragischen Geschichten und emotionalen Gesprächen nicht den Faden zu verlieren, um die Show voranzubringen, braucht Fingerspitzengefühl. Geht man zu früh raus, wirkt es desinteressiert. Zu viel Tränendrüse wiederum trägt nicht über vier Stunden. Ein flotter Spruch von ihm an angemessener Stelle wirkte zwischendurch Wunder.

Die von Constantin Entertainment innerhalb von einer Woche gestemmte Spendenshow folgte grundsätzlich dem erprobten Muster ähnlicher Spendenshows in einem Mix aus Gästen, Beiträgen, musikalischen Auftritten und Promis im Call-Center. Denen zur Seite stand Ralf Schmitz, der damit seinen ersten prominenten Einsatz für Sat.1 hatte und gewohnt rastlos wie ein Sat.1-Flummi zwischen den telefonieren Stars für die nötige Auflockerung zuständig war. In der Kombination mit Boschmann wurde die Show so zu einer der besseren ihrer Art, die natürlich grundsätzlich damit zu kämpfen hat, dass es abgesehen vom finalen Spendenstand keinen Spannungsbogen gibt.

Brauchte sie aber nicht zwingend, dafür ging das Thema allen Beteiligten zu nahe - was sich transportierte und mitnahm. Daniel Boschmann selbst war auch in der vierten Stunde der Show noch einerseits ergriffen, andererseits mit ausgeprägtem Sendungsbewusstsein on air: Auf der Tribüne mit Vertretern der Hilfsorganisationen hinter der Aktion Deutschland hilft, muss er schlucken als er eingegangene Hilferufe aus dem Katastrophengebiet vorträgt. Die Stimme bebt, die Augen feucht, die Nase läuft. Und all das nicht gekünstelt sondern spürbar. "Entschuldigung, ich muss mir mal eben die Nase putzen."

Angesichts des Themas ringt es einem beim Zuschauen Respekt ab, dass ein solcher Ausbruch nicht schon eher passierte. Wenig später, kurz vor dem finalen Spendenstand, schiebt Boschmann eine Bemerkung ein, die vom Sendungsbewusstsein zeugt: "Lieben Gruß an die Kollegen der ARD, die gestern über 16 Mio. geholt haben. Wir stehen in keinem Wettbewerb. Das ist hier kein Wettbewerb 'Wer ist größer besser toller schneller'. Wir wollen jeden einzelnen Euro, da zählt jeder Euro, egal woher und egal wer ihn kriegt." Wenig später enthüllt Ralf Schmitz: Es wurden mehr als 31 Millionen Euro, wenn man die Spenden die seit Beginn des Aufrufs zusammenrechnet. Bei der ARD, so viel Vollständigkeit ist nötig, sind es seit Spendenaufruf schon mehr als 54 Millionen Euro.

Für Sat.1 trotzdem ein enorm starkes Ergebnis, übrigens unabhängig davon wie die Quote ausfällt. Der Sender gewinnt mit der Show zur Aktion ein Stück weit an Relevanz und Selbstvertrauen - und einen Moderator, der sich für größere Aufgaben empfiehlt. Ja, Boschmann ist seit Jahren im Team des "Sat.1 Frühstücksfernsehen" und durfte schon ran bei "Hotel Herzklopfen", "Dancing on Ice" oder zuletzt der furchtbar uninspirierten "Gegenteilshow". Das noch mehr in ihm steckt, zeigte dieser Abend. So wie es ohnehin viel mehr Talente im deutschen Fernsehen gibt, die bloß einmal das Vertrauen der Sender bräuchten. Daniel Boschmann bekam die Chance und nutzte sie.

Es sind Live-Momente, die prägen und beweisen wie souverän Moderatorinnen und Moderatoren ihr Handwerk am Ende beherrschen, wenn man sie lässt: Wenn wie einst beim mit Trommelwirbel angekündigten "Quizduell" im Ersten die Technik völlig versagt, dann gibt es Vertreter der Zunft, die sich verzweifelt Anweisungen der Regie erhoffen - oder eben Jörg Pilawa, der das Ruder übernimmt und kurzerhand mit dem Studiopublikum talkt. Oder Barbara Schönebergers souveräne Glanzleistung beim deutschen Vorentscheid für den ESC 2015 als Gewinner Andreas Kümmert überraschend ankündigte, zu verzichten.

Nicht nur moderieren können, was im Ablauf steht sondern moderieren können, was immer auch passiert. Das ist die schwierigste Disziplin in der Moderation. Live-Erfahrung im Radio hilft dabei übrigens, auch die hat Boschmann in früheren Jahren gesammelt. Weiter an Profil gewonnen hat er an diesem Samstagabend und gleichzeitig Respekt verdient. Mehr als 31 Millionen Euro für den guten Zweck sind sicher das wichtigere Ergebnis, Boschmann trotzdem ein Gewinner. Bleibt zu hoffen, dass es nicht zu bald eine weitere Spendengala braucht. Ein TV-Format mit etwas mehr Raum für Moderation würde reichen. Für Boschmann - und vielen andere Kolleginnen und Kollegen.