Wer soll dem ZDF in der aktuellen Verfassung die Marktführerschaft eigentlich je nochmal streitig machen? Auch in der abgelaufenen Saison spielte das ZDF eigentlich wieder in einer eigenen Liga. Wenn man mal den WM-geprägten Dezember außen vor lässt, dann betrug der Vorsprung auf das zweitplatzierte Erste beim Gesamtpublikum nie weniger als zwei Prozentpunkte, selbst in den beiden Marktanteils-schwächsten Monaten April und Mai reichte es mit Marktanteilen von knapp unter 14 Prozent für einen höheren Wert als Das Erste trotz des WM-Rückenwinds im Dezember erreichen konnte.

In die lange etablierten Fiction-Sendeplätze in der Primetime fügten sich Neuerungen wie die "Mordsschwestern" am Freitag oder "Dr. Nice" am Sonntag erfolgreich ein, auf Dauerbrenner wie den "Bergdoktor" und die "Bergretter" war ohnehin Verlass. Am Vorabend war die neue "SOKO Linz" erfolgreich wie alle "SOKO"-Serien - gleichwohl hat es sich aber auch nicht geändert, dass man sich mit neueren Serien in der zweiten Vorabend-Schiene nach den "heute"-Nachrichten eher schwer tut. Das traf auch aufs neue "Hotel Mondial" zu - das aber wohl in der Mediathek zumindest so gut funktioniert hat, dass eine weitere Staffel schon beauftragt ist.

Apropos Mediathek: Dort gelangen den Mainzern in dieser Saison neue Rekorde, allen voran mit der Serie "Der Schwarm". Trotz des Störfeuers durch Buchautor Frank Schätzing und trotz recht durchwachsener Kritiken war die Serie aus Reichweitensicht für das ZDF ein grandioser Erfolg. Die Serie generierte mit der ersten Folge bis etwas über eine Woche nach Ausstrahlung schon deutlich über vier Millionen Abrufe und hielt einen beträchtlichen Teil des Publikums auch dran. Und auch linear konnten sich die Quoten sehen lassen. Zuvor hatte schon "Gestern waren wir noch Kinder" das Kunststück fertig gebracht, einen linearen Quotenerfolg und sehr hohe Abrufzahlen in der ZDF-Mediathek zu vereinen. Das ist also möglich - aber man muss für solche Produktionen auch Geld in die Hand nehmen und darf sie nicht mit einem verringerten "Mediatheken-Budget" verhungern lassen.

Noch eine gelungene Verschränkung von Online und Linear gelang mit den "ZDFbesseresser"-Folgen von "ZDFzeit". Eigentlich ist das eine Online-Marke des ZDF, im Fernsehen kamen die Folgen mit Sebastian Lege zu den "Tricks" von Restaurants oder Lebensmittelindustrie aber auf teils über vier Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer und selbst bei den 14- bis 49-Jährigen sagenhafte Marktanteile von bis zu 16 Prozent - von wegen Rentnerfernsehen ZDF.

Ein Label, das schon lange nicht mehr passt, nicht nur mit Blick auf die weiterhin herausragenden Erfolge von "heute-show" und "ZDF Magazin Royale" am späten Freitagabend. Nein: Plötzlich ist das ZDF sogar am Nachmittag zeitweise Marktführer beim jungen Publikum. "Bares für Rares" erzielte im April und Mai jeweils im Schnitt rund 10 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen - mehr als Barbara Salesch bei RTL, die "Klinik am Südring" in Sat.1, die Sitcoms bei ProSieben oder die "Shopping Queen" bei Vox. Zuvor ist auch die "Küchenschlacht" im ZDF erfolgreich unterwegs - und selbst alte Folgen der "Rosenheim-Cops" haben am Nachmittag in den letzten Wochen nicht nur wie eh und je beim Gesamtpublikum dominiert, sondern selbst bei den 14- bis 49-Jährigen mehr als einmal zweistellige Marktanteile eingefahren.

Auf dem Lerchenberg dürfte man es mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nehmen, war das doch sicher nicht der Plan. Viel mehr wird das Augenmerk in den kommenden Monaten darauf liegen, welche Neuerungen in der Primetime unter der veränderten Senderführung umgesetzt werden - also mit welchen Inhalten das Versprechen von Intendant Norbert Himmler "ein ZDF für alle" zu schaffen, untermauert werden, welche neue Akzentuierung Nadine Bilke dem Programm verpasst. Ein bisschen mehr frischen Wind könnte dabei nicht zuletzt auch die Show-Abteilung gebrauchen, wo man mit "Wetten, dass..?" zwar die auch in der zweiten Neuauflage erfoglreichste Show bei Jung und Alt im Programm hatte, Giovanni Zarrella gut etabliert hat und auch mit Kerners "Quiz-Champion" noch immer gut fährt, ein paar frische Ideen aber gut tun würden. Aus der Position der Stärke könnte man sich einiges trauen, nicht nur fiktional.

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