Vor dem Hintergrund immer neuer Medienangebote stellt sich zunehmend die Frage der Auffindbarkeit. Über Jahre hinweg haben Sender, Plattform-Anbieter und Medienpolitik deshalb darum gerungen, wie Angebote, die einen gesellschaftlichen Wert aufweisen, auf Benutzeroberflächen von Smart-TVs oder Set-Top-Boxen dargestellt werden. Seit April muss nun die konkrete Umsetzung erfolgen, nachdem im Medienstaatsvertrag die leichte Auffindbarkeit sogenannter Public-Value-Angebote verankert wurde. Doch wenige Wochen nach dem Inkrafttreten der Vorgabe zeigt sich, dass es vielerorts noch an der Umsetzung hapert.

Und auch wenn es für ein erstes Zwischenfazit streng genommen noch zu früh ist, zeigte sich Thorsten Schmiege, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM), auf der ANGA COM zunächst nur bedingt zufrieden. "Ich bin erst mal froh, dass die meisten Anbieter die Umsetzungsnotwendigkeit anerkennen", sagte Schmiege in Köln. Beim Blick ins Detail sei er dagegen "noch nicht so glücklich", betonte der Medienhüter. "Wir sind noch nicht bei 100 Prozent, es gibt noch viel zu tun."

Tatsächlich zeigt sich, dass noch längst nicht alle Anbieter die Vorgaben umgesetzt haben. Auf die Nachfrage von DWDL.de-Chefreporter Torsten Zarges, ob es sich dabei um einen Verstoß handelt, antwortete Schmiege dennoch ausweichend. Es gehe nun darum, "in den nächsten Wochen und Monaten Gespräche zu führen", sagte der BLM-Präsident.

Einer, der die Vorgaben bereits umgesetzt hat, ist Alexander Scheuer, der bei der Deutschen Telekom den Bereich Medienpolitik & Medienregulierung leitet. Seit einigen Wochen bietet die Telekom-Plattform Magenta TV einen Untermenüpunkt an, in dem neben dem gesamten Angebot auch jene linearen Public-Value-Angebote aufgeführt werden, die es in die von der Politik beschlossenen Liste geschafft haben. Doch Scheuer zweifelt am Nutzen. Ein Nutzertest habe demnach vor allem zwei Fragen hervorgebracht: "Wofür brauche ich das? Und was ist das jetzt für ein Quatsch?"

Mehrwert fürs Publikum?

Das sei zwar freilich nur eine Momentaufnahme, räumte der Telekom-Manager ein, doch an den Reaktionen komme man aus seiner Sicht trotzdem nicht vorbei. "Es gilt der Grundsatz: Jeder Nutzer findet seinen Inhalt, aber nicht jeder Inhalt findet seinen Nutzer", sagte Scheuer. Ähnlich skeptisch äußerte sich auch Kristina Freymuth, General Counsel bei Sky Deutschland. Sie sprach von einem "erheblichen Mehraufwand", der im Falle von Sky auch deshalb kostenintensiv sei, weil in die eigentlich international angelegte Sky-Plattform nun ein deutscher Sonderweg integriert werden musste - obwohl dieser "auf den ersten Blick keinen wahnsinnigen Mehrwert für unseren Kunden" biete. 

Andrea Huber, Geschäftsführerin des Breitbandverbands ANGA, sprach gar von einem "bürokratischen Monster", das nun umgesetzt werden müsse. Das sei "sehr komplex für die Plattformen", zumal etwa die Frage der persönlichen Favoritenliste der Nutzerinnen und Nutzer "nach wie vor Schwierigkeiten" mache. 

Zumindest etwas glücklicher zeigten sich dagegen die Sendervertreter, allen voran Claus Grewenig, Chief Corporate Affairs Officer bei RTL Deutschland. Bei den Kölnern profitiert vor allem der Nachrichtensender ntv, der es in der von den Medienanstalten empfohlenen Listung der Bewegtbildangebote auf einen respektablen achten Platz schaffte - und damit wohl deutlich vor jener Platzierung liegt, auf der man ntv in der Vergangenheit für gewöhnlich fand. "Das ist ein im Verhältnis kleiner, erlesener Kreis, für den es sich gelohnt hat, einen Prozess von mehr als zehn Jahren zu durchschreiten", resümierte Grewenig, kritisierte aber zugleich, dass die meisten Anbieter den Nachrichtensender bislang trotzdem "deutlich weiter unten" listet. 

Andreas Gerhardt, Chief Distribution Officer beim kleinen Spartensender Sport1, klang bei der Podiumsdiskussion auf der ANGACOM ähnlich gespalten. "Insgesamt bringt uns das Thema extrem viel", sagte er, doch bei den Endgeräten habe man "in Sachen Rundfunksortierung noch nichts erkennen können". Das stelle ihn daher "extrem unzufrieden", sagte Gerhardt. "Der Gesetzgeber hat es vorgegeben und es kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, dass nichts gemacht wird." Dem werde man nachgehen müssen. "Wir wollen dafür kämpfen, dass es im Sinne des Gesetzgebers umgesetzt wird."

Debatte um Platzierung von Bild TV

Einen ersten Sonderfall gibt es ohnehin schon jetzt: Der Springer-Sender Bild findet sich zwar auf einem beachtlichen 14. Platz der Listungsempfehlung - doch die Entscheidung, den Kanal so weit vorne zu positionieren, wurde getroffen, als Bild noch deutlich mehr Live-Berichterstattung bot. Wo noch vor wenigen Monaten zahlreiche News-Formate das Programm prägten, kommen nun überwiegend Dokus aus der Konserve. BLM-Präsident Thorsten Schmiege stellte daher auf der ANGA COM überraschend in Aussicht, diese Empfehlung überprüfen zu wollen. Welche Konsequenzen das haben wird, ist aber noch unklar. Möglich, dass Bild in der zunächst auf drei Jahre angelegten Listung nach hinten durchgereicht wird - etwa auf Augenhöhe mit dem ähnlich positionierten N24 Doku - oder gar seinen Public-Value-Status verliert.

Für immer in Stein gemeißelt ist der Public-Value-Status, den immerhin über 200 Angebote erhielten, aber ohnehin nicht. Schon im kommenden Jahr soll ein neuer Bewerbungsprozess für die Liste in Gang gesetzt werden. Man darf gespannt sein, wie es bis dahin um die Umsetzung bestellt ist.