Geld, so sagt man, mache nicht satt, sondern hungrig. Warum sollte ein unermesslich reicher Volksheld mit Macht und Privilegien, Yacht und Schlössern, Bar- und Sachvermögen in obszöner Höhe sonst Tyrannen der übelsten Sorte umgarnen, Gelder waschen, womöglich sogar Morde anordnen – um noch reicher, mächtiger, privilegierter zu werden? Dieser Frage geht der deutsche Filmemacher Christian Beetz im Sky-Vierteiler „Liebe, Geld, Verrat“ nach und hat dafür eine denkbar gute Titelfigur: Juan Carlos.

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Denn Spaniens König, der das chronisch zerrüttete Land buchstäblich souverän durch trübe Fahrwasser von Faschismus und Putsch zur Demokratie steuern half, fällt vor zwölf Jahren seine Allgewalt auf die Füße, besser: den Rüssel. Silvester 2011 bittet Juan Carlos I. seine Untertanen in schwerer Wirtschaftskrise um Genügsamkeit – nur, um wenige Wochen später für 44.000 Euro inklusive Elefantenabschussgebühr nach Afrika zu jetten, wo er sich überdies triumphierend auf dem Kadaver fotografieren lässt.

In Zeiten ökonomischer Spar- und ökologischer Achtsamkeit machen Qualitätsmedien daraus (völlig zu Recht) einen Skandal, den der Boulevard mit Gossip garniert. Weitere Bilder der dekadenten Großwildjagd zeigen schließlich nicht etwa Königin Sophia, sondern Corinna Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein an (Don) Juans Seite. Im zweiten Drittel der vierteiligen Dokumentation wird allerdings klar, dass ihre Sprengkraft keinesfalls amouröser Natur ist. Oder wie Ana Romero von der Tageszeitung „El Mundo“ die „Shakespeare-Tragödie“ umschreibt: „Macht, Leid, Geld, Sex – und es hört nicht auf.“

Mit jeder Minute mehr nämlich wird das Porträt zur Räuberpistole aus dem Reich der Geheimdienste, Mafiaclans, Tyranneien mit einer saftigen Portion Misogynie. Die Aufmerksamkeitsindustrie der Regenbogenpresse des erzkatholischen Landes wirft ja nicht „King Casanova“ (dem diskret, aber hörbar Tausende Affären nachgesagt werden) zum Fraße vor, sondern Corinna Larsen, wie sie Prinzessin zu Sayn Wittgenstein nur abschätzig nennt – und ihre Rechnung dabei ohne die Dänin hessischen Ursprungs macht.

Kurz vor der Begegnung mit Juan Carlos in den Hochadel eingeheiratet, richtet die erfolgreiche Unternehmensberaterin ihr eigenes Netzwerk bald gegen den gestürzten König mitsamt Vasallen. Als redselige Kronzeugin führt sie uns durch vier atemlose Stunden Archivmaterial oder Zeitzeugengespräche und enthüllt dabei mit verletztem Stolz, in welchem Sumpf ihr Ex-Lover zum Milliardär werden konnte. Spürbar erregt vom 007-Plot, lassen die Regisseure Anne von Petersdorff und Georg Tschurtschenthaler dazu dunkle Koffer voll Schmiergeld durch nachgestellte Szenen von Privatjet zu Luxuslimousine wandern.

Alles im Dunstkreis befreundeter Potentaten wie Gaddafi und Putin, alles im Überfluss totalitärer Staaten wie Saudi-Arabien und Aserbaidschan, alles so aufregend inszeniert, wie es das Boom-Genre True-Crime zum Fetisch erhoben hat. Alles schon auch erhellend, wenn die königliche Immunität vorm spanischen Gesetz erörtert wird oder der enthemmte Kapitalismus als Wurzel elitärer Exzesse, alles allerdings arg personalisierend, also boulevardesk, ohne den heißen Kern des methodischen Machtmissbrauchs zu problematisieren.

Die involvierten der 28 Interviewpartner von Spaniens früherem Regierungschef José Maria Aznar bis zum ehemaligen Bankpräsidenten Mario Conde haben ja nicht zufällig allesamt Y-Chromosomen. Wenn ersterer den einstigen Franco-Freund Juan Carlos I. als „König der Demokratie“ feiert, während letzterer dessen Jagd-Fauxpas als Privatsache bezeichnet und die Entschuldigung dafür (nicht die Tat) als „Ende der Monarchie“, zeigt es ein toxisches System männlicher Gutsherrenart, das weder Buch noch Regie ausreichend erwähnen.

Bilder und Charaktere sprechen lautstark für sich

Abgesehen von der (keinesfalls unbescholtenen) Corinna zu Sayn-Wittgenstein nämlich sind sämtliche Entscheidungszirkel nahezu frauenfrei. Kein Wunder, dass der arrogante Geschäftsmann Philip Adkins – zugleich Exgatte der Prinzessin und Jetztkumpel des Königs – Täterumkehr à la „es muss unheimlich schmerzhaft sein, so viel getan zu haben, und mit so viel Undankbarkeit und Untreue bestraft zu werden“ betreibt. Kein Wunder auch, dass Exbanker Conde acht Jahre Haft wegen kapitaler Wirtschaftsdelikte nicht zur inneren Einkehr, sondern Entschuldigungsgefasel für majestätische „Kavaliersdelikte“ nutzt.

Das Fundament männlicher Unfehlbarkeitsfantasien unerwähnt zu lassen, ist fast fahrlässig, einerseits. Andererseits sprechen Bilder und Charaktere lautstark für sich. Vielleicht ist es da gar nicht so nebensächlich, wenn sich die TV-Journalistin Selina Scott fragt, wofür der König sein darbendes Volk für eine Safari verlässt, als Interpretation „Nervenkitzel“ anbietet, die Antwort aber doch uns überlässt. Philip Adkins dagegen ruft vor laufender Kamera Spezi Juan Carlos an und erkundigt sich im saudischen Exil, wo er vor spanischer Strafverfolgung sicher im Luxus schwelgt, nach dem Befinden.

Kehliges Lachen, feudale Gesten, nullkommanull Schuldbewusstsein – für diese zwei Alpharüden ganz alter, ewig neuer Schule sind „Liebe, Geld, Verrat“ schließlich keine Chiffren ihrer Rechtstaats- und Demokratieverachtung, sondern Ehrentitel im System testosterongesättigter Allmacht. Vielleicht helfen Dokus wie diese dabei, ihnen irgendwann den Garaus zu machen. Es wäre auch Männern zu wünschen.

"Juan Carlos - Liebe, Geld, Verrat" ist ab 21. Mai auf Sky und dem Streamingdienst Wow abrufbar und am 21. und 28. Mai ab 20:15 Uhr jeweils als Doppelfolge auf Sky Documentaries zu sehen.