Eigentlich wollte ProSiebenSat.1 schon vor knapp zwei Monaten seinen Jahresabschluss veröffentlichen, doch weil sich mit Blick auf das zum Segment Commerce & Venture gehörende Geschäft von Jochen Schweizer mydays überraschend regulatorische Fragen stellten, wurde nicht nur eine Anpassung des im Wesentlichen auf dem Vertrieb von Gutscheinen bestehenden Geschäftsmodells geprüft, sondern im Zuge dessen auch eine Verschiebung der geplanten Veröffentlichung der Geschäftszahlen angekündigt. In diesem Zusammenhang stand gar ein Rauswurf von ProSiebenSat.1 aus dem MDax im Raum.

Dieser dürfte nun aber vom Tisch sein, denn am Donnerstagabend machte der Medienkonzern seinen Jahresabschluss nun doch noch öffentlich - und damit sogar einige Stunden früher als zuletzt angekündigt. Die Zahlen lesen sich durchwachsen: Zwar hat ProSiebenSat.1 das Geschäftsjahr 2022 im Rahmen der zuletzt im Oktober aktualisierten Prognose abgeschlossen, der Konzernumsatz sank allerdings um sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 4,163 Milliarden Euro. Organisch, also bereinigt um Währungseffekte und Portfolioveränderungen, lag der Konzernumsatz um fünf Prozent unter Vorjahr.

Die Rede ist von einem "stark eingetrübten Marktumfeld". Das sei in Folge des Kriegs in der Ukraine und der damit einhergehenden Energiepreiskrise von einer hohen Inflation und Konsumzurückhaltung geprägt gewesen. Dabei habe sich die negative Entwicklung der Verbraucherstimmung, insbesondere in Deutschland, Österreich und der Schweiz, auf weite Teile des Portfolios ausgewirkt, erklärte der Konzern. Die Werbeerlöse in der DACH-Region reduzierten sich demnach im Gesamtjahr um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr, das wegen des Weihnachtsgeschäfts wichtige vierte Quartal war gar mit zwölf Prozent rückläufig.

Weniger Ausgaben fürs Programm

Während der Umsatz im Segment Dating & Video um vier Prozent zurückging, betrug das Minus im Segment Commerce & Ventures gar zwölf Prozent. So sei etwa das Geschäftsmodell des Vergleichsportals Verivox von den großflächig gestiegenen Energiepreisen und den dadurch limitierten Anbieterwechseloptionen negativ beeinflusst gewesen. Auch im mit Abstand wichtigsten Segment, dem Entertainment-Bereich, musste ProSiebenSat.1 einen Rückgang hinnehmen: Dort sank der Außenumsatz um sieben Prozent auf 2,888 Milliarden Euro. Ein Jahr zuvor hatte man hier noch die Marke von drei Milliarden überschritten. Neben dem Werbe-Minus machten sich auch Konsolidierungseffekte bemerkbar, nachdem ProSiebenSat.1 im vorigen Jahr das US-Produktionsgeschäfts der Red Arrow Studios veräußert hatte.

Die makroökonomischen Belastungen beeinflussten wiederum auch das adjusted EBITDA des Konzerns deutlich. Dieses verzeichnete 2022 einen Rückgang auf 678 Millionen Euro. Hierbei wirkte sich nach Angaben von ProSiebenSat.1 insbesondere der Rückgang der hochmargigen Werbeerlöse aus. Man habe daher mit Kostenanpassungen gezielt auf die negative Entwicklung der Werbeumsätze reagiert - etwa in Form von geringeren Ausgaben fürs Programm. 

Staatsanwaltschaft leitet "Beobachtungsverfahren" ein

Immerhin: Das Problem von Jochen Schweizer und mydays konnte vorerst behoben werden - zumindest ein Stück weit. Konkret ging es zuletzt darum, inwieweit Teile der Geschäftstätigkeit der beiden Gesellschaftenunter das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) fallen. Daraufhin habe man im März das Produktangebot angepasst, um die aufsichtsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Zuletzt hat bereits die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht darüber informiert, dass Jochen Schweizer und mydays keine BaFin-Erlaubnis brauchen, um das angepasste Produktangebot weiter zu betreiben.

Ganz vom Tisch ist das Thema aber noch nicht: Wie ProSiebenSat.1 mitteilte, wurde eine unabhängige interne Untersuchung durch eine externe Rechtsanwaltskanzlei in Auftrag gegeben. Ziel sei es, etwaiges Fehlverhalten aufzuklären, insbesondere im Hinblick auf Pflichten der betroffenen Gesellschaften nach dem ZAG. Zudem hat die Staatsanwaltschaft München I einen Beobachtungsvorgang eingeleitet - mit ungewissem Ausgang. Man kooperiere "umfassend mit den zuständigen Behörden", erklärte der Konzern, dem das vermeintliche Missmanagement teuer zu stehen kommen könnte. Wörtlich heißt es: "Die möglichen finanziellen Belastungen für den Konzern im Zusammenhang mit den behördlichen Untersuchungen sind derzeit noch nicht abschätzbar, könnten aber erheblich sein."

Ralf Peter Gierig © ProSiebenSat.1 Ralf Peter Gierig
Am Abend überraschte ProSiebenSat.1 dann auch mit der Nachricht, dass der bisherige Finanzvorstand Ralf Peter Gierig das Unternehmen verlässt - nur etwas mehr als ein Jahr, nachdem er in das Amt berufen wurde. Der Aufsichtsrat habe den Wechsel im Amt des Finanzvorstands beschlossen, erklärte das Unternehmen. Gierig habe sein Amt "in gegenseitigem Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat niedergelegt", teilte ProSiebenSat.1 mit. Unklar ist, ob der Abschied vor dem Hintergrund der Turbulenzen um Jochen Schweizer mydays zu sehen ist. Einen Nachfolger für Gierig gibt es bereits: Zum 1. Mai wird Martin Mildner den Posten übernehmen. Der 53-Jährige war zuletzt Finanzvorstand von United Internet. "Aufgrund seiner umfassenden Erfahrung in den Bereichen E-Commerce und Digitalisierung wird er bei der Umsetzung unserer Wachstumsstrategie wertvolle Impulse setzen können", sagte der ProSiebenSat.1-Vorstandsvorsitzende Bert Habets.

Erholung im zweiten Halbjahr erwartet

Mit Blick auf die weitere Entwicklung des Unternehmens erklärte Habets, intensiv daran zu arbeiten, die Strategie für ProSiebenSat.1 "konsequent umzusetzen und insbesondere unser Entertainment-Geschäft rund um die Streaming-Plattform Joyn mit voller Kraft voranzubringen". Man stelle sich neu auf und habe ein "striktes Konstenreduktionsprogramm" gestartet. Gleichzeitig werde man den Aktionärinnen und Aktionären für das Geschäftsjahr 2022 eine "deutlich reduzierte Dividende" vorschlagen und die "generelle Dividendenpolitik flexibler gestalten". Habets weiter: "All das ist der Grundstein einer sicheren und erfolgreichen Zukunft unseres Unternehmens."

Der Ausblick ist indes gedämpft. So rechnet ProSiebenSat.1 mit Blick auf die markoökonomisch Entwicklung weiterhin mit Unsicherheiten. Das wirtschaftliche Umfeld bleibe insbesondere im ersten Halbjahr weiter herausfordernd. Für das zweite Halbjahr rechnet der Konzern aber mit einer konjunkturellen Erholung in der DACH-Region. Konkret erwartet ProSiebenSat.1 für 2023 einen Konzernumsatz von rund 4,1 Milliarden Euro mit einer Varianz von plus/minus 150 Millionen Euro. Angestrebt wird demnach ein Umsatzanstieg im niedrigen einstelligen Prozentbereich an. Hinsichtllich TV-Werbeerlöse rechnet ProSiebenSat.1 auf Jahressicht mit einem Rückgang im mittleren einstelligen Prozentbereich. Dieser soll jedoch erklärtermaßen teilweise durch ein starkes Wachstum des Digital-Portfolios kompensiert werden.

Einen Termin gibt es nun übrigens auch für die eigentlich schon für kommenden Dienstag geplante ordentliche Hauptversammlung. Wegen der späteren Veröffentlichung des Jahres- und Konzernabschlusses soll diese nun am 30. Juni stattfinden. Der Termin dürfte nicht nur deshalb spannend werden, weil es dann möglicherweise einen ersten Zwischenstand zu den Untersuchungen rund um Jochen Schweizer und mydays geben könnte, sondern auch, weil davon auszugehen ist, dass Silvio Berlusconis Mediaforeurope seinen Einfluss auf ProSiebenSat.1 spürbar erhöhen wird.

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