Schon mehrfach haben Aussagen von Mathias Döpfner für Kopfschütteln gesorgt. Im Herbst 2021, als die Affäre um den kurz darauf geschassten "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt wieder hochkochte, veröffentlichte die "New York Times" eine WhatsApp-Nachricht, die der Vorstandsvorsitzende von Axel Springer an den Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre schickte: Reichelt sei "der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR Obrigkeits-Staat aufbegehrt", steht darin geschrieben. Nur wenige Wochen später veröffentlichte die "Washington Post" eine Mail, in der Döpfner an mehrere Vertraute schrieb, man möge "beten dass Donald trump wieder Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird".

Eine Ausnahme, ein Missverständnis? Wohl kaum. "Die Zeit" hat jetzt mit einem ausführlichen Bericht nachgelegt und den Inhalt interner Dokumente aus dem Umfeld des Springer-Chefs veröffentlicht. Die Rede ist von "Mails und Chatnachrichten aus dem engsten Führungskreis von Springer", vielen davon sollen von Döpfner selbst stammen, der häufig früh morgens oder spät nachts schrieb. Wer den "Zeit"-Artikel liest, wird schnell feststellen, dass einige der oft in schlechter Rechtschreibung verfassten Nachrichten an Reichelt gingen, an dem der mächtige Konzernchef lange festhielt - bis der Druck, insbesondere aus den USA, wo Döpfner gute Geschäfte wittert, schließlich zu groß wurde.

Die internen Dokumente geben einen Einblick in die Führung des Springer-Verlags, aber auch in Döpfners Gedankenwelt - etwa mit Blick auf Ostdeutsche, von denen er offensichtlich kein sonderlich gutes Bild hat. "Meine Mutter hat es schon immer gesagt. Die ossis werden nie Demokraten", schrieb Döpfner 2019 in einer internen Nachricht. "Vielleicht solle man aus der ehemaligen ddr eine Argar und Produktions Zone mit Einheitslohn machen." In einer anderen Nachricht heißt es gar: "Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig."

"ich bin sehr für den Klimawandel"

Bemerkenswert auch, dass sich Mathias Döpfner offenbar über die Erderwärmung freute. "ich bin sehr für den Klimawandel", erklärte er 2017. Man solle ihn nicht bekämpfen, sondern sich darauf einstellen. "Zivilisationsphasen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte." Wirtschaftlich wiederum bekannte sich Döpfner zur Globalisierung, außenpolitisch zu "free west, fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs." Innenpolitisch wiederum legen die veröffentlichten Nachrichten nahe, wie sehr er die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel verabscheute. Sie sei der "sargnagel der Demokratie", schrieb Döpfner, nachdem Merkel die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten Thüringens kritisierte. Döpfner fragt: "Lieber PDS-Nachfolgeorganisation als Minister Präsident als die Liberalen nur weil ein paar demokratisch gewählte afd wichser ihn gewählt haben? Das Land hat jeden Kompass verloren. Und M den Verstand." Mit "M" ist wohl Merkel gemeint, mutmaßt die "Zeit".

Besonders bemerkenswert ist der offensichtliche Wille Döpfners, den Ausgang der Bundestagswahl 2021 mit Hilfe der "Bild" beeinflussen zu wollen. "Unsere letzte Hoffnung ist die FDP. Nur wenn die sehr stark wird - und das kann sein - wird das grün rote Desaster vermieden." Vor allem an FDP-Chef Christian Lindner richtet er große Erwartungen. Nach einem Abendessen mit Lindner stellt Döpfner fest: "Er hat Zuviel Angst." Sechs Wochen vor der Wahl fordert er: "Kann man noch mehr für die FDP machen? Die sollten 16 Prozent mindestens kriegen." Und selbst zwei Tage vor der Wahl schrieb Döpfner an Reichelt: "Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in Ampel so autoritär auftreten dass die platzt. Und dann Jamaika funktioniert."

Laut "Zeit" will sich der Springer-Verlag nicht zu Döpfners Aussagen äußern, auch der Konzernchef selbst sei nicht zu einem Gespräch bereit gewesen. Zugleich droht neuer Ärger: So kündigt Reichelts Anwalt in der "Zeit" an, "sowohl strafrechtlich wie auch zivilrechtlich in Deutschland und den USA" Schritte gegen Axel Springer einzuleiten. So sei eine "transparente Aufklärung der Vorwürfe" gegen Reichelt systematisch unterblieben und der Fall sei "nicht annähernd abgeschlossen". Das sieht man offensichtlich auch bei Springer so: Laut "Spiegel" soll der Verlag rechtliche Schritte gegen Reichelt erwägen. Denkbar sind Klagen in Millionenhöhe.