Bert Habets © ProSiebenSat.1/Martin Kroll
Das sogenannte "Strategie-Update" der ProSiebenSat.1-Gruppe ist lang erwartet worden. Einerseits von Investorinnen und Investoren, die Klarheit haben wollen über den künftigen Kurs des Medienunternehmens. Aber auch von der Presse, weil CEO Bert Habets hier erstmals seine Visionen vorstellte. Habets leitet ProSiebenSat.1 seit November 2022, bislang hatte er sich in Sachen Unternehmensstrategie aber nicht wirklich in die Karten schauen lassen. Bis jetzt. 

Das, was Habets am Dienstag vorstellte, ist aber eher Evolution als Revolution. So kündigte ProSiebenSat.1 an, den Entertainment-Bereich "klar in den Mittelpunkt" des eigenen Geschäfts zu stellen. Das hat man aber auch schon von Habets’ Vorgänger Rainer Beaujean gehört. Darüber hinaus will der Konzern das Digitalgeschäft ausbauen. So soll Joyn künftig das "Zentrum des digitalen Entertainment-Auftritts" sein und zur Entertainment- & Lifestyle-Marke für die ganze Familie in der DACH-Region werden. Da man Joyn in Deutschland wohl ohnehin schon so definiert, ist das vor allem eine Ansage in die beiden anderen deutschsprachigen Länder. In Österreich etwa war Joyn lange gar nicht verfügbar, auch weil die Unternehmenstochter ProSiebenSat.1Puls4 schon vor längerer Zeit eine eigene App unter dem Namen "Zappn" herausgebracht hat - und damit offenkundig sehr zufrieden ist. Inzwischen ist Joyn in Österreich zwar aufrufbar, ein großer Teil der Inhalte ist aber nach wie vor geblockt. 

ProSiebenSat.1 will außerdem den "Aggregator-Ansatz" von Joyn stärken. Erst vor wenigen Tagen lud Bert Habets die Öffentlich-Rechtlichen dazu ein, Joyn als branchenverbindene Plattform auszubauen. Ob das mehr war als eine Sonntagsrede, wird abzuwarten bleiben. Noch jedenfalls ist nicht anzunehmen, dass Joyn bald der Dreh- und Angelpunkt für einen Großteil der TV-Sender in Deutschland wird. "Gleichzeitig tragen Initiativen wie die eigene News-Redaktion, mehr lokale Programminhalte sowie eine engere Zusammenarbeit mit den Creators aus unserem Netzwerk dazu bei, die Reichweite von ProSiebenSat.1 plattform-unabhängig zu steigern", heißt es von ProSiebenSat.1 am Dienstag. Vor allem die digitale Reichweite werde man anschließend durch smarte Advanced-TV-Werbeprodukte immer besser monetarisieren können. Wachsen könnte ProSiebenSat.1 in der Zukunft im Unterhaltungsbereich auch durch Zukäufe. Diese würde man regelmäßig überprüfen, heißt es aus Unterföhring. Auch hier bleibt Habets vorerst Konkretes schuldig. 

Beobachterinnen und Beobachter hatten eigentlich für das strauchelnde Segment Commerce & Ventures, hier sind auch alle NuCom-Beteiligungen gebündelt, neue Ankündigungen erwartet. Stattdessen ließ der Konzern nun wissen, dass man den eingeschlagenen Weg fortsetzen und künftig verstärkt auf das Media-for-Equity/-Revenue-Modell setzen werde. Die Digital-Beteiligungen galten lange als Wachstumstreiber des Unternehmens, zuletzt sank der Umsatz aber auch in dieser Sparte (DWDL.de berichtete). 

"Digital noch attraktiver werden"

Dass ProSiebenSat.1 grundsätzlich an dem Plan, sich für Werbeplätze an Unternehmen zu beteiligen, festhält, kommt nicht überraschend. Zuletzt hatte auch RTL diesen Bereich für sich entdeckt und mit RTL Ventures einen Venture Fonds gegründet (DWDL.de berichtete). Mehrheitsbeteiligungen wolle man "operativ weiterentwickeln" und mittelfristig die "Best-Owner-Strategie umsetzen", so der Tenor aus Unterföhring. Das heißt: Ist eines der jungen Unternehmen bei einem anderen Konzern besser aufgehoben (und wird ein entsprechender Erlös erzielt), wird verkauft. Auch das ist aber schon seit Jahren die Strategie von ProSiebenSat.1. Vorerst kein Update gab der Konzern zur Online-Parfümerie Flaconi, die Ex-CEO Rainer Beaujean noch im vergangenen Jahr als "kein strategisches Asset" bezeichnete. Auch hier prüfte ProSiebenSat.1 lange einen Verkauf, zu dem es dann aber letztlich nie kam. 

Und bei der ParshipMeet Group gibt es ebenfalls keine großen Neuigkeiten. Deren Führung stellte man zuletzt neu und vor allem schlanker auf, darüber hinaus kündigte man einen Abbau der Personalkosten an. Man wolle nun die "operative Performance" des Geschäfts stärken. Ziel sei es weiterhin, "den Wert für alle Stakeholder der ParshipMeet Group mittel- bis langfristig zu maximieren und zu gegebenem Zeitpunkt zu realisieren". Eigentlich wollte man die Gruppe schon 2022 an die Börse bringen, sagte das dann aufgrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine aber wieder ab.

Viele Fragen sind noch offen

Bert Habets, Vorstandsvorsitzender der ProSiebenSat.1 Media SE, sagt: "Wir haben bei ProSiebenSat.1 alles, was es braucht, um täglich Millionen von Menschen zu erreichen. Das wollen wir jetzt noch besser in Wachstum übersetzen und vor allem digital noch attraktiver werden. Dafür stellen wir unsere Zuschauer:innen und Nutzer:innen konsequent in den Mittelpunkt, damit sie so viel Zeit wie möglich mit uns und unseren Angeboten verbringen. Mit smarten Werbetechnologien werden wir diese maximierte Sehdauer schließlich gewinnbringend vermarkten. Künftig liegt auch unser Investitionsfokus auf dem Entertainment-Geschäft. Ich bin davon überzeugt, dass wir auf diese Weise unsere Führungsposition im deutschsprachigen Entertainment-Markt stärken und unser mittelfristiges Umsatzwachstumsziel von durchschnittlich 4 bis 5 Prozent pro Jahr erreichen."

Spannend ist an diesem Dienstag auch, worauf ProSiebenSat.1 in ihrem Strategie-Update nicht einging. Wird es zu Verkäufen in der Sparte Commerce & Ventures kommen? Was ist mit der verschobenen Vorlage der Jahreszahlen und den damit verbundenen Fragen rund um Jochen Schweizer mydays? Und wie werden künftig die Sitze im Aufsichtsrat verteilt? Zuletzt forderten sowohl Media for Europa (MFE) und der dahinterstehende Pier Silvio Berlusconi als auch die tschechische Finanzgruppe PPF Sitze im Aufsichtsgremium. Auch zu den Plänen von MFE, unter diesem Dach europäische Medienunternehmen zusammenzuschließen, verlor Habets am Dienstag zunächst kein Wort. Das kann sich aber noch ändern. Noch am Dienstagmittag will sich Bert Habets den Fragen der Presse stellen. Er wird wohl einige beantworten müssen.