Die Kleinen Brüder gehören aktuell zu den Shootingstars in der Produktionslandschaft. Max Mattis Harder, Leonard Fuchs, Emil Belton, Oskar Belton und Bruno Alexander haben ihre erste Webserie "Intimate" einst neben der Schule gedreht und - weil sie große Fans von Christian Ulmen waren - den Schauspieler damit so lange genervt, bis er zusammen mit Carsten Kelber (beide Pyjama Pictures) irgendwann auf sie aufmerksam wurde. Danach ging alles ganz schnell: Für die Amazon-Comedy "Die Discounter" haben Ulmen und Kelber die jungen Filmemacher an Bord geholt, dadurch wurden sie einem breiten Publikum, sowohl in als auch außerhalb der Branche, bekannt. Nun ist das neue "Intimate" bald bei Joyn Plus+ zu sehen, die Free-TV-Ausstrahlung bei ProSieben erfolgt ab dem 4. April. Im DWDL.de-Interview sprechen Pyjama-Geschäftsführer Carsten Kelber und die Kleinen Brüder Bruno Alexander und Max Mattis Harder über die Serie und ihren Aufstieg. 

Am 24. März werden bei Joyn Plus+ die ersten Folgen der neuen Comedyserie "Intimate" veröffentlicht. Unter dem Titel gab es schon einmal eine Webserie, die die Kleinen Brüder bei Youtube veröffentlicht hatten. Worin werden sich die Serien unterscheiden?

Bruno Alexander: Die Webserie ist während unserer Schulzeit entstanden, als wir vor dem Abitur Langeweile hatten. Damals waren wir große Fans von "jerks" und haben uns davon inspirieren lassen. Deswegen haben wir Kamera und Ton einfach in die Hand genommen und gedreht. Was dabei ein bisschen auf der Strecke geblieben ist, waren inhaltlich qualitativ hochwertige Geschichten. Dramaturgisch war das für die Tonne. Wir waren zu sehr damit beschäftigt, uns Drehlocations zu erkämpfen. Da sind wir illegaler Weise auch über Zäune geklettert. Wir haben damals viel gelernt und hatten schon viel Resonanz. Aber "INTIMATE." für Joyn ist jetzt ist etwas komplett anderes, weil wir ein großes Team im Rücken hatten. Wir haben uns viel Zeit genommen, eine gute Serie zu schreiben und sie auch zu inszenieren.

Also alles ganz anders?

Alexander: Wir halten oft die Kamera einfach drauf und dann passieren die Dinge, wie sie passieren. Wir arbeiten nach wie vor viel mit Improvisation am Set. Uns geht es um Realismus. Das war schon damals bei der Webserie so und das ist jetzt beim neuen "INTIMATE." auch so. Jetzt haben wir aber Drehbücher, anders als früher.

Die Webserie gibt es inzwischen nicht mehr bei Youtube. Hat das einen speziellen Grund?

Max Mattis Harder: (lacht) Ja. Sie war dramaturgisch wie gesagt nicht so gut. Wir wollten nicht, dass wir für die Joyn-Serie Schauspielerinnen und Schauspieler anfragen und die dann abgeschreckt sind, weil sie die Webserie googeln. Da wollten wir uns unglückliche Fragen ersparen und haben uns dazu entschieden, die Serie erst einmal offline zu nehmen.

Alexander: Es wird vielleicht mal ein Special geben mit den alten Folgen, aber jetzt erst einmal nicht. Wir schämen uns auch nicht für die Webserie, im Gegenteil. Wir sind sehr stolz auf das, was wir damals aus eigener Kraft geschaffen haben. Wir haben neben der Schule 15 Folgen gedreht.

Und neben einigen Promi-Auftritten in der Webserie, unter anderem waren ja damals schon Til Schweiger, Katharina Schüttler und Jan Josef Liefers mit dabei, sind dadurch Christian Ulmen und Carsten Kelber auf die Kleinen Brüder aufmerksam geworden. Das war der Durchbruch.

Carsten Kelber: Es gab damals viele Cameos und Christian sollte eigentlich auch in einer Folge auftauchen, was aus zeitlichen Gründen nicht geklappt hat. Aber Christian hat mir die Serie gezeigt und so sind wir in Kontakt gekommen. Daraus ist eine größere Zusammenarbeit entstanden und wir haben gemeinsam "INTIMATE." und "Die Discounter" realisiert. Wenn die Jungs jetzt sagen, dass die Webserie damals eher semi-professionell war, muss man dazu sagen: Sowohl ProSiebenSat.1 als auch wir bei Pyjama Pictures waren total überzeugt davon und fanden sie bestechend. Und auch Amazon hat den Kleinen Brüdern auf Basis ihrer Webserie "Die Discounter" anvertraut. Wenn man so will, war die Webversion damals eine Bewerbungsserie, die viele Türen geöffnet hat.

Kleine Brüder und Pyjama Pictures © Svenja Blobel Kleine Brüder (Bruno Alexander, Leonard Fuchs, Max Mattis Harder, Emil und Oskar Belton) und Pyjama Pictures (Carsten Kelber, Frank Buchs und Christian Ulmen)

Die Kleinen Brüder waren nie auf einer Filmhochschule, sondern haben sich mit einer Serie, die sie neben der Schule produziert haben, nach vorn gearbeitet. Heute gehören sie zu den bekanntesten Filmemachern unter 30. Was sagt das über Filmhochschulen aus?

Alexander: Emil [Belton, Anm.], Oskar [Belton, Anm.] und ich haben uns bei Filmhochschulen beworben, wurden aber nicht angenommen. Das war schwierig, aber es hat sich dann alles ziemlich gut gefügt. Als wir abgelehnt wurden, kamen bald Carsten und Christian von Pyjama Pictures auf uns zu. Für uns war das ein Jackpot.

Harder: Das ist jetzt unser großer Luxus, wir können 1:1 Unterricht nehmen.

Kelber: Für Seven.One Studios und Pyjama Pictures liegt auch in Hinblick auf Joyn ein wichtiger Fokus auf jungem Content, den wollen wir gemeinsam weiterentwickeln, wir sind daher mit einigen Young-Adult-Stoffen beschäftigt. Und mir wurde jetzt erst richtig klar, wie skeptisch und kritisch diese Generation ist, wenn es um Authentizität geht. Daher finde ich es nur konsequent, dass die Kleinen Brüder Geschichten aus ihrer Generation erzählen. Deswegen funktioniert es so gut. Wir helfen mit und flankieren die Produktion, ohne die jungen Kreativen einzuengen.

Alexander: Die Produktion der Webserie von "INTIMATE." hat uns auch sehr geholfen, denn da haben wir natürlich viel falsch gemacht. Dazwischen lag noch "Die Discounter", auch das hat uns weitergebracht, vor allem technisch. Da haben wir uns selbst den Schnitt angeeignet.

Die Zusammenarbeit von den Kleinen Brüdern und Pyjama liest sich ein wenig so, als würden die Kleinen Brüder alles Operative machen. Was genau bleibt da noch für Pyjama übrig?

Kelber: Das Kreative liegt bei den Kleinen Brüdern und "INTIMATE." ist auch eine Produktion von ihnen. Pyjama Pictures ist behilflich gewesen bei der Akquise und der produzentischen Begleitung. Unser kaufmännischer Leiter bei Pyjama Pictures, Frank Buchs, ist jetzt auch in der gleichen Funktion bei den Kleinen Brüdern verankert. Wir versuchen, den jungen Kollegen den richtigen Rahmen zu geben, damit sie sich als Kreative richtig austoben können. Wir geben auch inhaltlichen Input und weitere Tipps, aber das muss sich im Rahmen halten, damit ihre Kreativität nicht zu sehr konfektioniert wird. Das würde viel kaputt machen.

Alexander: Dafür sind wir auch sehr dankbar. Nichts ist schlimmer, als wenn man etwas Kreatives erklären muss und Visionen dadurch umgeformt werden. Da würde viel auf der Strecke bleiben. Das passiert mit Christian, Carsten und Frank nicht, da sind wir auf einem Nenner. Wir können die Ideen, die wir in unseren Köpfen haben, umsetzen. Ohne viel Gelaber.

Werden Pyjama und Kleine Brüder künftig alle Projekte gemeinsam umsetzen? Wie ist da der Modus Operandi?

Kelber: Wir haben uns formal vereinigt: Christian Ulmen, Frank Buchs und ich halten eine Minderheitsbeteiligung in Höhe von 33,33 Prozent an den Kleinen Brüdern. Für die Zukunft sind alle Modelle denkbar: Wir können die Kleinen Brüder für Pyjama Pictures als Kreative buchen, wie wir es bei "Die Discounter" getan haben. Umgekehrt geht es auch. Oder wir machen gemeinsam Koproduktionen, eine solche werden wir bald für ein NDR-Projekt umsetzen.

Nichts ist schlimmer, als wenn man etwas Kreatives erklären muss und Visionen dadurch umgeformt werden.
Bruno Alexander


Alexander
: Wir wollen künftig auch Filme und Serien produzieren, bei denen wir als Kleine Brüder nur als Produktionsfirma verantwortlich sind. Das heißt, wir geben anderen jungen Filmemacherinnen und Filmemachern die Chance, etwas inhaltlich auf die Beine zu stellen. Und das natürlich immer mit Unterstützung von Pyjama Pictures.

Wie stressig ist es, nicht nur Hauptdarsteller zu sein, sondern auch fast alles hinter der Kamera zu verantworten? So wie jetzt bei "Intimate".

Alexander: Sehr stressig. Aber es macht viel Spaß und das wiegt es auf. Der Vorteil bei uns ist, dass wir privat auch alle miteinander befreundet sind und so wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können. Das hört sich vielleicht etwas kitschig an, aber es stimmt. Wir versuchen auch, uns nicht zu übernehmen und unsere Kräfte einzuteilen. Das ist etwas, das wir erst lernen mussten. Vor allem damals, als alles losging. Wir wollen alles mitnehmen was geht, aber es soll keine Fließbandarbeit sein.

Harder: Wir haben gelernt Urlaub zu nehmen!

Alexander: Ja, das muss auch ab und zu mal sein. Zum Glück sind wir aber einige Leute und wir vertrauen einander. Der Laden ist also immer am Laufen.

Wie hat der Erfolg von "Die Discounter" euch und vielleicht auch eure Arbeit verändert? Das kam ja quasi über Nacht.

Alexander: Ich hoffe, das hat gar nicht so viel an unserer Arbeit verändert. Wir wollten durch den Erfolg auch ganz bewusst nichts verändern. Das, was bei den "Discountern" entstanden ist, ist intuitiv entstanden. Da haben wir nicht viel geplant. Wie gesagt: Wir wollen die Geschichten erzählen, die wir im Kopf haben und die uns wichtig sind. Die sind zufälligerweise gut angekommen, weil viele andere Leute auch so denken – und nicht, weil wir kommerziell gedacht haben. Genauso machen wir weiter. Künftig werden wir verstärkt darauf achten, aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen.

Bei den Kleinen Brüdern gibt es, der Name sagt es schon, nur Männer…

Alexander: Vordergründig ja, aber wir haben im Team bereits drei Schwestern. Wir planen zudem jetzt auch etwas, das von Frauen geschrieben und inszeniert ist, sodass wir nicht nur Serien und Filme aus unserer Sicht erzählen.

Und kann man das bei anhaltendem Erfolg wirklich so weitermachen? Nicht auf den potenziellen Erfolg zu schauen, sondern einfach das zu machen, worauf man Lust hat? Die Erwartungen werden von Projekt zu Projekt steigen. Und schließlich ist da auch das Unternehmen zu führen, bleibt da noch viel Zeit für Kreatives?

Harder: Da kommt wieder die Verbrüderung mit Pyjama Pictures ins Spiel. Mit Christian, Carsten und Frank bekommen wir viel Support und auch unser Team ist breit aufgestellt. Wir alle merken immer mehr, wo unsere jeweiligen Stärken liegen. So kristallisiert sich dann heraus, wer Logistisches übernimmt und wer vielleicht Regie und Drehbuch.

Bei dem Hype, den es gerade um die Kleinen Brüder gibt, muss man genau aufpassen, sich daran nicht zu verbrennen.
Carsten Kelber


Kelber
: Das liegt sicher auch an der Auswahl der Projekte. Es gab zuletzt Anfragen für größere und kommerzielle Sachen, die die Kleinen Brüder abgelehnt haben. Ich halte es für richtig, dass die Jungs in der Phase, in der sie gerade sind, aus sich heraus erzählen und Geschichten entwickeln, die viel mit ihrem Leben zu tun haben. Bei dem Hype, den es gerade um die Kleinen Brüder gibt, muss man genau aufpassen, sich daran nicht zu verbrennen. Wir sind zwar nicht die Agenten der Jungs, aber wir wollen aufeinander aufpassen. Und voneinander lernen: Die Kleinen Brüder haben uns auch schon in inhaltlichen Fragen beraten und Input gegeben.

Welche Projekte passen nicht zu den Kleinen Brüdern und wurden abgelehnt?

Alexander: Es ist schwer, pauschal etwas auszuschließen. Wir sind offen und thematisch könnte man ja alles auf uns zurechtbiegen. Vorsichtig sind wir bei Sachen, die sehr in die kommerzielle Richtung gehen, also beispielsweise Werbung. Auch da sind wir nicht komplett abgeneigt, aber es muss schon sehr gut zu uns passen.

Kelber: Es gab ein sehr großes Projekt, das sehr glossy war. Das Projekt hätte zwar einen beachtlichen Etat gehabt, aber auch viel Formalismus mit sich gebracht. Und die Kleinen Brüder hatten Bedenken, dass es zu stilisiert ist und inhaltlich zu festgelegt sein könnte. Ich glaube, rough und dirty zu bleiben, kommt den Kleinen Brüdern momentan noch mehr entgegen. 

Wie lange kann man dieses "rough" und "dirty" durchziehen? Und wann ist die Zeit für etwas Neues?

Alexander: Ich glaube, unsere Erzählweise ist etwas, das Menschen in unserem Alter vermissen. Normalerweise ist immer alles auserzählt und die Storys kommen meist nicht von Menschen, die sie auch wirklich erlebt haben. Wir machen das anders und versuchen dabei real und authentisch zu sein. Wenn man sich Apps wie BeReal. anschaut, sieht man ja, was das für ein großer Trend ist. Diese extreme Realness zeigen wir jetzt bei "INTIMATE." noch einmal besonders. Danach sehnen sich viele Leute.

Harder: Apps wie Instagram spielen ihren Nutzerinnen und Nutzern Authentizität vor und wir ziehen denen die Maske runter. Wir zeigen die Momente, die man freiwillig vielleicht nicht preisgibt. Wir wollen nichts beschönigen. Daher setzen wir auch auf Impro-Elemente, damit sich das Gesagte echt anfühlt.

Alexander: Diese Realness können wir gut, wir wollen aber auch andere Dinge ausprobieren. Aktuell planen wir einen Film, in dem Realität auf etwas trifft, das nicht ganz so real ist. Mehr will ich an dieser Stelle noch nicht verraten. Wir als Kleine Brüder werden auch andere Stoffe jenseits dieser Realness in Angriff nehmen.

Vielen Dank für das Gespräch!