Egal mit welchen Managerinnen und Managern aus der ARD man spricht: "Transparenz" ist ein wichtiges Stichwort, das fast alle in den Mund nehmen. Nach dem RBB-Skandal im vergangenen Jahr und der damit verbundenen Debatte rund um die Legitimität der Öffentlich-Rechtlichen und dem Agieren der jeweiligen Unternehmensspitzen war eigentlich klar, dass sich insbesondere die ARD öffnen und mehr Transparenz als bislang bieten muss. Bei der ersten Intendantenwahl nach dem ganzen Trubel rund um den RBB aber zeigt sich: Noch immer haben es nicht alle verstanden. 

Wie schön wäre es, würde der einzige am Montag bei der Wahl des Rundfunkrats nominierte Bewerber für den Posten des MDR-Intendanten, Ralf Ludwig, im Vorfeld und in der Öffentlichkeit über seine Ideen und Pläne für den MDR sprechen. Stattdessen: Schweigen. Vom MDR heißt es, man bitte um Verständnis. Der potenziell neue Intendant wolle sich "aus Respekt vor dem Verfahren und den Rundfunkräten" vor dem Wahltermin am Montag nicht zu seiner Kandidatur äußern. Ludwig will nicht einmal die Frage beantworten, wofür er eigentlich steht. 

Der MDR verweist auf eine Mitarbeiterversammlung vor einigen Tagen, in denen sich Ludwig "mit einigen Worten zu seiner Kandidatur und dem Verfahren geäußert" habe. Nach DWDL.de-Informationen bat er da in allererster Linie um Verständnis, dass er sich "aus Respekt vor dem Verfahren und den Rundfunkräten" nicht äußern werde. Und nun soll der Rundfunkrat am heutigen Montag entscheiden, ob der aktuelle Verwaltungsdirektor des MDR künftig als Intendant firmiert. Öffentlichkeit und Mitarbeitende wissen über dessen Zukunftspläne: wenig bis gar nichts. 

Und was soll das mit Respekt zu tun haben? 

Verständnis für dieses Verhalten haben wohl nur die wenigsten Beobachter. Es ist schon verständlich, dass Ralf Ludwig wenig Lust hat auf Kritik aus dem Rundfunkrat, wenn er mit Ideen an die Öffentlichkeit geht - weil manche Rundfunkräte eben meinen, nur ihnen stünden diese Informationen zu. Hier sind die Gremien eben auch ein Teil des Problems. Aber es ist doch so: Niemand will den Rundfunkräten die Entscheidung über die künftige Besetzung des Intendantenpostens abnehmen, aber eine Diskussion über die Ideen und Vorschläge des Kandidaten muss es doch in der Öffentlichkeit geben. Und zwar in der tatsächlichen Öffentlichkeit und nicht in der, die der Rundfunkrat repräsentieren soll. Rundfunkratsvorsitzender Dietrich Bauer lässt gegenüber DWDL.de wissen, dass er die Entscheidung von Ralf Ludwig respektiere und diese nachvollziehbar finde. Der Vorsitzende des Rundfunkrats heißt die Intransparenz also explizit gut. Er zeigt damit: Der Fisch stinkt in diesem Fall eben auch vom Kopf her. 

Von einem künftigen Intendanten kann man jedenfalls erwarten, dass er sich nicht hinter Verfahren und Vorgangsweisen versteckt, die längst aus der Zeit gefallen sind und die er selbst aufbrechen könnte, wenn er den Mut dazu hätte. 

Auch die Belegschaft wundert sich

Eine echte Zeitenwende ist dieser ganze Prozess leider nicht. Auch in der Belegschaft wundert man sich über das ganze Verfahren und seine Beteiligten. "Für uns als Gesamtpersonalrat ist es ungewöhnlich, dass von Herrn Ludwig gegenüber der Belegschaft keine inhaltlichen Aussagen kommen und er nicht für sich und seine Ideen wirbt. Er bewirbt sich für eine öffentlichkeitswirksame Position und hat sich mit diesem Schweigen aus Sicht vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter keinen Gefallen getan", sagt Dirk Gläßer, Chef des MDR-Gesamtpersonalrats, gegenüber DWDL.de. 

Und es ist auch nicht so, als würde sich Ralf Ludwig nicht nur inhaltlich nicht äußern wollen. Der MDR-Gesamtpersonalrat hatte zuletzt vom wahrscheinlich künftigen Intendanten ein Umdenken bei seinen Vertragskonditionen gefordert. Demnach soll Ludwig "Zusatzkonditionen" aus seinem aktuellen Vertrag mitnehmen wollen, dabei geht es auch um die umstrittenen Ruhegeld-Regelungen (DWDL.de berichtete). Und anstatt hier einen echten Neuanfang auszurufen, kommt von Ralf Ludwig: nichts. Auch die für die Vertragskonditionen zuständige Verwaltungsratsvorsitzende schweigt lieber zu diesem Thema und erweist der ARD damit einen Bärendienst. "Es kann nicht sein, dass sich der neue Intendant Konditionen sichert, die aus der Vorzeit stammen und die aktuell massiv in der Kritik stehen", sagt Dirk Gläßer. 

Der MDR ist eine öffentlich-rechtliche Einrichtung und als solche ist sie der Öffentlichkeit verpflichtet. Da hilft es auch nicht, auf die Gremien zu verweisen, die diese Öffentlichkeit repräsentieren sollen. Spätestens nach 2022 sollte es im ureigensten Interesse aller ARD-Manager sein, sich hier zu öffnen und ihre Arbeit auch einer breiten Masse zu erklären. Dass das noch nicht einmal in den Gremien angekommen ist, zeigt gut, wie viel Reformbedarf auch hier herrscht. Hinzu kommt, dass Interessierte am Montag nur sehr schwer die Möglichkeit haben, Ludwigs Vorstellung im Rundfunkrat zu sehen. Dieser Sitzungsteil ist zwar öffentlich, um ihn zu sehen, muss man aber vor Ort sein. Einen Livestream gibt es nicht.

Dass am Montag überhaupt nur eine Person zu Wahl steht, wirkt im Jahr 2023 auch aus der Zeit gefallen. Das Prozedere sieht es zwar vor, dass der Verwaltungsrat dem Rundfunkrat einen Vorschlag macht, er könnte aber auch mehrere Personen zur Wahl vorschlagen. So wurde aus zuvor 29 Bewerberinnen und Bewerbern ausgesiebt. Aus diesem Teilnehmerfeld machte der Verwaltungsrat zunächst zehn Personen, von denen dann nur drei tatsächlich angehört und deren Namen öffentlich wurden. Wer die anderen 26 Bewerberinnen und Bewerber waren, ist völlig unklar, was auch intern für Kritik sorgt. 

So verspielt man Vertrauen

Der MDR verweist auf die Tatsache, dass Arbeitnehmervertretungen am Auswahlprozess teilgenommen und angehört worden seien. Das ist leider nur die halbe Wahrheit, denn auch hier knarzte es gewaltig. So nahmen nicht alle relevanten Arbeitnehmer-Gremien an dem Prozess teil und die, die es taten, ärgerten sich später über harte Auflagen und darüber, erst sehr spät in den Prozess eingebunden worden zu sein. Auch intern heißt es: So geht Transparenz nicht. 

Das alles ist auch deshalb so ärgerlich, weil der MDR dieses Mal alles besser machen wollte. 2011 setzte sich der damalige Chef der "Leipziger Volkszeitung", Bernd Hilder, vor dem Verwaltungsrat knapp durch und wurde von diesem Gremium schließlich dem Rundfunkrat vorgeschlagen. Bei der eigentlichen Wahl scheiterte Hilder dann spektakulär (DWDL.de berichtete). Für den aktuellen Prozess hat der Verwaltungsrat immerhin ein öffentliches Ausschreibungsverfahren durchgeführt, obwohl das nicht zwingend vorgeschrieben wäre. Und am Ende hat man sich einstimmig für Ludwig ausgesprochen. Dass man sich mit der Transparenz insgesamt trotzdem so schwer tat, ist kein gutes Zeichen. Weder für den MDR, noch für die ARD insgesamt. Und schon gar nicht für die Öffentlichkeit, die das ganze Konstrukt nach wie vor bezahlt - und am besten Vertrauen haben sollte. Durch den Auswahlprozess hat der MDR einen Teil dieses Vertrauen verspielt.