Ein Mann stürzt eine Staumauer hinunter. Schnell ist klar: Es handelt sich um Paul Paulitz (Harald Krassnitzer), den Direktor des Sophianum-Eliteinternats, das schon die vier Freundinnen Miriam Hintz (Franziska Weisz), Doris Hauke (Diana Armft), Christiane Boj (Franziska Hackl) und Inès Lemarchal (Jasmin Gerat) besucht haben und auf das sie heute – entgegen ihres Schwurs, es nicht zu tun – ihre eigenen Kinder schicken. 

Trauer herrscht um Paulitz nicht, weil er Zeit seines Lebens Schüler und Lehrer mit mittelalterlich anmutenden Drillmaßnahmen quälte. Erst ein weiterer Todesfall verwebt schließlich verschiedene Zeit- und Gefühlsebenen und sorgt dafür, dass das Publikum nicht nur die Sorgen und Nöte der Freundinnen kennenlernt, sondern auch das Ermittlerduo Elfride Grünberger (Sissy Höfferer) samt Assistenten Lukas Leodolter (Tobias Resch). Dieses Team, das von Anfang an eine gute Portion Humor in die Serie bringt, rollt den Todesfall Paulitz nach drei Jahren erneut auf.

Es zeigt sich bald, dass die Schicksale der Freundinnen teils versteckt, teils unverhofft mit dem Namen Paulitz verstrickt sind. Geheimnisse, die jahrelang gut gehütet waren, kommen ans Licht und zwingen die Frauen zum Handeln. 

Aber „Tage, die es nicht gab“ ist viel mehr als nur ein Krimi. Die sehr unterschiedlichen Lebensentwürfe von vier Frauen um die 40 üben einen eigenen Sog aus. Wie gehen sie damit um, wenn die Ehe zerbricht, die Teenagerkinder auf die schiefe Bahn geraten oder die eigene Mutter die Zügel in der Hand behält? Und – als ob das alles nicht schwer genug wäre – wenn besagte Todesfälle das Leben auf den Kopf und die Freundschaften auf eine harte Probe stellen? 

Ihnen bei ihren Entwicklungen und Entscheidungen zuzusehen, das ist spannend und berührend und davon hätte die Serie nach dem Drehbuch von Mischa Zickler („Familiensache“, „Walking on Sunshine“) gerne noch mehr zeigen dürfen. Es herrscht ein stetes Hin und Her zwischen den Familien. Das mag nicht ungewöhnlich für diese Art von Serie sein, ist aber immer dann besonders ärgerlich, wenn die Gedanken nicht zu Ende erzählt werden und die Sprünge, statt an die zuvor gezeigte Handlung anzuschließen, viel zu oft neue Szenarien eröffnen. Dazu kommt, dass Dialoge häufig abrupt beginnen und leider genauso plötzlich enden. Vielleicht liegt es daran, dass der komplexe und wirklich faszinierende Serien-Stoff für sehr viel mehr als acht Folgen gereicht hätte. So aber mussten Themen schnell etabliert und klar herausgestellt werden, ohne dem Publikum die Möglichkeit zu bieten, sich mitentwickeln zu können. 

Tage, die es nicht gab © ARD/ORF/MR Film/Fabio Eppensteiner Martha Bauer (Zita Gaier, l.), Paul Paulitz (Harald Krassnitzer, r.).

Durch diese Erzählart entsteht ein Rhythmus des „Unausgesprochenen“, an den man sich erst gewöhnen muss, der aber vom Drehbuchautor durchaus gewollt ist. Zickler hat im Vorfeld der Ausstrahlung seine Absicht unterstrichen, das Publikum in eine Gefühlslage versetzen zu wollen, in der es am liebsten in den Fernseher hineingreifen und die Protagonistinnen zwingen würde, miteinander zu reden. Es ist also eine Mischung aus Sympathie mit den Charakteren und einer unbefriedigten Neugierde, die den Wunsch zum Weiterschauen wachsen lässt. 

Keine leichten Voraussetzungen für die Regisseurinnen Anna-Katharina Maier („Damaged Goods“, „Alarm für Cobra 11“) und Mirjam Unger („Vorstadtweiber“, „Schrille Nacht“), die die Geschichte jedoch in weiten Teilen hervorragend umgesetzt haben. Die Erzählstränge, wenn sie einmal in Fahrt gekommen sind, lassen sowohl inhaltlich als auch bildlich (Kamera: Josef Mittendorfer, Sebastian Thaler) kaum Wünsche übrig.

Umso enttäuschender ist es dann, dass einige Nebenfiguren nur als klischeehaftes Abziehbild erzählt werden. Allen voran Harald Krassnitzer als Paul Paulitz. Der Schuldirektor als Tyrann ohne Herz und mit pädagogischen Ansichten von vor 100 Jahren, der zu allem Überfluss seine sowieso schon herabwürdigen Sätze noch mit Grabesstimme darbietet - da hätten die Regisseurinnen der Figur gerne etwas mehr Facetten geben dürfen. Und warum die genauso beliebte, wie warmherzige Schauspielerin Jutta Speidel eine deutsche Version der von Meryl Streep verkörperten Miranda Priestley in „Der Teufel trägt Prada“ als knallharte Chefin a.D. einer Spedition geben muss, mit einer Härte, die ihr offensichtlich nicht innewohnt – das wirkt etwas boulevardesk. Statt eines Vortrags über das Halten von Teetassen wäre im Gespräch mit ihrer Tochter also auch gerne etwas Menschlichkeit angebracht gewesen, um das Verhältnis glaubwürdig darzustellen. 

Es ist dem leicht oberflächlichen Umgang des Drehbuchs mit seinen Figuren geschuldet, dass sehr authentisch fließende Dialoge manchmal auf Theater treffen. Darüber lässt sich aber hinwegsehen, wenn es um die Hauptcharaktere geht. Franziska Weisz spielt mit einer klugen Mischung aus Geheimnis und Sarkasmus und nimmt den Zuschauer als etwas präsentere der vier Damen an die Hand. Diana Armft ist mit Ehemann Rick Kavanian der Teil des Quartetts, der Heiterkeit ins Spiel bringt, während Franziska Hackl mit gewohnter Tiefe sehr glaubhaft die Freundin in dieser Runde verkörpert, die eben nicht alles geschafft hat. Jasmin Gerat wiederum würde man seitens des Drehbuchs etwas mehr Bandbreite wünschen. Als Frau, die Hilflosigkeit mit Aktivismus beantwortet, werden sich aber viele Zuschauerinnen mit ihr identifizieren können.

Und dann ist da, gewissermaßen als Bonus, noch Sissy Höfferer, die als weiblicher Columbo im Trenchcoat und unterstützt von ihrem leicht „depperten“ Assistenten die richtigen Fragen stellt - eine ideal besetzte Kombi in einer überwiegend gelungenen Serie, die als eine Art österreichisches „Big Little Lies“ frischen und vor allem weiblichen Wind in die Primetime bringt. Von Redaktion über Darstellerinnen bis Regie haben hier mehr Frauen das Format geprägt, als es oftmals der Fall ist. Und das hat sich, aller Schwächen zum Trotz, gelohnt.

"Tage, die es nicht gab", dienstags um 20:15 Uhr im Ersten und schon jetzt in der ARD-Mediathek