Wenn in wenigen Wochen auf RTL wieder Promis und Profis übers Parkett wirbeln, dann wird eine Frau backstage von „Let’s Dance“ bei besonders wilden Tänzen bibbern: Bitte, bitte, lass es gutgehen, lass kein Haarteil von den frisierten Köpfen fliegen! Denn das wäre für Kristina-Helen van der Viven, allseits „die Krissi“ genannt, „der Super-GAU“. In all den Jahren, in denen sie als Chefmaskenbildnerin den Look dieser Hochglanzshow prägte, ist das nicht einmal vorgekommen. Mit Glück könnte es zu tun haben. Oder einfach mit solidem Handwerk in einem Gewerk, das andere strahlen lässt, selbst aber nicht im Rampenlicht steht.

Deshalb Spot an für eine Meisterin dieses Fachs, über die eine ihre treusten Kundinnen, die ehemalige „Let’s Dance“-Teilnehmerin und „Supertalent“-Moderatorin Lola Weippert, auf Insta die Kelle schwang: „Privat und beruflich: eine zwölf von zehn.“

Niemand, der die Krissi kennt, würde da wohl widersprechen.

Ob Evelyn Burdecki für „Stars in der Manege“ auf Sat.1, Franziska van Almsick beim Ball des Sports, TV-Auswanderin Danni Büchner auf Mallorca oder Jochen Schropp beim Nacktshooting und Martina Eßer ganz seriös im „WDR aktuell“-Nachrichtenstudio – sie alle begeben sich für das Tüpfelchen Glam & Glow in Krissis Hände, die, kaum zu glauben, schon so lange mit Kamm und Make-up zaubern, wie Lola Weippert auf der Welt ist.

Krissi van der Viven © Krissi van der Viven
Im Jahr 1996 stieg sie ins Beauty-Business ein. In der Abteilung H&M, also Haare und Make-up, zählt die Visagistin mit beachtlicher Showreferenzliste (außer „Let’s Dance“ auch „Deutschland sucht den Superstar“, „Curvy Supermodel“, „Stepping out“, „Dancing on Ice“ oder „United Voices“) fast schon als Grande Dame. Dabei feiert sie heute in zwei Wochen erst ihren 48sten. Und was soll man sagen? Sie sieht einfach blendend aus, wie sie da in ihrer Düsseldorfer Küche sitzt und in die Handykamera spricht und spricht und dabei vergisst, an ihrem Ingwer-Tee zu nippen. Und man fragt sich: Ist die tolle Knolle etwa ihr Beauty-Geheimnis?

Natürlich nicht allein. In gut einem Vierteljahrhundert Berufsjahren haben sich jede Menge Tricks und Tiegel angesammelt. Und, ja, das gibt sie offen zu, ein bisschen Botox in die Zornesfalte, ein bisschen Hyaluron in die Lippe helfen nach, aber wirklich nur minimalst. Auch wenn gerade in der Showbranche oft und gern zu Skalpell, Fillern, Goldfäden und sonstigen Schönheitshelfern gegriffen wird, ist sie davon überzeugt: „Man kann mit Styling, Haare, Makeup Veränderung schaffen, da muss man sich nicht operieren lassen.“

Im Gespräch fällt denn auch mehr als einmal der Satz, dass sie ihre Zunft und damit auch sich selbst als „Künstlerin“ versteht, für die es „keine Schubladen, keine Normen, keine Klischees, keine Grenzen“ gibt. Egal ob Celebrity oder Hausfrau – jede kann schön sein, lautet Krissi van der Vivens Credo. Und jeder Mann natürlich auch (wobei natürlich nicht jeder Vertreter des männlichen Geschlechts so umwerfend feminin aus ihrer Maske kommt wie Chris Tall).

Wer ihre Dienste bucht, wie gerade erst Anfang Januar ein paar Frauen in Hamburg für den Workshop im Wohnzimmer, für den hat die Rapperin Nura den perfekten Song geschrieben: „Ich hab’ Haare, Nägel, Make-up: alles on fleek/ Guck’ in den Spiegel und bin verliebt . . .“ Aber Vorsicht! Denn mit nichts kann man die professionelle Verschönerin Krissi van der Viven höher auf die Palme bringen als der Ansage, mach aus mir eine J. Lo oder eine Kim Kardashian.

„Ich weigere mich, diese ,Vorbilder‘ zu kopieren, die ja in echt ganz anders aussehen als durch den Filter auf Instagram“, sagt sie. Ihr Anspruch ist, „immer die optische Top-Version deiner selbst zu schaffen“, den eigenen Typus herauszuarbeiten. „Jeder Mensch muss trotz Schminke seine Persönlichkeit behalten.“ Speziell TV-Moderatorinnen und -Moderatoren, die zu ihrer Hauptkundschaft zählen, sollten sich zu Herzen nehmen: Nur wer bei sich bleibt und niemand anderem optisch nacheifert, wird zur Marke. „Wir von der Maske sind an dem Prozess beteiligt, diese Marke aufzubauen. Unser Gewerk“, findet die Make-up-Künstlerin, „ist da sehr wichtig.“

Ihren Einstieg in den Beruf hatte sie, als das Fernsehen gnädiger war zu seinen Gesichtern als heute und der dickere, gröbere Pinselstrich in der Maske noch kein Malheur. Aber dann eroberte superhochauflösendes Hightech die Wohnzimmer. Bei Full HD und 8K auf 85-Zoll-Bildschirmen ähneln Poren, Falten, Adern einer Mondkraterlandschaft – wenn man sie nicht weg zu schminken weiß wie die Feinarbeiterin Krissi van der Viven.

Früh übt sich, was ein Meister werden will – bei ihr trifft diese Redensart wie der Lidschatten aufs Auge zu. Im Kinderzimmer in Siegburg war kein Schminkpuppenkopf und keine Barbie vor ihrer Optimierungslust sicher. Der Vater, ein Ingenieur, der sie allein aufzog, hätte sie gerne in einem mathematischen Berufsumfeld gesehen. Doch er hielt sie nicht davon ab, als sie kurz vorm Abi die Schule für eine Frisörausbildung hinschmiss. Nach der Gesellinnenprüfung folgte die Stippvisite an einer Make-up-Schule, die sie bald abbrach. Ihr Talent und Knowhow setzte sie lieber on the job ein, zunächst in der Düsseldorfer Fashion-Szene, dann beim Kosmetikkonzern Mac. 21 war sie da und die jüngste Makeup-Trainerin in der Unternehmensgeschichte mit Zuständigkeit für Deutschland und die Schweiz.

Dass letztlich das Fernsehen ihr „Zuhause“, ihr „Wohnzimmer“ wurde, wie Krissi van der Viven es nennt, hängt mit der Gründung einer auch für DWDL.de nicht unwichtigen TV-Idee im Jahr 1998 zusammen.

Für das damals innovative, weil interaktive NBC GIGA ließ sie die mit viel Reiserei verbundene Festanstellung bei Mac sausen. Mal ein halbes Jahr Fernsehen ausprobieren, übergangsweise. So war der Plan. Es kamen die Musiker, die Schauspieler, die Gamer. Verrückte Jugendsenderwelt. Und genau richtig für die Visagistin, in deren Freundeskreis man schon früh erkannte: Die Krissi ist einfach dafür geboren.

Vor der Kamera, hinter der Kamera, egal, alles sprang bei NBC GIGA hin und her. Auch die Off-Air-Mitarbeiterin Krissi. So oft war sie auf dem Bildschirm zu sehen, dass sie bald den Ruf weghatte: „die kamerageile Sau aus der Maske“. Ein Fernsehgesicht wurde sie dennoch nicht. Wollte sie angeblich nie werden, beteuert sie. Klar, sie könne gut quatschen (stimmt!), aber trotzdem, nein, das wäre nichts für sie – mit einer Ausnahme.

Sollte es, wo gerade Retro-Fernsehen in ist, die „Vorher-Nachher-Show“, die Gundis Zámbó von 1996 an auf tm3 moderierte, wieder geben, könnte Krissi van der Viven sich vorstellen, vor die Kamera zu gehen. Aber nicht als Moderatorin, sondern als Dienstleisterin, die das Umstyling macht. Sie würde dann die Gelegenheit nutzen, um zu betonen, wie unheimlich wichtig die Arbeit von Haarstylisten und Makeup-Artisten ist: „Niemand könnte ohne uns vor die Kamera.“

Ob Moderatorinnen oder Moderatoren – das Gewerk Maske gebe ihnen eine Rüstung, in der sie gut aussehen und sich wohlfühlen. „Dadurch bekommen sie eine gewisse Größe“, findet Krissi van der Viven. Sie habe deshalb auch vollstes Verständnis dafür, wenn manche Moderationsstars sich nur von einer bestimmten Person „machen lassen“ wollen. „Zu wissen, ich sehe nachher gut aus und kann die Sendung super rocken – darum geht es. Und wir Maskenbildner sind der Angelpunkt.“

Das zu verstehen und entsprechend zu honorieren, fällt manchen in der Branche indes schwer. Produktionsleitern – meist sind es Männer – ist Krissi van der Viven zufolge selten klar, warum die Maske so viel Geld kostet. Ihr pudert ja nur ein bisschen, höre sie oft. „Sie vergessen, dass wir Künstler sind!“ Ihres eigenen Werts ist sie sich sehr wohl bewusst. Harte Honorarverhandlungen scheut sie nicht: „Ein echter Picasso ist ja auch nicht umsonst zu haben.“

Krissi van der Viven © Krissi van der Viven
Diverse Sender und Produktionsfirmen haben bei ihr schon mit einer Festanstellung angeklopft. Doch Krissi van der Viven lehnte immer ab. „Fest angestellt zu sein bedeutet, ich mache immer das Gleiche, immer die gleiche Sendung. Aber ich brauche die Abwechslung. Ich brauche die Freiheit zu entscheiden, was ich mache und mit wem ich es mache.“ Abgesehen davon könnte sie in einer Festanstellung TV-Gesichter wie Lola Weippert, die von Sender zu Sender wechseln, gar nicht mehr einzeln betreuen.

Leicht war das Freiberuflerdasein für sie anfangs aber nicht. Ihren Sohn, der inzwischen studiert, zog sie alleine groß. Wenn sie gefragt wird, wie hast du das geschafft, vor allem bei diesen verrückten familienunfreundlichen Arbeitszeiten, dann weiß sie keine Antwort. „Ich weiß nur, dass ich viele Tagesmütter bezahlt habe“, lacht sie. Die Corona-Lockdowns brachten sie, anders als viele andere TV-Freelancer, nicht in Existenznot. News und Shows wie „Let’s Dance“ wurden ja weiter produziert. Kollegen, die weniger Glück hatten, half sie durch die Corona-Zeit, indem sie Jobs abgab.

In jungen Jahren half Krissi van der Viven mal als Zusatz-Maske bei einem Film von Sönke Wortmann aus. Gleich am ersten Tag dachte sie, bitte, lass es schnell vorbeigehen. Nicht wegen der Kollegen. Die waren alle „total nett“. Es sei halt nicht ihr Arbeiten. „Ob Kino, Serie oder Comedy, du springst auf Charaktere, du veränderst mit Perücke auf lustig, verschlafen oder alt. Das ist nicht meins. Ich bin eine Beauty-Tante. Ich bin Glam und Glitter in einer Person.“

Eine ganz schöne Nummer

Und wo kann sie da aus den Vollen schöpfen? Genau, „Let’s Dance“.

Als die RTL-Show vor einigen Jahren von Berlin nach Köln umzog und man sie fragte, Krissi, kannst du dir vorstellen, unsere Chef-Maske zu werden, zögerte sie das erste Mal in ihrem Leben, wenn auch nicht lang, weil sie wusste: Diese Show, das ist eine ganz schön große Nummer. Nirgendwo sonst wird so viel Aufwand betrieben und ist die Herausforderung so groß.

Was so leicht aussieht, dieses lockere Haar, das auch nach anderthalb Minuten wilder Tanzerei noch immer aussieht wie frisch frisiert – „dahinter steckt wirklich harte Arbeit und Erfahrung“, sagt die Chefin des 17-köpfigen Teams Maske. Viele neue Kollegen sah sie schon nach dem ersten Tag bei „Let’s Dance“ tief deprimiert nach Hause gehen in dem Gefühl, ich kann überhaupt nichts. „Aber man wächst da rein so wie auch ich damals.“

Mit totaler Ahnungslosigkeit vom Tanzen ging Krissi van der Viven vor nunmehr 12 Jahren an die Sache ran, och, das könnte gut aussehen. Sie musste sich dann aber von den Tänzern sagen lassen, dass die Frisur nicht zum Tanz passt. Heute weiß sie: Der Tango braucht ein geschlossenes, enges Haar. Auch für den Wiener Walzer muss die Frisur hochgesteckt werden, damit die Halslinie zu erkennen ist – und Obernörgeljuryfritze Llambi natürlich was zu nörgeln hat.

Auch wenn die Looks im Groben von ihr stammen, lastet die Verantwortung „zum Glück“ nicht nur auf ihren Schultern. „Ohne mein Team wäre ich nichts. Wir haben uns über die Jahre zu einer besonderen Truppe geformt. Die Herausforderung hat uns gemeinsam wachsen lassen.“

Am meisten macht sie stolz, wenn ihr Kollegen sagen, ich guck „Let’s Dance“ so gern wegen der Frisuren, ich hole mir da Inspiration. Und vielleicht holt sich auch der eine und die andere bei ihr den ultimativen Tipp ab, wie man Extensions rüttelfest sichert.