Zu den ersten Lehren, die die ARD aus dem Skandal um die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger zog, gehört die Formulierung einheitlicher Compliance-Standards in der ARD. "In den Sendern der ARD gibt es bereits sehr engmaschige Kontrollen. Uns ist es aber wichtig, dass wir einen für alle verbindlichen, hohen Standard haben", erklärte WDR-Intendant Tom Buhrow, der noch bis Ende des Jahres als ARD-Vorsitzender fungiert. "So stellen wir sicher, dass regelwidriges Verhalten bereits in seinen Anfängen verhindert wird."

Beschlossen wurden die einheitlichen Standards in der vergangenen Woche auf der Sitzung der Intendantinnen und Intendanten in München, nachdem sie bereits im die Juristische Kommission der ARD damit beauftragt hatten zu prüfen, wie genau ein solcher einheitlicher Standard aussehen kann und was in den einzelnen Landesrundfunkanstalten getan werden muss, um diesen zu erfüllen (DWDL.de berichtete).

Nun gibt es zwar das Werk - doch Unmut regte sich trotzdem, weil der öffentlich-rechtliche Senderverbund seinen Leitfaden zunächst nicht öffentlich machen wollte. "Die Intendanten haben offenbar nicht verstanden, dass die Öffentlichkeit nach den bekannt gewordenen Verstößen einiger Spitzenkräfte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein berechtigtes Interesse daran hat, wie die Anstalten und ihre Repräsentanten künftig ihren Aufgaben gerecht werden wollen", kritisierte Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands, vor wenigen Tagen.

Aus dem Compliance-Leitfaden eine Geheimsache zu machen, nütze nur den Gegnern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, so Überall. Auf DWDL.de-Nachfrage erklärte eine WDR-Sprecherin daraufhin, man habe den Compliance-Leitfaden nicht veröffentlicht, "da es sich um ein internes Papier handelt, das die Grundlage für Compliance-Regelungen der Sender darstellt". Diese wiederum würden dann auch in Teilen öffentlich gemacht. Tatsächlich scheint die Kritik jedoch gefruchtet zu haben, denn einigen interessierten Medien, darunter DWDL.de, hat die ARD das Papier nun doch zugänglich gemacht - wegen des großen Interesses, wie es heißt.   

"Den Ruf der ARD schützen"

"Der Leitfaden formuliert ein Zielbild, in dem Mindeststandards festgelegt sind, über die die Sender natürlich noch hinausgehen können (und teils tun) und die zum Teil auch schon in einigen Häusern umgesetzt sind", stellte die Sprecherin klar. Auf insgesamt 15 Seiten geht es um Themen wie "Compliance-Kultur", Risiken, Organisation sowie Überwachung und Verbesserung.

Konkret findet sich in dem Leitfaden auch ein gemeinsames Zielverständnis für Compliance. "Wir wollen den Ruf der ARD einschließlich ihrer Tochtergesellschaften als gemeinwohlorientierte Institution schützen und schon den Anschein des Fehlverhaltens einzelner Mitarbeitenden vermeiden", heißt es etwa. Und: "Wir gehen verantwortungsbewusst, wirtschaftlich und sparsam mit Beitragsmitteln um." Diesen Eindruck konnte man angesichts der Negativ-Schlagzeilen um die RBB-Führung in diesem Jahr nicht zwangsläufig gewinnen.

Mit Blick auf die Standards heißt es, jedes Haus entwickle und implementiere Compliance-Programm-Maßnahmen aufbauend auf den Ergebnissen einer individuellen Compliance-Risikoanalyse. Diese umfasse Prävention, Aufdeckung von Fehlverhalten und die Reaktion hierauf. Zu Themen wie Zuwendungen, Geschenke, Nebentätigkeiten, Dienstreisen, Spesen oder der Trennung von Dienstlichem und Privatem soll jedes Haus über Regelwerke verfügen. Fehlverhalten werde zudem "fair, konsistent und transparent sanktioniert, unabhängig von der Hierarchiestufe". Wie genau die Sanktionen aussehen, lässt der Leitfaden allerdings offen.  

Für das Funktionieren des Compliance-Management-Systems (CMS) sei es "wesentlich, Meldewege für die Aufnahme von Hinweisen zu möglichen Compliance-Verstößen anzubieten", also sogenanntes "Whistleblowing", aber auch "klare Prozesse zur Bearbeitung von Hinweisen" festzulegen. Voraussetzung für die Effektivität sei letztlich, "dass die Compliance-Strukturen und Prozesse in geeigneter Weise überwacht werden", heißt es im abschließenden Kapitel des Leitfadens. So sollen die Intendantinnen und Intendanten beziehungsweise Geschäftsführungen über Lücken und Regelverstöße informiert werden, um im Rahmen ihrer Verantwortung gemeinsam mit den Geschäftsleitungsmitgliedern Gegenmaßnahmen zu ergreifen und Verbesserungen einzuleiten.

Als Vorteil sieht die ARD indes ihre Größe: Bei der Weiterentwicklung des CMS könne man auf die Erfahrungswerte von gleich neun Landesrundfunkanstalten und ihren angeschlossenen Töchtern zurückgreifen. "Dieses Potential nutzt die ARD", so die Aussage. Das freilich gilt es erst noch zu überprüfen.

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