Wenn man hört, wie laut große Privatsender-Gruppen derzeit unter zweistelligen Rückgängen der Werbebuchungen krächzen, dann kann man sich vorstellen, wie schwer die derzeitige Werbekrise einen Fernsehsender trifft, der es nur auf einen Marktanteil von 0,2 Prozent bringt – erst recht, wenn dieser nicht nur auf Konservenprogramm setzt, sondern Tag für Tag über viele Stunden hinweg live auf Sendung geht.

Die Rede ist von Bild TV, dem vor etwas mehr als einem Jahr mit großen Ambitionen gestarteten News-Kanal von Axel Springer. Von "exklusiven Nachrichten, die live zu Schlagzeilen werden" träumte Julian Reichelt vor dem Sendestart. Und tatsächlich gelang es Bild in Krisenzeiten Akzente zu setzen, allen voran durch Paul Ronzheimers beachtliche Berichterstattung aus Afghanistan und der Ukraine. Man mag sich kaum vorstellen, wie die Wahrnehmung des Senders gewesen wäre, hätte es einen wie Ronzheimer nicht gegeben. 

Gereicht hat es trotzdem nicht. Der Chefredakteur ist längst geschasst und auch vom "livehaftigen" Programm, das sich Reichelt einst erhoffte, wird schon in Kürze nicht mehr viel übrig bleiben, wie die jüngsten Ankündigungen des Berliner Medienhauses offenbaren. Sicher, ein paar Talk- und Sport-Formate werden bleiben. Zum großen Teil aber wird Bild TV fortan vor allem auf Dokumentationen setzen, die das Publikum schon heute bei Welt und dem Ableger N24 Doku – ja, der Sender hört auch fünf Jahre nach der Umbenennung von N24 noch immer auf diesen Namen – sehen können.

Paul Ronzheimer © Bild "Bild"-Vize Paul Ronzheimer prägte mit seiner Berichterstattung aus Afghanistan und der Ukraine das Programm.

Ob es auf Dauer also tatsächlich einen linearen Bild-Sender braucht, wird sich zeigen. Günstig ist der Sparflammen-Weiterbetrieb dadurch aber in jedem Fall. Perspektivisch könnten Free-TV-Fenster von Spielen, die beim geplanten Springer-Streamingdienst Dyn beheimatet sein werden, dem Sender im nächsten Jahr noch einmal neue Impulse geben. Dass Bild für vereinzelte Volleyball- oder Tischtennis-Übertragungen der passende Absender ist, gilt es jedoch erst noch zu beweisen.

Bleibt die Frage, was eigentlich inhaltlich schiefgelaufen ist, denn auch wenn die Marke Bild polarisiert, so könnte sie doch über so viel Strahlkraft verfügen, um mehr als nur 0,2 Prozent des TV-Publikums für sich zu begeistern. Womöglich liegt der Fehler in der Annahme, die gesamte Bandbreite, für die Bild steht, ins Fernsehen übertragen zu wollen. Kriegsberichterstattung, Sport, Ronzheimers "Handy-Alarm" und ein peinliches "VIP-Radar" lassen sich vielleicht gut auf einem News-Portal oder in der gedruckten Zeitung vereinen – für einen kleinen TV-Sender aber, der dem Publikum ein klares Versprechen geben muss, ist eine solche Bandbreite eher schädlich.

Womöglich hätte es also helfen können, Bild im Fernsehen klarer zu positionieren. Es muss ja nicht gleich ein deutsches Fox News sein, wie viele im Vorfeld befürchteten. Doch mit dem – teuren – Versuch, möglichst alle Bild-Farben abzudecken, war letztlich nicht nur das TV-Team um Claus Strunz überfordert, sondern auch das Publikum. Eine späte Erkenntnis, die nun rund 80 Menschen den Job kostet.

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