Bei der ARD gibt es aktuell ja bekanntlich etliche Krisenherde, einer davon betrifft das NDR-Landesfunkhaus Schleswig-Holstein in Kiel. Im Mittelpunkt der Vorwüfe stehen hier Chefredakteur Norbert Lorentzen und die damalige Politikchefin Julia Stein, denen die Verhinderung kritischer Berichterstattung vorgeworfen wurde, in einem internen Bericht des Redaktionsausschusses war vom Vorwurf eines "politischen Filters" die Rede - während im gleichen Bericht aber auch zu lesen ist, dass andere Teile der Redaktion diese Vorwürfe nicht nachvollziehen könne.

Der NDR hatte zuletzt sowohl eine interne als auch eine externe Untersuchung dieser Vorwürfe in Auftrag gegeben. Die intern mit der Aufarbeitung Betrauten, Carsten Löding (Redaktionsleiter NDR Info 21:45) und Thomas Berbner (Redaktionsleiter ARD-Zulieferung), die beide dem NDR angehören, aber nicht dem Landesfunkhaus Schleswig-Holstein, haben ihren Bericht nun vorgelegt. Demnach hätten sie keine Belege für einen grundsätzlichen "politischen Filter" oder für journalistisch unbegründete Eingriffe durch die Redaktionsleitung oder die grundsätzliche Verletzung journalistischer Prinzipien finden können - auch wenn sie die Entscheidungen im Einzelnen durchaus fragwürdig sehen.

"Es gab einzelne Entscheidungen, die auch wir im Nachhinein kritisch sehen. Aber selbst in der Redaktion hat eine große Mehrheit mit diesem Begriff ["politischer Filter", Anm. d. Red.] gar nichts anfangen können. Die Debatte dazu hat das Redaktionsklima im Landesfunkhaus schwer belastet." Dieses gestörte Redaktionsklima war offenbar aber auch schon vorher ein Problem. NDR-Intendant Joachim Knuth verwies bei der Vorstellung der Ergebnisse darauf, dass die Untersuchung zwar zeige, dass die erhobenen Vorwürfe "in Teilen haltlos" seien", aber auch, "dass wir dringend einen kulturellen Wandel in Führung und redaktionellem Miteinander brauchen, um Vertrauen zurückzugewinnen."

Konkret urteilten die beiden, dass die Absage des geplanten Interviews mit dem gerade entlassenen schleswig-holsteinischen Innenmnister die "falsche Einschätzung eines journalistischen Themas" gewesen sei - angesichts der häufigen Berichte über politische Skandale leiten sie daraus aber keinen "politischen Filter" ab. Bei der Recherche zu den "Verschickungskindern" und der Rolle des DRK urteilten sie: "Bei dieser Recherche gab es viele Defizite, aber die jetzt öffentlich erhobenen Vorwürfe gehen am Sachverhalt vorbe. Zwei verantwortliche Redakteure kamen zu einer unterschiedlichen Einschätzung der Recherchelage, die den Autoren nicht angemessen kommuniziert wurde. Hier ist eine Recherche schief gegangen, aber weder sollte das DRK geschützt werden noch sollte Recherchematerial weitergegeben werden", so Carsten Löding.

Ein genereller "Freispruch" von dem Vorwurf ist der Bericht aber schon deshalb nicht, weil die beiden dafür eine genauere, vertiefende Analyse der Berichterstattung der vergangenen Jahre notwendig halten, um einen so pauschalen Vorwürf zu bestätigen oder widerlegen zu können. Darauf weist auch Laura Pooth, Vorsitzende des Landesrundfunkrates Schleswig-Holstein hin: "Es ist ein wichtiger Schritt, dass erste Ergebnisse vorliegen. Die Mitglieder des Landesrundfunkrates werden sich den Bericht nun im Detail ansehen. Das Gremium nimmt allerdings mit Sorge zur Kenntnis, dass das Arbeitsklima in Teilen des Funkhauses stark gestört ist. Zwar konnten die beiden prüfenden Journalisten keine Belege für einen 'politischen Filter' finden, gleichzeitig stellten sie aber fest, dass der pauschale Vorwurf in einer genaueren Analyse der Berichterstattung der vergangenen Jahre vertiefend untersucht werden müsse. In diesem Zusammenhang kommt der anstehenden Untersuchung des Prüf- und Beratungsunternehmens Deloitte eine besondere Bedeutung zu. Gerade vor diesem Hintergrund halte ich einen Blick von außen und eine umfassende externe Analyse nach wie vor für sehr wichtig und geboten, um verloren gegangenen Vertrauen wiederherzustellen." 

Wie es beim NDR in Kiel nun weiter geht, ist noch unklar. Stein und Lorentzen ließen sich nach Aufkommen der Vorwürfe bis auf weiteres von ihren Aufgaben entbinden, Landesfunkhaus-Direktor Thormählen hat einen Monat unbezahlten Urlaub genommen. Zuletzt hatten knapp 100 Beschäftigte erklärt, sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der bisherigen Führung nicht mehr vorstellen zu können.

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