Retrospektiv betrachtet wirken historische Fernsehmomente manchmal kleiner als sie eigentlich sind. Dabei müsste, wenn sich die auf Qualitätsmehrteiler und Investigativformate fokussierte TV-Branche ehrlich mit sich selbst machen will, endgültig anerkannt werden, dass das 2012 ein solcher Moment war, als auf ProSieben zwei aus dem Spartenfernsehen geholte Bekloppte in ferne Länder reisten, um dort "Länderpunkte" damit zu erwerben, dass sie sich dort einen Bagel in die Stirn spritzen lassen oder auf einem Doppeldecker festschnallen, um in windigster Höhe schottischen Haggis zu verzehren.

"Joko gegen Klaas – Das Duell um die Welt" zog damals wie ein verunreinigendes Gewitter über die blitzblank geputzte Entertainment-Branche – und hat dieser vor Augen geführt, wie laut, drastisch, überdreht und waghalsig – kurz: wie besonders deutsche Samstagabend-Unterhaltung auch sein kann.

Vulkan-Ski und Piranha-Frühstück

Getragen vom Zusammenspiel der Mystik entfernter Destinationen und der gespielten Selbstüberschätzung beider Hauptprotagonisten entstanden so im Laufe der Jahre gleich mehrere absurd aufwändige Acht-Minuten-Meisterwerke, um die freilich jedes Mal mit zusätzlichen Studiospielen eine abendfüllende Show herumgedrechselt werden musste, die den ganzen Aufwand rechtfertigen konnte.

Gerade begehen die Beteiligten den 10. Geburtstag ihres gemeinsamen Schaffens und erinnern per Doppel-Best-of an die denkwürdigsten Momente vergangener Tage: In Ausgabe 1 etwa ans Bierdosenfloßrennen in der Karibik, den 124-Meter-Wasserfallsturz in Venezuela, die Las-Vegas-Hochzeit mit Frank Tonmann, die Abfahrt auf Skiern vom Ätna, die Michael-Jackson-Tanzeinlage mit hunderten Insassen eines philippinischen Knasts, wie sich Joko an riesigen Ballons hängend selbst vom Himmel geschlossen hat und Klaas in den Amazonas reiste, um dort in einem aus Fleischabfällen gefertigten Metallanzug von Piranhas abgefrühstückt zu werden.

Die allermeiste Zeit hatten die Herrschaften dabei vermutlich mehr Glück als Verstand, aber insbesondere die kunstvoll zusammenfantasierte Erzählung mit den laaangen beeindruckenden Kamerafahrten und der epischen Erzählweise machen "Duell um die Welt" bis zum heutigen Tag zu einer Besonderheit – und sind der Beweis dafür, wie großartig Fernsehen aussehen kann, wenn man sich richtig, richtig, richtig viel Mühe gibt.

Mutproben mit Promi-Stellvertreter:innen

Zur (bislang unausgesprochenen) Wahrheit gehört aber auch, dass die Show schon seit längerem nicht mehr ganz so gut in Form ist, wie man sich das vom Flagship-Format einer prominenten Berliner Fernsehkreativschmiede wünschen würde.

Das liegt nicht nur, aber auch daran, dass aus "Joko gegen Klaas" vor vier Jahren "Team Joko gegen Team Klaas" wurde: Seitdem schicken die Namensgeber der Sendung Promi-Stellvertreter:innen in neue Mutproben, um sich mit anschließenden Studiospielen – Luftballonobenhalten, Selbstohrfeigen zur Erreichung von Dezibelrekorden, Cocktailmixen mit meterlangen Greifarmen – den Sendung für Sendung neu vergebenen "Weltmeister"-Titel zu sichern.

Und so verständlich es auch sein mag, dass Winterscheidt und Heufer-Umlauf inzwischen lieber Urlaub mit der Familie in Italien machen wollen anstatt waghalsige Reisen in den Amazonas zu unternehmen, um dort pfeilbewaffneten Kannibal:innen in Baumwipfelhäusern beizubringen, wie man kniffelt: Ein bisschen ist das doch so, als hätte Thomas Gottschalk nach der Buntstiftsache bei "Wetten dass..?" damals angekündigt, das mit den Wetten künftig jemand anders machen zu lassen, um sich selbst auf seine Kernaufgaben zu konzentrieren: die Begrüßung des Böblinger Bürgermeisters und die Knieinspektion weiblicher Hollywood-Stars.

Zur Routine gewordenen Erzählweise

Keine Frage: Das "Duell um die Welt" hat auch mit Tim Mälzer, Thomas Hajo, Steven Gätjen, Palina Rojinski, Johannes B. Kerner, Clueso, Evil Jared, Jochen Schropp, Bill und Tim Kaulitz, Charlotte Roche, Paul Janke, Max Giesinger, H.P. Baxxter, Edin Hasanovic, Mario Basler, Ralf Möller, Janin Ullmann, Luke Mockridge, Wincent Weiß, Axel Stein, Torsten Legat, Vanessa Mai, Fabian Hambüchen, Stefanie Giesinger, Bosse, Jan Köppen, Micky Beisenherz, Nikeata Tompson, Mich Beck, Lucy Diakosvka, Knossi, Johannes Strate, Linda Zervakis, Tommi Schmitt, Marteria, Simon Gosejohann, Sophia Thomalla, Sido, Lena Meyer-Landruth und Riccardo Simonetti funktioniert, die allesamt angemessen konsterniert in die Kamera geguckt haben, als sie erfuhren, was sie bitteschön tun sollen, um das nachher im Fernsehen zu zeigen.

Dass sich der Reiz mittlerweile trotzdem erschöpft hat, liegt in erster Linie an der zur Routine gewordenen Erzählweise, die weiterhin Grundlage einer jeden "Duell"-Mutprobe ist – und sich inzwischen auswendig mitbeten lässt:

Alles beginnt ganz chillig, die angefragte Prominenz ist supermotiviert: "Als Klaas mich angerufen hat, hab ich sofort gedacht: Mach ich gerne, das ist 'ne Herausforderung!" Doch bald, nach der Ankunft am Ort des Geschehens, schwindet die Begeisterung: Das Opfer erhält einen Brief überreicht, in dem notdürftig angedeutet wird, welche Aufgabe es zu erledigen gilt, nicht selten von einem des Englischen eher mittelmächtigen sehr schrägen Typen, während der Ablauf aus dem Off parallel dazu nacherzählt und ausgeschmückt wird ("Dann bin ich in den Raum gegangen und hab 'ne Frau gesehen!").

Es folgt ein bisschen Promibeleidigung, manchmal muss eine affige Verkleidung für ein Quatsch-Intermezzo angezogen werden, jetzt sind wir ja schon mal hier. Das Produktions-Team ist selbst Teil der Inszenierung und lacht sich entweder schief oder wird zur eigenen Nichtbeisterung mit in die Angelegenheit hineingezogen.

Irgendwas kommt gleich noch

Als Bonus folgt gegebenenfalls eine unruhige Nacht an einem außergewöhnlichen Ort. Bis dann am nächsten Morgen alles superschnell geht: Der bzw. die Prominente realisiert, was gleich passieren soll ("Da wurde mir dann schnell klar: Irgendwas kommt noch"). Anschließend fahren die Kinoformatbalken runter, aus einem Moment des Überlegens wird einer der Überwindung, die Zeit für eine unverhältnismäßige Waghalsigkeit ist gekommen. Dann: Verzweiflung, Angst, Adrenalin, die Helmkamera läuft, dramatische Musik, Selbstzweifel und warum mach ich den Scheiß hier eigentlich – bis alles vorbei zu sein scheint, aber: Irgendwas kommt noch.

Erst wenn alle Schweinehunde überwunden sind, setzt die Erleichterung ein: geschafft – und überlebt!

Das hat eine ganze zeitlang sehr gut funktioniert, und für die fulminante Inszenierung war man als Zuschauer:in auch bereit, darüber hinwegzusehen, dass sich im Dienste der Unterhaltung vielleicht nicht immer alles ganz genau so zugetragen ist, wie im fertigen Film behauptet. (Auf eine beispielhafte Recherche von STRG+F reagierte man beim Sender vor einiger Zeit wortkarg-säuerlich und argumentierte sinngemäß damit, dass es ja doch irgendwie schade wäre, die deutsche Promi-Auswahl durch unnötige Risiken für Leib und Leben dauerhaft zu dezimieren.)

Dünn dazu gedichtete Rahmenhandlung

Aber derzeit scheint man im Hause Florida Entertainment mit den ganz sauber neu gefliesten Toiletten in erster Linie froh darüber zu sein, den "Duell"-Erfolg jedes Jahr um zwei, drei Ausgaben verlängern zu können, anstatt sich etwas Neues ausdenken zu müssen, das dann wieder viel Aufwand machen würde.

Wie das ganz sachte schief gehen kann, lässt sich gut am Beispiel der zuletzt gezeigten "Duell"-Ausgabe demonstrieren: In der hat sich Johannes Oerding in den USA in einen Ohrensessel unter einen – mal wieder – Heißluftballon hängen lassen, um dort dann gebeichtet zu kriegen, dass er per Strickleiter in den Korb darüber klettern soll; und, dort angekommen, noch ein paar Meter höher, weil es eine dünn dazu gedichtete Rahmenhandlung halt so vorsah. Den hübschen Bildern zum Trotz war das alles ungefähr so vorhersehbar wie die Sieger bei "Wer stiehlt mir die Show?".

Kevin Großkreutz sollte sich danach von einer Kettenreaktion aus acht Armbrüsten von einer geübten Show-Artistin in Las Vegas einen Apfel vom Kopf donnern lassen – und das ging alles so zack-zack, dass die Produktion noch ein notdürftig mit dem Team inszeniertes "Stillhaltetrainng" dazwischen schneiden musste, um es so aussehen zu lassen, als habe sich Großkreutz, der als Fußballer jetzt nicht unbedingt mit schauspielerischer Bestleistung glänzte, erstmal Bedenkzeit erbeten.

Die Fledermaushölle als Tourismusattraktion

Anschließend ließ sich Collien Ulmen-Fernandes von Joko in eine mexikanische Fledermaushöhle jagen, um dort eine seltene Pflanze aus dem Kot der sympathischen Tierchen einzusammeln – nachdem zuvor eine stundenlange beschwerliche Anreise durch den Dschungel in Kauf genommen werden musste. Ulmen-Fernandes war nicht zimperlich, presste sich durch die immer schmaler werdenden Spalten des rot ausgeleuchtete Steinschlunds ("Dann kam was, mit dem ich gar nicht gerechnet hatte") und brach später mit der Ankündigung, "nie wieder in so 'ne Höhle rein" zu gehen, erschöpft im Dschungel zusammen: "Ich weiß nicht, ob Joko weiß, wohin er uns da geschickt hat und was wir alles durchmachen mussten."

Ich würde mal tippen: ja. Schließlich sind die Calcehtok Caves in Yucatán, um die es sich gehandelt haben dürfte, eine der Empfehlungen für abenteuerlustige Urlauber:innen auf der Website der mexikanischen Tourismusförderung ("If you want to feel the adrenaline and add some action to your vacation plans, 'Grutas de Calcehtok' will be the right place to go").

Auf Expedia wird "eine Reihe von Untergrund-Aktivitäten für alle Erfahrungs-Level" empfohlen ("Squeeze through gaps that at first seem impossible and crawl on your hands and knees through muddy passageways"), und die allermeisten Besucher:innen, die schon da waren, äußern sich in ihren Bewertungen begeistert – die bisschen unbequeme Anreise sei dafür schon in Kauf nehmbar.

Wie eine Hüpfburg bei Stromausfall

"Es gibt ein kleines Problem bei der Geschichte", sagte Joko im "Duell" zwischendurch, meinte aber nicht die indianajonesmäßige Verkleidung von Tourismus-Destinationen als Höllenhöhlen, sondern bloß, dass da noch was kommt – weil Ulmen-Fernandes angeblich ohne Profi-Begleitung da reinsteigen sollte: "Ich hab die Guides nur bis zur Höhle bezahlt. Weil die natürlich viele mehr Geld haben wollten, um in diese Scheißhöhle zu gehen."

Nämlich, Momentchen – kurz nachschauen: ungefähr 250 Pesos (12,46 Euro), schreibt User Bondzio aus Bielefeld bei TripAdvisor, der sich "begeistert" über das dafür erhaltene ganztägige "Abenteuer" äußert. (Aber auch schon 2017, da muss man jetzt vielleicht ein bisschen Inflation draufrechnen.)

Und ich weiß nicht so recht, aber wenn es nicht mal mehr eine echte Recherche, sondern bloß ein bisschen laxes Herumgegoogle braucht, um die ganze Dramatik einer "Duell"-Mutprobe in sich zusammenfallen zu lassen wie eine Hüpfburg bei Stromausfall, wäre es vielleicht an der Zeit, dem Format mal ein Päuschen zu gönnen. Bevor irgendein Promi demnächst vor der Wildwasserbahn im Europapark Rust stehen und so tun muss als rafte er darin gleich seinem drohenden Ende entgegen.

Weltmeister-Uniform fürs Fernsehmuseum

Das "Duell um die Welt" hat dem deutschen Fernsehen zweifellos demonstriert, welche erzählerische Wucht gut gescriptete Unterhaltung entfalten kann. Aber jetzt ist's auch mal gut.

Zumal selbst die Hauptprotagonisten langsam durcheinander kommen. Bei einem der letzten Studiospiele vergaß Klaas kurzzeitig, nicht gerade in seiner anderen ProSieben-Erfolgsshow zu sein, wo er inzwischen mit Joko gegen den eigenen Sender agiert: "Ach so, wir spielen gegeneinander!"

Die weiße Weltmeister-Uniform muss ja nicht gleich in die Altkleidersammlung gestopft werden, im Fernsehmuseum wäre bestimmt auch ein Plätzchen für sie frei. Und in Florida, Berlin, hätte man wieder Kapazitäten, das nächste Entertainment-Gewitter auszutüfteln, bevor die Zahl der "Duell um die Welt"-Best-ofs irgendwann demnächst die Zahl der Original-Ausgaben übersteigt. In der letzten verabschiedete sich Moderatorin Jeannine Michaelsen, die zukünftig ja einfach im Wechsel mit Steven Gätjen durch "Joko und Klaas gegen ProSieben" führen könnte, mit den Worten: "Toll, dass Sie uns die Treue halten. Wir haben's aber auch verdient." Deshalb: Danke für das Spektakel! Aber sich ewig auf Früher auszuruhen ist echt noch nie gut gegangen.

Und damit: zurück nach Köln.

Die nächste Ausgabe von "10 Jahre Duell um die Welt – Joko und Klaas blicken zurück" läuft am Samstag um 20:15 Uhr bei ProSieben; die erste ist auf Joyn abrufbar.