Herr Braun, im vergangenen Jahr hat Disney die Anteile an Ihrem Sender verkauft. Dazu kommt der Umbau von RTL Deutschland. Sie sind seit einem Jahr CEO von Super RTL. Was hat sich aus Ihrer Sicht in dieser Zeit getan?

Eine Menge! Veränderungen spüren wir an vielen Stellen. Die Zusammenführung unter dem Dach von RTL Deutschland kommt gut voran. Wir haben ein Verständnis im Konzern dafür geschaffen, dass die sehr spezielle Kinderzielgruppe spezielle Kenntnisse voraussetzt. Zudem kümmern wir uns um die Weiterentwicklung unseres Kerngeschäfts und der Strategie. Unser Ziel ist klar. Wir bleiben Deutschlands erfolgreichste Kinderunterhaltungsmarke.

Wenn man sich aber die derzeitigen Reichweiten im Kinderfernsehen ansieht, erreichen die meisten Sendungen nicht mal mehr 100.000 Zuschauerinnen und Zuschauer. Macht Ihnen diese Entwicklung Sorgen?

Wir merken sehr deutlich, dass die Kinder heute mehr als nur Fernsehen nutzen. Die Pandemie hat dies verstärkt, weil plötzlich in vielen Haushalten die Geräteausstattung hochgefahren wurde. Beispielsweise Streamingdienste und soziale Medien spielen eine größere Rolle im Alltag der Kinder. Für solche Verschiebungen müssen wir gerüstet sein.

Sind Sie das denn auch?

Ja, sind wir. In unseren Planungen, die bis ins Jahr 2032 reichen, antizipieren wir zwar einen weiteren Rückgang in der TV-Nutzung. Wir sehen aber auch, dass das klassische Fernsehen noch immer ein sehr relevantes kommerzielles Geschäft bleibt. Gleichzeitig fühlen wir uns darin bestätigt, weiterhin in den Ausbau von Apps, Web, Games, Radiosendern und Live Events zu investieren. Auf unseren digitalen Plattformen zum Beispiel wachsen wir in diesem Jahr zweistellig und wissen, dass wir hier mittlerweile mehr als 25 Prozent Exklusivnutzer haben. Außerdem haben sich unsere Radio-Reichweiten vervielfacht. Wenn man das alles zusammenrechnet, dann gehe ich jede Wette ein, dass ein kumulierter Effekt nur minimal negativ sein wird und wir sehr gut dastehen.

Allerdings verlieren Sie im Fernsehen nicht nur Reichweite, sondern auch Marktanteile. Im August steht Super RTL bislang bei knapp über 15 Prozent in der Kinder-Zielgruppe.  

Natürlich war es das Ziel, auf Jahressicht wieder auf einen Marktanteil von über 20 Prozent zu kommen. Im Jahresschnitt stehen wir bei 17,5 Prozent. Und dafür gibt es nicht nur die eine Erklärung, sondern multiple Effekte. Als größter Kindersender im Markt trifft es uns prozentual grundsätzlich etwas stärker, wenn die junge Zielgruppe das TV-Universum verlässt. Zudem haben Inhalte mittlerweile eine andere Abnutzungsgeschwindigkeit. Bestimmte Formate sind schon nach kurzer Zeit weniger gefragt. Früher konnte man von einer Halbwertszeit von vier bis fünf Jahren ausgehen. Das hat sich gewandelt. Ein wesentlicher Grund dafür war die intensive Nutzung während der Pandemie. Außerdem sorgten viele Sportübertragungen für besondere Ausreißer.

Wie reagieren Sie auf diese Entwicklung?

Wir haben schnell reagiert und sehr viel verändert, haben kurzfristig neue Staffeln von Formaten hinzugekauft und umprogrammiert, etwa mit Doppel- oder Dreifachfolgen. In der Vergangenheit war viel Abwechslung unsere Stärke. Super RTL hat im Vergleich zum Wettbewerb die meisten Serien im Programm. Derzeit erforschen wir, ob diese Art von "Paketprogrammierung" das ist, was die Kinder am Medium TV reizt. 

Was bedeutet das inhaltlich?

Dass wir frisches Programm brauchen. Und es auch haben. Der Anteil an neuen Inhalten liegt ab diesem Herbst bei 50 Prozent. Das ist deutlich mehr als üblich. Wir zeigen u.a. neue Highlights wie "Star Trek: Prodigy", "Mecha Builders" von Sesame Workshop, dazu neue Staffeln von Top-Formaten wie "Paw Patrol", "Peppa Pig" sowie unserer Eigenproduktion "Woozle Goozle". Und natürlich kommt zu Weihnachten wieder "Weihnachtsmann & Co. KG". Deshalb erwarte ich einen starken Jahresendspurt, in der kommerziell wichtigsten Zeit.

 

"Wir prüfen neue Modelle der Content-Beschaffung."

 

Wenn der Content heute nicht mehr so lange hält wie früher, dann bedeutet das im Umkehrschluss, dass Sie deutlich mehr investieren müssen.

Genau das passiert gerade. Mit unserer Herbst-Offensive legen wir einen guten Grundstein für das nächste Jahr, in dem wir wieder von einem Marktanteil von über 20 Prozent ausgehen. Darüber hinaus prüfen wir neue Modelle der Content-Beschaffung. Bislang gehen wir auf die Märkte, schauen uns ausgearbeitete Konzepte und bereits produzierte Serien an und konkurrieren mit den Kolleginnen und Kollegen von Disney, Nick und Kika um die TV-Rechte. Inzwischen spielen aber auch weiterführende Rechte, wie zum Beispiel SVoD oder AVoD, eine verstärkte Rolle. Für uns heißt das, gemeinsam mit Animationsstudios schon früh in die Entwicklung von Inhalten einzusteigen. Das geht so weit, dass wir uns momentan sogar Serienentwicklungsrechte für Kinderbücher sichern. Damit schaffen wir nicht nur für unsere eigenen Plattformen neue Möglichkeiten, sondern – und das ist perspektivisch genauso wichtig – ebenfalls für den Kinderbereich bei RTL+, also dem Streamingangebot im eigenen Haus. Dieser Bereich soll unter unserer Verantwortung deutlich ausgebaut werden. Auch dadurch hat sich der Blick geweitet.

Welche Bedeutung hat denn die Plattform RTL+ für Super RTL?

Wenn man ein Produkt hat, das für die Gesamtbevölkerung von Interesse sein soll, dann kommt man an Kinderinhalten nicht vorbei. Sie sind die Brücke zur Familienunterhaltung. Deshalb hat RTL+ für uns eine sehr große Bedeutung. Aktuell entwickeln wir gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von RTL+ die Content-Strategie und Wege, wie wir das Toggo-Universum am besten einbeziehen.

Das ist nicht Ihre erste Zusammenarbeit unter dem gemeinsamen Dach von RTL Deutschland. Sie haben bereits „Geolino TV“ produziert. Wie zufrieden waren Sie damit?

Aus Quotensicht lief es in Ordnung. Inhaltlich finde ich das Format sehr gelungen. Es vermittelt einerseits auf unterhaltsame Weise Wissen, spiegelt andererseits aber auch das Interesse der Kinder an wichtigen Themen wie Diversität, Nachhaltigkeit und Klima wider. Für uns hat sich durch das Magazin eine neue Dimension eröffnet, die sich unter dem Begriff Haltung subsumieren lässt. Daran wollen wir als Super RTL anknüpfen und diesen Themen mehr Raum gewähren. 

Wie ist Super RTL abseits von Fernsehen und RTL+ aufgestellt?

Mit unserem Multiplattform-Ansatz bieten wir Kindern wie kein zweiter im Markt diverse Möglichkeiten, mit uns in Kontakt zu kommen. Wir wollen überall dort sein, wo die Kinder sind. Wir wissen beispielsweise, dass TikTok neben den von uns ebenfalls bespielten Plattformen wie YouTube, App- und Webangeboten eine immer höhere Relevanz bekommt. Aus diesem Grund haben wir unsere Content-Marketingstrategie aufgesetzt. Unter dem Namen „Toggo Mania“ teasern Influencer unsere Inhalte an, um die Kids in unsere Welt zu holen. Ein weiteres Beispiel ist die Toggo Tour, die aktuell sehr erfolgreich durch Deutschland zieht. Bislang haben wir schon mehr als 500.000 Besucherinnen und Besucher begrüßt. Der Andrang war zeitweise so groß, dass wir die Sicherheitskräfte für Walking Charakter wie "Paw Patrol" oder "Peppa Pig" verdoppeln mussten. 

 

"Wenn Kids an Entertainment denken, soll ihnen zuerst Toggo einfallen."

 

Welche Schlüsse ziehen Sie daraus?

Durch eine solche Präsenz bleiben wir mit der Zielgruppe in Kontakt, auch wenn sie nicht mehr jeden Tag den Sender schaut. Das ist ein Aspekt, den wir auch abseits der Toggo Tour stärker berücksichtigen müssen. Etwa im Merchandising-Geschäft, wo wir ein gutes Wachstum zum Vorjahr verzeichnen. Im Handel setzen wir ebenfalls auf mehr Sichtbarkeit. Indem wir bestehende Spiele mit dem Gütesiegel "Toggo Toys" versehen haben, konnten wir unsere Berührungspunkte mit der Marke erhöhen. Eine noch recht frische, aber tolle Erfahrung machen wir mit Toggo Radio. Erst vor zwei Jahren sind wir damit an den Start gegangen, haben im vergangenen Jahr bereits den Deutschen Radiopreis gewonnen und sind jetzt wieder nominiert.

Inzwischen sprechen Sie damit nicht mehr nur Kinder an. Welcher Gedanke steckt dahinter?

Wir haben uns zunächst um die Zielgruppe gekümmert, die wir aus dem Eff-Eff kennen. Da war schnell klar, dass wir die Kinder in ihrem Alltag vor und nach der Schule begleiten. Aber es stand die Frage im Raum, was wir in der Zwischenzeit machen. So ist die Idee zum Eltern-Vormittag entstanden, denn wenn das Radiogerät doch ohnehin noch auf der Frequenz eingestellt ist, dann sollen Eltern weiterhören können, ohne dass das Programm wie ein Fremdkörper wirkt. Das hilft uns gleichzeitig, Toggo Radio stärker ins Bewusstsein der Erwachsenen zu rücken und hat zuletzt zu einem starken Wachstum der Nutzung geführt. Allein im Juli hat Toggo Radio inklusive aller Webchannels bereits 4,1 Millionen Hörerinnen und Hörer erreicht. Den Erfolg wollen wir gerne ausbauen, etwa am Wochenende oder durch verstärkte Vor-Ort-Aktionen.

Da steckt also viel Musik drin?

(lacht) Absolut. Wir haben inzwischen Games produziert, bei denen die Kinder einstellen können, ob sie den Sound des Spiels oder Toggo Radio hören wollen. Perspektivisch wird vielleicht auch die Produktion von Hörspielen oder Podcasts eine Rolle spielen. Ganz sicher wird der Weg dahingehen, über unseren Content den USP von Toggo auszubauen. Wenn Kids an Entertainment denken, soll ihnen zuerst Toggo einfallen. Insofern steckt also wirklich viel Musik in der Summe der Erlebnisse, die wir der Zielgruppe bieten.

Herr Braun, vielen Dank für das Gespräch.