Es ist kein Zufall, dass die ersten Minuten von "Blocco 181" wie "West Side Story" auf Speed anmuten. Da wird im Rhythmus von Rap und Reggaeton ausgelassen getanzt und gefeiert, nachdem ein junges Gang-Mitglied seine Initiation in Form von Schlägen und Tritten bestanden hat. Nicht nur wegen der spanischen Dialoge atmet die Szene einen Vibe von Kolumbien oder Mexiko – bis die Latino-Party von einer rivalisierenden italienischen Bande aufgemischt wird.

Ort des Schlagabtausches ist die Mailänder Vorstadt, jener fiktive Block 181 im Süden der Millionenmetropole, wo die anonymen Plattenbauten voller Sozialwohnungen wie graue Betonfestungen wirken. In diesem Brennpunktviertel versucht der aus südamerikanischen Einwanderern bestehende Misa-Clan einen Fuß in die Tür des lukrativen Drogenhandels zu bekommen, der von der örtlichen Kokainmafia kontrolliert wird. Aber das ist bloß der Hintergrund für eine mitreißende Emanzipationsgeschichte auf romantischer wie auf krimineller Ebene.

"Ich bin genug für dich", lautet die schlagfertige Antwort der jungen Latina Bea (Laura Osma), als einer der Italiener auf der gecrashten Party nach dem Boss der Misa verlangt. Bea ist die kleine Schwester des eigentlichen Anführers Ricardo, der für längere Zeit im Gefängnis sitzt. Sie hält sich selbst für die Richtige, um die Misa mit kühlem Kopf zu führen – obwohl sie eine Frau ist und obwohl der impulsive Victor (Sergio Andrade) die Macht von Ricardo übernommen hat. Im selben Moment erlebt die furchtlose Bea freilich auch so etwas wie Liebe auf den ersten Blick – und auf der falschen Seite: Mahdi (Andrea Dodero), ein Junge nordafrikanischer Herkunft, der ebenfalls im Block wohnt, hat es ihr angetan. Er ist für seinen Onkel Rizzo (Alessio Praticò), den Anführer der Italiener, wie ein Sohn.

Damit ist die Love Story noch längst nicht schwierig genug. Denn auch zwischen Bea und Ludo (Alessandro Piavani), einem Partylöwen aus der bürgerlichen Mittelschicht, der wiederum mit Mahdi befreundet ist, entwickelt sich erst sexuelle Anziehung, dann Liebe. Von diesem Dreieck darf Beas Familie schon allein deshalb nichts erfahren, weil Beziehungen zum verfeindeten Clan als Todsünde gelten. Was Drogen angeht, ist auch Ludo kein unbeschriebenes Blatt: Er handelt nicht aus Not, sondern aus "Berufung" mit Koks, das die Mailänder Gesellschaft in rauen Mengen konsumiert. Als Folge einer Reihe von Ereignissen schließen Bea, Ludo und Mahdi einen Pakt: Gemeinsam wollen sie die kriminelle Ordnung um sich herum aufbrechen, ihren eigenen Claim im Drogengeschäft abstecken und dabei auch noch ihre Ménage à trois ausleben.

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Ciro Visco, der schon "Gomorrah" inszenierte und bei "Blocco 181" neben Giuseppe Capotondi ("Suburra", "Berlin Station") sowie dem vom Werbefilm kommenden Matteo Bonifazio Regie führt, gab zu Protokoll, dass er beim ersten Lesen des Drehbuchs kein eindeutiges Genre erkennen konnte. Das ist ebenso nachvollziehbar wie es die besondere Faszination der Serie ausmacht. Crime und Romanze stehen hier gleichberechtigt nebeneinander, ungefähr so, als ob Romeo und Julia – oder besser gesagt: zwei Romeos und Julia – das Heft selbst in die Hand nehmen, anstatt sich von der harten, unbarmherzigen Welt kaputt machen zu lassen. Die Dynamik der Dreiecksbeziehung, in der es nicht nur um Sex, sondern auch um Geborgenheit, Vertrauen und Komplizenschaft geht, funktioniert als treibende Kraft der Handlung. Osma, Dodero und Piavani sind frische, unverbrauchte Gesichter, denen man den Drang zur Revolte sowie die Suche nach Zuflucht in der Liebe abnimmt.

Auch wenn Hintergründe und Rahmenbedingungen realistisch miterzählt werden, kommt der kreative Kern des Achtteilers bewusst überhöht daher. Starke Hell-Dunkel-Kontraste, intensive, aufgeladene Farben und nicht zuletzt hyperrealistische Gewaltinszenierungen vermitteln das Gefühl einer Graphic Novel. Dazu passt der pulsierende Elektro-Soundtrack des italienischen Rap-Stars Salmo, der nicht nur als Creative Producer und musikalischer Supervisor mitwirkt, sondern auch vor der Kamera den Gefolgsmann eines Drogenbosses spielt.

Damit reiht sich "Blocco 181" auf ganz eigene Weise in den umfassenden Kanon von zeitgenössischen Mafia- und Unterwelt-Dramen ein, die Sky Italia unter seinem langjährigen Fiction-Chef Nils Hartmann – mittlerweile Sky-Studios-Boss für Italien und Deutschland – seit "Romanzo Criminale" realisiert hat. Erst Rom, dann Neapel mit "Gomorrah", nun Mailand: Das Gesamtwerk über 14 Jahre ist auch Spiegel einer im Wandel befindlichen Gesellschaft, die viele Träume verloren und damit den Nährboden für jene kriminelle Struktur geschaffen hat, die innere Leere mit Drogen auffüllt.

"Blocco 181", ab 11. August auf Sky Atlantic, Sky Q und Wow