Herr Paalzow, Pantaflix hat die Pandemie nicht nur überlebt, sondern sich zuletzt auch personell verstärkt. Wohin will das Unternehmen mit einer zuletzt ja bewegten Geschichte?

Wir sehen uns als gute Adresse für Talents, egal ob für Werbung, Podcast, Film oder Serie. In dieser Bandbreite - von 10 Sekunden bis mehrteilige Serie - waren wir unter anderem mit der Gründung der Agentur Creative Cosmos 15 die Ersten. Nehmen Sie Kida Khodr Ramadan, der mit CC15 gerade eine Kampagne für den Lieferdienst Yababa gedreht und für Pantaleon Films die Serie „Asbest“ für die ARD Mediathek im Auftrag der Degeto abgedreht hat. Einer dieser starken Köpfe in der Panta Family. Mit Matthias Schweighöfer produzieren wir für Kino, Streaming und Werbekampagnen wie die für XXXLutz. Und so können wir allen Talenten, die mit uns arbeiten wollen, alles umsetzen, was ihnen in den Sinn kommt - mal die Realisierung von Werbekampagnen oder den eigenen Podcast. Da geht es nicht um Exklusivität und Verpflichtungen, viel mehr um das Ermöglichen.

Vorbei die Zeiten als Tech-Company, als die Streamingplattform Pantaflix im Mittelpunkt stand?

Vor vier Jahren war das Unternehmen noch ein anderes. Es ist kein Geheimnis, dass sich Pantaflix verändert hat und weiter verändern wird. Wir haben früher sehr stark das Digitalgeschäft und die Ambitionen dort herausgestellt. Dass das nicht so funktioniert hat, wie es gedacht war, wurde oft genug geschrieben. Da haben wir uns 2018 viel Häme abgeholt. Wir hätten auch weg sein können, damals oder 2020 in der Pandemie, aber wir sind noch da und das mit mehr Spielfreude als je zuvor. Deswegen kann man an das Kapitel jetzt mal einen Haken dran machen.

Aber die entwickelte Plattform gehört, einigen Meldungen der vergangenen Wochen nach zu urteilen, weiter zu Ihrem Geschäft?

Tech bleibt auch weiter als Pantaflix Technologies ein Bestandteil von Pantaflix, denn wir haben eine technisch gut funktionierende Plattform, die für Kunden wie die „Süddeutsche Cinemathek“, „FAZ“ oder Filmfestivals eine attraktive White Label-Lösung ist. Und wir sind auch gerüstet dafür, wenn Digital Creator sich unabhängiger machen wollen von Social Networks und lieber eigene Strukturen nutzen wollen, weil die Monetarisierung lukrativer sein kann. Wir sind eben ein Content House für Talents über alle Medien hinweg, inklusive eigener Tech-Kompetenz.

Sie sprachen eben selbst die Probleme der Pandemie an….

In der Neuaufstellung der Firmengruppe hat uns die Pandemie mindestens ein Jahr geklaut und ein weiteres natürlich damit beschäftigt, alles wieder anzukurbeln. Wir haben jetzt auch bei den ersten Veranstaltungen mit persönlichen Begegnungen innerhalb der Panta Family gemerkt, dass diese Strategie sinnstiftend für alle ist. Und über allem steht die Absicht, gutes kommerzielles Entertainment zu liefern. Wir haben viele Ambitionen und großen Ehrgeiz, aber tragen auch mit Demut einige Erinnerungen an anstrengendere Jahre mit - um Ihnen damit Pantaflix im Jahr 2022 vielleicht mal so zu charakterisieren.

Pantaflix ist also in Zukunft allem voran ein Content House?

Absolut! Und das über alle Distributionswege hinweg. Wir wollen zum einen kommerziell erfolgreiches Kino machen, das ist nicht nur unsere Heritage, sondern auch Zukunft. Natürlich hat auch Arthouse-Kino seine Berechtigung, aber ich sehe uns nicht im Geschäft mit Geschichten, die dann am Ende auch mal in totaler Depression enden. Ich möchte besser gelaunt aus dem Kino herauskommen. Gleiches gilt für die Stimmungslage auf dem Sofa, wenn beispielsweise unsere Tochterfirma Pantaflix Studios eine Serie wie „Das Internat“ für Joyn produziert. Und dann gibt es die Aufträge wie „Army of Thieves“, die direkt für Streamingdienste entstehen.

 

"Hätten wir nochmal abbrechen müssen, wüsste ich ehrlich gesagt nicht, ob es uns als Firma heute geben würde"

 

Der Film von und mit Matthias Schweighöfer für Netflix. Hat das Projekt Pantaflix durch die Pandemie gebracht?

Es war ein sehr wichtiges Projekt. Das Jahr 2020 war für uns das schwierigste der Firmengeschichte. Die Pandemie und der erste Lockdown im März des Jahres hätte uns zeitlich nicht härter erwischen können, weil wir ein Projekt im Dreh hatten, ein Projekt eine Woche vor Drehstart war und eins in einem Monat hätte gedreht werden sollen. Alles war erstmal gestoppt. Noch kein Ausfallfonds in Sicht, keine Aussicht darauf, mit Hygiene-Konzepten wieder an den Set zu können. Erstmal stand die Welt still, wie für viele andere natürlich auch. Aber ich kenne einige andere Kolleginnen und Kollegen, die das kleine Glück hatten, entweder gerade fertig abgedreht zu haben oder erst im Herbst drehen wollten. Das war für uns eine Riesenherausforderung. Wir haben dann im Sommer 2020 auch ohne Ausfallfonds auf eigenes Risiko mit entsprechendem Hygiene-Konzept produziert und haben Glück gehabt. Hätten wir nochmal abbrechen müssen, wüsste ich ehrlich gesagt nicht, ob es uns als Firma heute geben würde. 

Das sind ungewöhnlich ehrliche Worte. 

Das waren Monate, in denen viel auf dem Spiel stand. Der Pitch zu „Army of Thieves“ bei Netflix hat im Rahmen der Berlinale 2020 stattgefunden - wie man das in Berlin so macht, natürlich im Borchardt. Matthias war Matthias, lief zur Höchstform auf und hat Netflix dafür begeistert. Das war kurz bevor dann alles still stand. Da schien das Vorhaben erstmal auf Eis zu liegen, aber Netflix drückte aufs Tempo und von Oktober bis 22. Dezember wurde dann in Prag gedreht - ohne maßgebliche Corona-Unterbrechungen. Und als der Dreh kurz vor Weihnachten fertig war, war das in meinem Jahr 2020 der Moment, zu dem ich möglicherweise Tränen in den Augen hatte, weil die Zuversicht zurück war. Und das nächste Mal kamen die Tränen dann, als der Film herauskam und so gut funktioniert hat.

Hintergrund zu Pantaflix

  • Ein Medienhaus mit bewegter Geschichte

    Die Pantaflix AG wurde 2009 als Pantaleon Entertainment GmbH von Dan Maag, Marco Beckmann und Matthias Schweighöfer gegründet und 2014 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. 2017 folgte die Umbenennung in Pantaflix AG, weil man neben der Produktion von Kinofilmen, Serien und Werbung den Fokus zwischenzeitlich auf die Etablierung eines eigenen international agierenden Streamingdienstes legte. Ein Abenteuer für das man im Jahr 2018 an der Börse abgestraft wurde. Inzwischen fokussiert sich Pantaflix unter der Führung der beiden Vorstände Nicolas Paalzow und Stephanie Schettler-Köhler weitgehend auf die Content-Produktion. Die bestehende Streaming-Plattform wird B2B als White-Label-Lösung vermarktet. Jüngste Tochterfirma der Pantaflix Group ist die Podcast-Produktionsfirma PantaSounds.

Woran manchen Sie den Erfolg fest? Netflix gibt ja kaum Zahlen heraus…

Eine Zahl wurde ja veröffentlicht: „Army of Thieves“ war kurz nach dem Start in 98 Ländern auf Platz 1 der Movie-Charts von Netflix. Wir haben darüber hinaus auch Insights bekommen, die Netflix und uns bestätigen: Das war ein großer Erfolg, auch für Matthias Schweighöfer persönlich, der über Nacht zum Beispiel in den USA bekannt wurde.

Ist das gut für Schweighöfer persönlich oder auch für Pantaflix?

Ich glaube, das ist tatsächlich eine Win-Win-Situation. Also rein spekulativ: Sollte es ein Sequal zum Prequel geben, dann würde Matthias wieder die Regie und die Pantaleon Films wieder die Produktion übernehmen. Aber wir sind übers Streaming hinaus auch sehr stolz auf unsere Kino-Heritage mit Namen wie eben Matthias Schweighöfer, Florian David Fitz, Frederick Lau. Man wird sich in der Branche allerdings eher häufiger als seltener die Frage stellen: Geht man selbst ins Risiko und bringt einen Stoff ins Kino oder wird es ein Original Movie für einen Streamingdienst? Das wird eine spannende Debatte.

Wie stehen Sie denn dazu?

Klar ist: Kino hat ein starkes Interesse an den großen Namen und über den Cast, gerade bei deutschen Produktionen, gewinnen viele Filme ihr Publikum. Das bringt uns mit der Pantaleon-Familie in eine ganz gute Ausgangsposition, wie jetzt bei „Die Geschichte der Menschheit - leicht gekürzt“, ein Kinofilm, den wir mit Warner Bros., Gerda Film und Brainpool gemacht haben. Das ist ja quasi „Sketch History - der Film“ - auch mit Erik Haffner als Regisseur und Chris Geletneky als Showrunner - nur opulenter und größer inszeniert als beim ZDF. Das ist sehr lustig geworden, prominent besetzt und kommt jetzt zu einer guten Zeit, weil ein Comic Relief gerade sicher gut tut.

 

"Das Kinogeschäft wird sicher anspruchsvoller"

 

Hilft oder schadet es dem deutschen Kino eigentlich, dass sich das deutsche Privatfernsehen weitgehend von der Filmproduktion verabschiedet hat?

Gute Frage. Also ganz ausgestiegen sind sie ja nicht. Wir arbeiten weiter zum Beispiel mit Seven.Pictures an Filmen. Und Seven.One Entertainment hatte in den vergangenen Jahren ein gutes Händchen bei den Kino-Koproduktionen, bei denen sie eingestiegen sind. Aber das sind weit weniger als man früher direkt fürs Fernsehen beauftragt hat. Die Fiktion-Strategie der beiden privaten Sendergruppen beobachten wir sehr genau. Wenn es an einer gewissen Frequenz fehlt, kann ich ein Genre wie TV-Movies auch nicht mehr etablieren und darf mich bei einzelnen Versuchen nicht wundern, dass Begeisterungsstürme ausbleiben. Glücklicherweise haben wir schon vor der Pandemie angefangen, auch Serien für Streamingdienste zu produzieren, „You are wanted“ für Prime Video und das mit dem Deutschen Fernsehpreis prämierte „Das letzte Wort“ für Netflix. Da waren wir übrigens super stolz drauf, aber vielleicht war diese Serie ein für Anke Engelke auch außergewöhnliches Projekt, weil es horizontaler erzählt war als vieles von der Comedy, für die Engelke von so vielen Menschen geliebt wird. Jedenfalls: Streaming und Kino - diese beiden Felder werden wir intensiv weiterverfolgen, wobei Kino als Geschäft sicher anspruchsvoller wird: Wofür gehen die Leute ins Kino? Welche Filme schauen Sie genauso gerne zuhause über Streamingdienste? 

Und dann ist die Frage, welche inhaltlichen Trends sind gefragt. Was ist Ihre Antwort?

Der Reiz des Realen ist gerade ja auch bei einigen tollen Serienprojekten zu spüren, wenn ich an „WeCrashed“ oder „The Dropout“ denke. Faszinierend, dass solche Blender im Silicon Valley immer wieder Erfolg haben. Also reale Geschichten, insbesondere über Betrug, funktionieren im Fiktionalen aber auch im Dokumentarischen, ein ohnehin derzeit sehr spannendes Feld. Das ist auch ein Grund, warum wir bei Pantaflix mit Panta Sounds eine Podcast-Unit aufbauen und uns zudem auch filmisch dem Dokumentarischen widmen wollen. Da sind wir nicht die Einzigen, aber wir wollen dabei die Stärke der gewachsenen Panta Family nutzen - also über alle Medienformen hinweg mit Kompetenz Inhalte produzieren. Deswegen haben wir uns gezielt verstärkt mit Tristan Lehmann bei Panta Sounds und Yoko Higuchi-Zitzmann bei Pantaleon Films - und jetzt noch einem profilierten Experten.

Um wen geht es?

Es geht um den erfahrenen Storyteller, Producer und Manager Andreas Weinek. Er ist bereits der dritte prominente Neuzugang mit profunder Expertise im Entertainment Business, der in diesem Jahr bei uns anheuert. Er war zuletzt als Berater tätig, davor 14 Jahre lang beim History Channel. und baut die neue Doku-Sparte bei Pantaflix auf. 

Während das noch im Aufbau ist: Welche Projekte stehen zeitnäher auf dem Plan?

Jetzt eben der Kinostart von „Die Geschichte der Menschheit - leicht gekürzt“. Ende des Jahres kommt dann noch „Oskars Kleid“ mit Florian David Fitz in die Lichtspielhäuser, auch das in Zusammenarbeit mit Warner Bros. Zudem wird „Asbest“ in der ARD-Mediathek zu sehen sein. Dann ist für uns die Zusammenarbeit mit Paramount im Kino neu. Da geht es zunächst mal um den Film „Trauzeugen“ mit Edin Hasanovic und Almila Bagriacik. Last but not least: Unser Großprojekt „Unwanted“ für Sky, u.a. mit Jessica Schwarz. Beide werden 2023 zu sehen sein. 

Herr Paalzow, herzlichen Dank für das Gespräch.