Mahlzeit, die Grillsaison im ZDF ist eröffnet! Den giftigen Aperitif tischte Jan Böhmermann auf, als er „Deutschlands woke Gemüsefaschisten“ mit Hilfe eines westfälischen Schweinezerhackers „endlich zurück auf den fleischigen Pfad der Tugend“ brachte. Den nicht weniger appetitlichen Hauptgang wird nun bald jener Langzeitvegetarier kredenzen, der es in vielerlei Hinsicht schön deftig mag (nur weniger auf dem eigenen Teller) und über den der letzte Epigone des deutschen Humors, Pierre M. Krause, einmal sagte: „Er ist erfolgreich, er kämpft für das Gute, und er sieht wahnsinnig gut aus.“

Good morning, Hannes Jaenicke!

Es ist früh um zehn bei ihm in L.A., als er sich meldet, um über seinen jüngsten Doku-Aufschlag im ZDF zu sprechen. Im, Verzeihung, recht ordinären Hausschwein fand er, der „Schauspieler, Dokumentarfilmer und Gelegenheitsautor“ (Selbstbeschreibung), wieder das passende symbolische Tier, um auf ein Umweltproblem aufmerksam zu machen. Ordinär ist es halt im Vergleich zu Nashorn, Hai & Co., denen er zuvor schon in der auf inzwischen 13 Teile angewachsenen Doku-Reihe „Im Einsatz für...“-Filme gewidmet hat.

Andererseits, pandemietechnisch war es sicher einfacher, die rosa Borstentiere in Österreich zu tätscheln und Richard David Precht zum tierphilosophischen Tête-à-Tête in einen deutschen Schlachthof zu bugsieren, als irgendeinem Wildtier irgendwo am anderen Ende der Welt nachzuspüren. Aber hey, die Bilder aus Brandenburg, ab 30. Mai in der ZDF-Mediathek zu sehen, stehen denen aus British Columbia oder Borneo in punkto production value in (fast) nichts nach. Die Message ist wie immer klar wie Kloßbrühe: Schweine sind keine Schnitzel auf vier Beinen, sondern so „unglaublich smarte, lernfähige, soziale, neugierige Viecher“, wie Schweineliebhaber Hannes Jaenicke schwärmt, als dass man sie in Massen halten, foltern und töten sollte.

Er selbst hält keins. Anders als seine Kollegen George Clooney und Julia Roberts. Dafür ist unser Star in Hollywood, der als NASA-Ingenieur in „Fallout“ US-Karriere machte, zu viel unterwegs. Wenn er sich nicht an Kaliforniens Küste aufhält, dreht er Stunts in Amsterdam für die ARD oder schmaucht in Utting am Ammersee Zigarre. Und zwischendrin bricht er eben zur Mission Weltrettung im Auftrag des ZDF auf. Ein bisschen viel Reiserei. Aber was sagte Hannes Jaenicke in einer Talkshow von besagtem Pierre M. Krause (die beiden mögen sich wirklich sehr): „Ich bin eben total inkonsequent in meinem ganzen grünen Öko-Gelaber.“

Hannes Jaenicke © WDR/Annika Fußwinkel
In einer Zeit, in der jeder und jede durch Gar-nicht-Autofahren, Frieren-für-den-Frieden und Veggie-Burger-Grillen sich zum superheldenhaften Retter von Natur und Klima aufschwingen kann, gehört Hannes Jaenicke dennoch zu den Konsequenteren. Er ist ein early mover and shaker.

Seine Stunde der Individual-Heroik schlug, als ihm am Regensburger Gymnasium der erste Bart spross und von der anderen Seite des Ozeans die Anti-Atom-Rufe friedensbewegter Aktivisten bis in die Oberpfalz herüberhallten. Die alsbald eingegangene Greenpeace-Mitgliedschaft toppte der rebel with a cause mit „Stoppt Strauß“-Protest und wenig später mit „Stopp, Fleisch“-Gelübde für sich selbst. Von seinem Vater, einem Naturwissenschaftler und Sozialdemokraten, hatte er das nicht.

Rainer Jaenicke glaubte fest daran, dass man wissenschaftlich alles lösen könne. Während er also Atomkraft zur Lösung unserer Energieprobleme befürwortete, hörte der Filius „No Nukes“ von Springsteen & Co. rauf und runter. Mutlangen, Wackersdorf, Gründung der Grünen – er sei ein typisches Siebzigerjahre-Kind, sagt Hannes Jaenicke heute. Es geht ihm nicht in den Kopf, „dass seitdem fast alles in die falsche Richtung läuft“.

Seit 1971, seit dem berühmten Bericht des Club of Rome, wüssten wir, dass wir aus fossilen Energieträgern aussteigen müssen. „Was haben wir gemacht? Wir sind zuerst den arabischen Regimes und später Putin so tief in den Dünndarm gekrochen, dass seine Kriegskasse immer noch prall gefüllt ist.“ Einmal in Rage, brät der Vegetarier mit Grünen-Parteibuch (seit 2008) nicht nur Schwarzgelb und der GroKo eins über („Energiewende komplett ausgebremst“), sondern „uns“ allen: „Wir haben uns in unserer Saturiertheit jahrelang um nichts mehr gekümmert, außer um unseren Wohlstand, dicke Autos, Fernreisen, Kreuzfahrten, Bundesliga. Die wichtigsten Baustellen haben wir beflissentlich ignoriert.“ In Bayern seien letztes Jahr ganze drei Windrotoren aufgestellt worden, gibt sich Jaenicke fassungslos, diese „Dummheit und Ignoranz“ treibe ihn an.

Und so vergeht kaum ein Tag, an dem er nicht auf Twitter für eine Petition trommelt, gegen Lindners Tankrabatt oder für ein Fischereiverbot auf Aal. Und wenn er nicht twittert oder dreht, kümmert sich der kinderlos Gebliebene um sein jüngstes Baby, die Pelorus Jack Foundation.

 

"Mit nichts schaffst du dir hier schneller Feinde als mit Umwelt-Engagement."
Hannes Jaenicke

 

Die „Frontschweine des Umweltschutzes“, die im Regenwald und auf den Ozeanen ihr Leben riskierten, um den Planeten vor der restlosen Plünderung zu schützen, will der Stiftungsgründer unterstützen. Mittelständler und eine Bank weiß er schon hinter sich. Sogar Erbschaften von „umweltinteressierten TV-Zuschauern“ (und sicher auch TV-Zuschauerinnen) erhielten sie. Die Stiftung mache „richtig Arbeit“, sagt Jaenicke, „aber hey, es beantwortet meine Sinnfrage.“

Das Maul weit aufreißen für die (manchmal nur vermeintlich) gute Sache, das kommt allerdings nicht immer gut an. Clowns, erklärt uns nicht die Welt, unterhaltet uns nur – so was fliegt Schauspielern hierzulande ja gern um die Ohren (nicht wahr, Jan Josef Liefers?). Eine „sehr deutsche Diskussion und langweilig“, erbost sich der US-Pass-Inhaber Hannes Jaenicke: „Wenn Leonardo di Caprio, George Clooney oder Angelina Jolie sich politisch engagieren, finden das in Deutschland alle toll. Wenn sich aber ein deutscher Schauspieler politisch äußert, gibt’s gleich eins auf die Mütze. Mit nichts schaffst du dir hier schneller Feinde als mit Umwelt-Engagement.“

Es folgt eine döpfnernde Suada, in der Jaenicke gegen die deutsche Presse austeilt (und das Gesagte in der Autorisierung tatsächlich so durchgehen lässt): Die meisten Zeitungen, die politisches Engagement seiner Zunft kritisierten, lese er „nur noch sporadisch“. Sie seien „oft tendenziös, von ihren Werbekunden gesteuert, schlecht recherchiert, gouvernantenmäßig“, sie unterschieden sich kaum noch voneinander, „keiner tut dem anderen weh, es gibt kaum wirklich kritische Stimmen“. Wenn er sich gezielt informieren wolle, müsse er auf angelsächsische Medien zurückgreifen. So habe er den „Guardian“ im Abo seit einem „Schlüsselerlebnis“: Während bei der Recherche für seine ZDF-Doku über Lachse die Online-Suche in deutschen Medien gerade mal „zwei halbwegs fundierte Beiträge“ hervorbrachte, waren es in seiner englischen Lieblingszeitung 60. Autsch!

Sein „steifer Mittelfinger“ kommt nicht so sehr überraschend. Was Medien und Branche über ihn denken und reden, scheint Hannes Jaenicke ähnlich egal zu sein wie Götz George. Mit ihm drehte der damals 22-jährige Max-Reinhardt-Seminar-Absolvent 1984 den Fahrstuhl-Thriller „Abwärts“, der seine Film- und Fernsehkarriere in Fahrt bringen sollte. In seinem Buch „Wer der Herde folgt, sieht nur Ärsche“ (2018), das er als „Lobhudelei auf Individualismus und quergebürstete Gehirnnutzung“ verstanden wissen will, bezeichnet Jaenicke George als „Held einer ganzen Generation“. Das werde man „nicht durch Mitlaufen, Anpassen Hinterherdackeln oder Speichellecken, sondern durch Querdenken, an etwas Glauben, sich treu bleiben“.

Moment, „Querdenken“, darf man das noch sagen?

Er habe Leute immer bewundert, „die outside the box denken, wie man auf Englisch sagt“, sagt Jaenicke. Aber „Impfgegner, Corona-Leugner und das ganze AfD-Reichsbürger-Gesocks“ hätten diesen Begriff „leider versaut“, was er „echt traurig“ finde. Er sei auch „ziemlich sprachlos“ gewesen, „mit welchem Blödsinn und Konspirations-Bullshit“ viele Kollegen aus der Musik- und Filmbranche um die Ecke kamen: „Aktionen wie #allesdichtmachen und Die Basis bestätigen das Vorurteil, Schauspieler seien dumm.“ Querdenken sei also eine Vokabel, die er „im Moment nicht in den Mund nehme. Aber irgendwann wird auch das wieder möglich sein“.

Ein weiteres Kapitel in seinem „Querdenker“-Buch ist einem gewissen Markus Strobel gewidmet. Dieser „ganz persönliche Held“ ist nicht nur Jaenickes Doku-Partner und Kameramann, „gebaut wie ein mittlerer oberbayerischer Baum“, der sich um nix scheißt, auch wenn die costa-ricanische Haiflossen-Mafia die Filmcrew verprügeln will, „egal, dös dreh ’mer jetzt“. Strobel betreibt mit Ehefrau Judith Adlhoch, der früheren Reisefachfrau bei Vox, die Tangofilms in München, die wiederum Jaenickes ZDF-„Einsätze“ produziert. Eva Pfirtner als Autorin und Rechercheurin macht die Filmfamilie komplett. Mit ihnen bereiste der Schauspieler die Welt mehrfach, so auch für „Voxtours Extrem“, bis er genug davon hatte, „dass uns ein Sender die brisanten Themen rausschneidet“.

Hannes Jaenicke © WDR/Annika Fußwinkel
Den allerersten „Einsatz“-Film über Orang Utans auf Borneo finanzierten sie aus eigener Tasche vor, in der festen Überzeugung, dass er ihnen aus den Händen gerissen würde. Dem war nicht so. Anderthalb Jahre tingelte der Branchenfremdling von Sender zu Sender. Das ZDF hatte schließlich den Mumm. Keine Gelegenheit ließ Hannes Jaenicke fortan verstreichen, um seinen Redakteurinnen und Chefs auf dem Mainzer Lerchenberg seine tiefe Dankbarkeit auszudrücken. Auch hier nicht. Und Action, Lobhudelei, die erste: „fantastische Redaktion“, „konstruktive Diskussionen“, „ich kann dem ZDF nur danken“. Dabei holperte der Start.

Auf Borneo hatten sie gefilmt, wie in einem Holzfäller-Puff ein rasiertes Orang-Utan-Weibchen als Prostituierte angeboten und schließlich konfisziert wurde. Keine schönen Bilder waren das, aber für Hannes Jaenicke „das Sinnbild dessen, was der Mensch mit der Natur anrichtet“. Die Redaktion sah die Bilder und sagte: „Hannes, seid ihr wahnsinnig, das muss raus!“ Er war empört: „Wie bitte, wollt ihr mich zensieren?“ Am Ende setzte er sich durch. Die Szene blieb als Totale drin. Was war der Effekt? Die Redaktion hatte Recht. Die Leute schalteten aus. Und genau das will Jaenicke nicht.

„Seit wir diese Filme machen, diskutieren wir darüber, wie wir die Leute am besten abholen“, erklärt er, „wie bewegen wir sie dazu, nachzudenken und vielleicht ihr Verhalten zu ändern?“ Er glaube nicht, dass das mit Schockbildern geht und begründet das mit seiner eigenen Seherfahrung.

Seit 45 Jahren sehe er Videos und Bilder von harpunierten Walen, die im blutroten Meer verenden. „Hat das Abschlachten von Walen deshalb aufgehört? Nein.“ PETA zeige seit Jahren Videos, in denen lebenden Nerzen der Pelz abgezogen wird. „Hat es was gebracht? Sind die Pelze vom Markt? Nein.“ Die Arbeit von PETA sei wichtig, betont Jaenicke, aber selbst er schalte mittlerweile oft aus. Nicht zuletzt seine Schwester, die auf einer Palliativ-Station arbeitet, bestärkte ihn, nicht auf den shock value zu setzen: Sie habe den ganzen Tag mit Tod und Leid zu tun. Wenn sie nach Hause komme, wolle sie sich nicht anschauen, wie Tiere gequält werden und wie die Umwelt untergeht.

In Sir Richard Attenborough, dem großen Dokumentarfilmer der BBC, hat Hannes Jaenicke ein Vorbild gefunden, weil dieser mittlerweile „ganz andere Film“ macht: „Er mischt seine unfassbar schönen Bilder mit Umweltaktivismus und immer lauteren Warnrufen.“ Von ihm versuche er zu lernen. „Ich will Leuten zeigen, wie pervers Kastenstand und Abferkelstationen sind, aber eben nicht so, dass sie den Reflex haben wegzuschauen. Das ist ein ganz schmaler Grat.“

Reinschauen kann man in Hannes Jaenickes „Schweinereien“ am 31. Mai in der ZDF-Primetime. Sein 14. Einsatz wird schon diskutiert. Wird wohl irgendwas mit Wasser zu tun haben. Bestimmt nix Verdauliches für den Grillteller. Aber garantiert nachhaltig und gut.

"Hannes Jaenicke: Im Einsatz für das Schwein" am Dienstag, den 31. Mai um 22:15 Uhr, ZDF