Es gibt nicht viele Filme aus Deutschland, die weltweit über 60 Millionen Mal abgerufen wurden. "Blood Red Sky", der meistgesehene nicht-englischsprachige Film seit Bestehen von Netflix, schaffte es in 57 Ländern auf Platz eins der Abrufe. Wer einen solchen Hit produziert, zumal in einem hierzulande selten bedienten Genre wie Horror-Thriller, sollte eigentlich damit rechnen, dass sein Telefon nicht mehr stillsteht.

In der Tat ist Benjamin Munz, der die Vampir-Flugzeugentführungs-Saga von Regisseur Peter Thorwarth als Producer umsetzte, seither ein international gefragter Mann. Deutsche TV-Sender haben sich freilich kaum bei ihm gemeldet – trotz des gern wiederholten Lippenbekenntnisses, traditionelle Genre-Lücken mit Blick auf jüngeres Publikum in den Mediatheken auffüllen zu wollen. So verwundert es nicht, dass fast alle Film- und Serienprojekte, die Munz mit seiner frisch gegründeten Berliner Produktionsfirma Fright Zone entwickelt, gegenwärtig bei Streaming-Plattformen liegen.

"Meine Idee von Fantasy, Mystery oder Horror ist nicht Nische, sondern Mainstream", sagt Munz im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Es geht hier nicht um das kleine Splatter-Movie, das man heimlich mit Freunden schaut, sondern um Filme und Serien, die breite Zielgruppen begeistern können." Genau diesem Zweck soll sich Fright Zone widmen, das der Neu-Unternehmer nach dem gleichnamigen Fantasiereich aus dem "Masters of the Universe"-Franchise benannt hat. Vor allem in der 80er-Jahre-Animationsserie "She-Ra: Princess of Power" kam die Fright Zone als expandierendes Industrie-Labyrinth und Rückzugsort der Bösen Horde vor. Munz möchte diesen Platz als Zeichen für den "kreativen Befreiungsschlag des Erzählens in Deutschland" sowie als "klares Bekenntnis zum modernen und diversen Erzählen und Produzieren" verstanden wissen.

Mit der Gründung folgt der langjährige Producer in Diensten von Rat Pack und Constantin Film nach eigenen Angaben seiner ewigen Leidenschaft: "Ich bin ein Geek durch und durch. Groß geworden bin ich im Comic-Buchladen in Ludwigsburg, wo ich als Schüler mein erstes Geld verdient habe. Als ich das erste Mal 'Star Wars' und 'Indiana Jones' sah, war ich eigentlich noch viel zu jung dafür", erinnert sich der 38-Jährige. Im Produktionsstudium an der Filmakademie habe er sich wegen seines Genre-Geschmacks noch als Außenseiter gefühlt – aber: "In der Zwischenzeit ist die einstige Nerd-Kultur zur Pop- und Leitkultur geworden – in Hollywood und weltweit."

Blood Red Sky © Netflix/Stanislav Honzik Vampir-Schocker meets Flugzeugentführungs-Thriller: Benjamin Munz hat "Blood Red Sky" produziert

Nach dem Vorbild amerikanischer Kreativschmieden soll Fright Zone als Partner für größere Produktionsfirmen, Studios, Sender und Streamer positioniert werden, um deutschsprachige Genreprojekte aus Action, Fantasy, Horror und Science Fiction zu entwickeln. Die Stoffe, die sich Munz bereits sichern konnte, lassen aufhorchen: Zusammen mit Bestseller-Autor Kai Meyer, dessen Bücher in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurden, arbeitet er an Verfilmungen von dessen Mystery-Romanreihe "Sieben Siegel" und dessen Horror-Graphic-Novel "Das Fleisch der Vielen". Mit der deutsch-amerikanischen Autorin und Regisseurin Seanne Winslow, Executive Producerin des Warner-Bros.-Blockbusters "The Lego Movie", ist das düstere, im Schwarzwald angesiedelte Fantasy-Drama "Ilona" in Arbeit.

Mit dem Ziel, gemeinsam eine Art deutsches "Fast & Furious" auf die Beine zu stellen, wandte sich Erik Barmack an Munz. Der langjährige Chef der nicht-englischsprachigen Serien bei Netflix hat sich 2019 in Los Angeles mit der Produktionsfirma Wild Sheep Content selbstständig gemacht. Dort ist sein Rezept ein ähnliches wie schon beim internationalen Ausbau der Streaming-Plattform: in vielen verschiedenen Ländern lokale Stoffe mit lokalen Koproduzenten hochzuziehen. Auf Fright Zone fiel seine Wahl für "The Chase", ein "High-Speed Film Franchise" von Creator Korbinian Hamberger ("Kitz", "Soko München"), in dem eine junge Frau während des Münchner Oktoberfests die Autosammlung eines Milliardärs stiehlt, um sich daraufhin im Kampf gegen dessen Schergen, die Polizei, andere Diebe und die albanische Mafia wiederzufinden.

 

"Die Deutschen haben bei den erfolgreichsten Genres der Welt lange Zeit nicht mitgespielt"
Benjamin Munz, Gründer & Geschäftsführer, Fright Zone

 

"Warum sollte es in Europa keine Filme wie 'The Fast and the Furious' geben?", fragte Barmack kürzlich rhetorisch im US-Branchenblatt "Variety". "In der Vergangenheit waren die hohen Kosten meist die Antwort. Aber die wahre Antwort ist diese Mentalität, dass große Popcorn-Filme nicht in Märkten wie Deutschland entstehen sollten." Zu den verfestigten Genre-Scheuklappen der deutschen Branche hat Munz so seine eigenen Gedanken, und man merkt ihm an, dass er lieber einmal mehr durchatmet, um nicht zu undiplomatisch zu klingen. "Die Deutschen haben bei den erfolgreichsten Genres der Welt lange Zeit nicht mitgespielt", sagt er schließlich. "Weil man kaum einen deutschen Kinofilm ohne TV-Senderpartner machen konnte, musste man sich deren Programmnachfrage unterordnen. Insofern haben die Streaming-Plattformen hierzulande für eine Öffnung des Markts und für riesiges Potenzial gesorgt."

Dass auch mal ein Film aus dem Hause Fright Zone im Kino landen könnte, will Munz nicht ausschließen – seine Priorität ist es jedoch nicht: "Ich liebe Movies als Erzählform, habe aber nie diesen unbedingten Drang fürs Kino verstanden. Ich weiß nicht, ob 'Blood Red Sky' im Kino so erfolgreich gewesen wäre. Eine gute Geschichte muss auf allen Screens funktionieren." Neben Fright Zone will Munz auch weiterhin projektweise als ausführender Produzent für andere Produktionsfirmen tätig sein. Voriges Jahr hat er für Constantin Television den noch nicht veröffentlichten Netflix-Horrorfilm "Old People" produziert; 2023 wird er eine große Serienproduktion für Leonine Studios und Wiedemann & Berg durchführen.