Knapp drei Jahre ist es her, dass Mediaset erstmals Anteile an ProSiebenSat.1 erwarb. Fast zehn Prozent waren es, die sich der italienische Medienkonzern des ebenso berühmten wie berüchtigten ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi damals sicherte. Seither haben die Italiener immer weiter aufgestockt - und bringen ihre Ziele inzwischen auch mit einem neuen Firmennamen zum Ausdruck: Media For Europe.

Mit dem Gedanken an eine länderübergreifende Medienallianz, wie sie dem Berlusconi-Konzern vorschwebt, kann man sich in Unterföhring nicht so recht anfreunden, was nachvollziehbar ist, wenn man sich die jüngere Geschichte des bayerischen TV-Konzerns vor Augen führt. Nach dem Einstieg der Private-Equity-Unternehmen Permia und KKR übernahm ProSiebenSat.1 die SBS Broadcasting Group und stieg damit zeitweise zum zweitgrößten Fernsehanbieter Europas auf. Inzwischen fokussiert sich das Unternehmen wieder auf den deutschsprachigen Markt und ist damit gut durch die Corona-Krise gekommen.

Rainner Beaujean © ProSiebenSat.1 / Florian Bachmeier Rainer Beaujean
Gerade erst hat ProSiebenSat.1-Chef Rainer Beaujean einen Rekord-Umsatz verkündet – gute Zahlen also, von denen auch MFE profitiert. Umso erstaunlicher, dass die italienischen Anteilseigner immer wieder zu verstehen geben, dass die von ProSiebenSat.1 eingeschlagene Strategie aus ihrer Sicht die falsche ist. "Es fällt uns nicht leicht zu verstehen, wie man in einem Konglomerat, bestehend aus Fernsehen, E-Commerce und Dating-Portalen, langfristig Wert schaffen kann", gab MFE-Finanzchef Marco Giordani gerade im "Handelsblatt" zu Protokoll.

Tatsächlich gleichen sich die beiden Konzerne nur auf den ersten Blick. Während Media For Europe als reiner TV-Konzern sehr abhängig von den volatilen Werbeerlösen ist, hat ProSiebenSat.1 neben dem TV-Geschäft eine Reihe weiterer Business-Säulen aufgebaut. Beteiligungen wie Verivox oder Flaconi profitieren nicht zuletzt von den großflächigen Werbezeiten im eigenen Programm. Zu Giordanis Aussagen will man sich bei ProSiebenSat.1 lieber nicht äußern. Doch nach DWDL.de-Informationen ist die Irritation durchaus groß, zumal bei MFE auch kein allzu großes Interesse daran zu bestehen scheint, sich die Strategie im persönlichen Gespräch näher erläutern zu lassen. Stattdessen ziehen es die italienischen Anteilseigner offensichtlich vor, in regelmäßigen Abständen öffentlich über ProSiebenSat.1 zu sprechen.

 

"Wir sind keine Aktivisten."
Marco Giordani, Finanzchef von Media For Europe

 

Rainer Beaujean gab sich in der Vergangenheit immer wieder betont lustlos, wenn er in Interviews oder bei Bilanz-Pressekonferenzen auf Media For Europe angesprochen wurde. "Für das, was wir machen, brauche ich Europa nicht", sagte der Vorstandssprecher einmal im "Spiegel". Wenige Wochen davor erklärte er, er könne "keinen Mehrwert" in einer möglichen Fusion mit Mediaset erkennen. "Weder im Programm noch im Produkt." Beaujeans Problem: So schnell wird ProSiebenSat.1 die Italiener nicht los. Zwar erklärte MFE-Finanzchef Giordani am Montag im "Handelsblatt", man plane aktuell keine Übernahmeofferte. Aber: "Was in einem Jahr ist, wird man dann sehen."

Was vor einer Woche war, kann man man dagegen sehr wohl sehen: Da teilte MFE mit, "direkt und indirekt die Schwelle von 25 Prozent der Stimmrechte an der ProSiebenSat.1 Media SE durch Zukäufe von Anteilen auf dem Markt überschritten zu haben". Der neuerliche Erwerb der Anteile erfolgte nur wenige Tage, nachdem der bayerische Landtag eine Verschärfung des Landesmediengesetzes verabschiedet hatte. Konkret geht es dabei um die "Novelle des Bayerischen Mediengesetzes zur langfristigen Sicherung der Unabhängigkeit und Vielfalt des privaten Rundfunks", die es der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) ermöglichen soll, Gesellschaftern eines Privatsenders eine Erhöhung ihrer Anteile über 25 Prozent zu untersagen, sollte damit eine Gefährdung der Informationsvielfalt einhergehen.

Es gilt als offenes Geheimnis, dass das Gesetz vor dem Hintergrund des wachsenden Einflusses des Berlusconi-Konzerns bei ProSiebenSat.1 verändert wurde. Praktisch aus Sicht der Politik: Sie greift nicht selbst ein, sondern überträgt die Verantwortung den Medienhütern. Bei ProSiebenSat.1 begrüßt man die Novelle. "Meinungsvielfalt und objektive Berichterstattung sind ein hohes Gut und ein wichtiger Pfeiler unserer Demokratie. Gerade in Zeiten wie diesen wird dies uns allen umso deutlicher vor Augen geführt", erklärt der Konzern auf DWDL.de-Anfrage. "Jede Maßnahme, die Meinungsvielfalt stärkt, ist insofern wichtig und gut."

Zwei Prüfverfahren laufen

Ähnlich äußert sich auch die Landeszentrale selbst. "Die BLM begrüßt, dass die Bayerische Staatsregierung damit die Informationsvielfalt stärken und die Einflussnahme Dritter auf das Programm und die redaktionelle Arbeit stärker begrenzen möchte. Wie wichtig das Prinzip der Staatsferne von Medien ist, wird aktuell im Ukraine-Krieg leider besonders deutlich", sagte eine BLM-Sprecherin gegenüber DWDL.de. 

Doch was genau bedeutet die zum 1. April in Kraft tretende Novelle eigentlich konkret für die Pläne von MFE? Welche Konsequenzen der Vorgang habe, werde derzeit geprüft, teilte die Landeszentrale gegenüber DWDL.de mit.  Droht eine Beeinträchtigung des sogenannten "Informationsgefüges", könne die BLM Maßnahmen ergreifen. "Zu möglichen Maßnahmen, die einzeln oder in Kombination angewandt werden können, zählen vor allem Vorkehrungen, die ein verbindliches Programmschema oder die Einrichtung eines Programmbeirats vorsehen können, aber auch Stimmrechtsbeschränkungen in Programmfragen oder die Begrenzung des maßgeblichen Einflusses einzelner Gesellschafter in den Organen des Anbieters", heißt es.

Ob und inwieweit eine Beeinträchtigung der Informationsvielfalt droht, wenn ein Gesellschafter maßgeblichen Einfluss erlangt, also mehr als 25 Prozent der Stimmrechte erwirbt, sei "nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden". Also auch im Falle von Media For Europa und ProSiebenSat.1. "Auch wenn der genaue Anteil noch nicht ganz festzustehen scheint, wird die Schwelle von 25 Prozent und damit die Grenze einer maßgeblichen Beteiligung überschritten", teilte eine BLM-Sprecherin gegenüber DWDL.de mit.

Ein bundesweites Prüfverfahren, an dem die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) und die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) beteiligt sind, ist angelaufen: Nach einer Beteiligungsveränderung durch die KEK sind auch die Zulassungsvoraussetzungen durch die ZAK erneut zu prüfen. "Beide Verfahren zusammen werden voraussichtlich wenige Monate dauern", schätzt die BLM. 

Marco Giordani betont derweil, an einer langfristigen Strategie bei ProSiebenSat.1 interessiert zu sein. "Wir sind keine Aktivisten", stellt der MFE-Finanzchef im "Handelsblatt" klar. "Wir spielen nicht gegen irgendjemanden." In Unterföhring dürfte man das etwas anders wahrnehmen.