"Es ist immer einfach, Sonntagsreden über mehr Diversity zu schwingen. Es ist aber etwas anderes, das dann auch messbar zu machen, um damit echte Sichtbarkeit für das Thema zu schaffen - und das ist entscheidend, man kann hier von Maria Furtwängler nur lernen“, sagt UFA-CEO Nico Hofmann und legt ein Jahr nach der Ankündigung die ersten Ergebnisse vor. Erklärtes Ziel der Selbstverpflichtung ist es, bis zum Ende des Jahres 2024 im Gesamtportfolio der UFA-Programme die Diversität der Gesellschaft abzubilden, wozu zur Orientierung u.a. der Zensus der Bundesregierung dient. Hofmann: „Die ersten Ergebnisse geben mir die Hoffnung, dass wir unser Ziel bis 2024 auch erreichen.“

Gemessen wurde für diesen ersten Report die On-Screen-Diversity von 45 Produktionen der UFA-Unternehmen im Jahr 2021 - egal ob fiktional oder non-fiktional - und das in vier Dimensionen: Gender, People of Color, LGBTIQ+ sowie Menschen mit Beeinträchtigung. Ausgezählt wurden dabei insgesamt 3205 Rollen bzw. Akteurinnen und Akteure - und die Ergebnisse sind interessant: Diversity fehlt insbesondere in der Abbildung von Menschen mit Beeinträchtigungen, die zwar 9,5 Prozent der deutschen Bevölkerung ausmachen, aber nur 1,6 Prozent der dargestellten Figuren bzw. Akteurinnen und Akteure in den Produktionen der UFA im Jahr 2021.

"Bei der UFA sitzen keine Kontrolleure, die bei jeder Produktion auf paritätisch genaue Ausgewogenheit achten."


Was aber lässt sich aus der Erkenntnis machen und wie nun die Ziele erreichen, die man sich gesteckt hat? „Was mich bei der Diskussion bewegt, auch bei einem Debattenbeitrag wie dem von Dominik Graf im vergangenen Jahr: Bei der UFA sitzen keine Kontrolleure, die bei jeder Produktion auf paritätisch genaue Ausgewogenheit achten und mutwillig Drehbücher umschreiben. Ich bin davon überzeugt, dass eine Selbstverpflichtung wie unsere bei allen im Haus das Bewusstsein weckt: Wir wollen etwas bewegen“, sagt Nico Hofmann im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.

UFA On Screen Diversity © UFA

In den zuletzt intensiver diskutierten Diversity-Dimensionen Gender bzw. People of Color hinken die UFA-Sendungen im Jahr 2021 zwar mit der Repräsentanz noch etwas hinter her, sind aber schon näher dran. 45,3 Prozent der gemessenen Rollen bzw. Akteurinnen und Akteure waren Frauen, während der Frauen-Anteil im Bundesdurchschnitt bei 50,7 Prozent liegt. Hier liegt aber - wie die MaLisa-Stiftung mit ihren Studien mehrfach bewiesen hat - der Teufel im Detail: Etwa in der Altersstruktur. People of Color, die laut einer MaLisa-Stiftung etwa auf einen Anteil von 10 Prozent der Bevölkerung in Deutschland kommen, sind laut erstem UFA-Report mit 7,6 Prozent der Rollen bzw. Akteurinnen und Akteure on screen präsent. 

Nicht nur die Hauptrollen sind von Bedeutung

Etwas größer ist die Diskrepanz wiederum bei der vierten Dimension, der LGBTQ+-Community - die laut verfügbaren Statistiken etwa elf Prozent der Bevölkerung in Deutschland ausmachen, aber nur 4,6 Prozent der Rollen bzw. Akteurinnen und Akteure ausmachen. Um das zu ändern, brauche es individuelle Betrachtungen der einzelnen Genres, sagt Hofmann: „Bei Readings von Drehbüchern kann man bei Rollen bzw. deren Besetzungen frühzeitig hinterfragen, wo eine Figur männlich oder weiblich sein muss. Welche Berufe man Figuren zuschreibt oder ob beim Casting selbstverständlich und nicht nur wenn es Gegenstand der Geschichte ist, People of Color oder Menschen mit Migrationshintergrund zu besetzen wären."

Doch nicht nur die fehlende Sichtbarkeit von Menschen mit Beeinträchtigungen ist ein wichtiges Ergebnis des ersten Reports. Auch die gemessene Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenrollen gibt interessante Auskünfte und wirft weitere Fragen auf, denn in allen vier betrachteten Dimensionen von Diversity ist diese in den Hauptrollen deutlich besser ausgeprägt als in den Nebenrollen, insbesondere bei LGBTIQ+. Ist das okay? Oder die Erkenntnis, dass in den Hauptrollen fürs Alibi divers besetzt wird, aber in der breiten Masse der Rollen bzw. Akteurinnen und Akteure sich nicht viel getan hat? Hofmann weist das im Gespräch mit DWDL entschieden zurück. 

UFA On Screen Diversity © UFA

„Es wäre doch viel schlimmer, wenn wir uns damit zufrieden geben würden, in den Nebenrollen Diversität zu erreichen“, sagt er, „aber die Hauptrollen weiterhin sehr normativ - weiß hetero deutsch und männlich - zu besetzen. Dann wären Besetzungen der Nebenrollen wirklich nur Alibi. Nein, über Hauptfiguren werden die relevanten Geschichten vorangetrieben und hier brauchen wir Sichtbarkeit. Aber natürlich ist das ein ganz konkretes Learning aus diesen ersten Ergebnissen: Nutzen wir doch auch die Nebenrollen, damit das abgebildete Leben einer Serie oder eines Films auch der Realität in Deutschland entspricht.“ 

Diversität müsse von den Auftraggebern getragen werden

Erfolg hat Diversität on screen nach Einschätzung von Hofmann nur dann, wenn sie selbstverständlich wird, nicht mehr selbst Thema ist: „Wenn eine Schauspielerin im Rollstuhl eine Physikerin oder ein Schauspieler mit indischem Migrationshintergrund der Geschäftsführer einer Bank ist, ohne dass dieser Umstand der Gegenstand der Geschichte ist. LGBTIQ+-Rollen waren über Jahrzehnte immer die tragischen Figuren, da sind wir auch dank einer Serie wie ‚All you need‘ weiter“, sagt Hofmann und führt als weiteres Positivbeispiel der vergangenen Monate die ARD-Produktion „Eldorado KaDeWe“ an. Beide Projekte würden zeigen, dass ein Mehr an Diversität auch von den Auftraggebern gewünscht werden muss.

„‚Eldorado KaDeWe‘ ist ein tolles Beispiel. Wenn der eine ‚Das Adlon‘ produziert hat und der andere ‚Charité‘, dann kann man sich ungefähr vorstellen, was Oliver Berben und mich an ‚KaDeWe‘ so gereizt hat. Dann kommt Julia von Heinz und stellt das Ganze auf den Kopf, interessiert sich für das Gesellschaftsbild der Zeit, die Rolle der Frau und die sexuelle Aufbruchstimmung jener Jahre. Das sind völlig andere Thematiken, so überzeugend dargeboten, dass Oliver Berben, die ARD und wir - alle zusammen - die ursprünglichen Gedanken einmal komplett auf den Kopf gestellt haben.“ Hofmann räumt ein: „Wir haben der ARD nach der ‚Tagesschau‘ extrem viele Zuschauer gekostet, meine Mutter zum Beispiel konnte mit der Serie nichts anfangen.“ Aber die Geschichte sei es wert gewesen sie zu erzählen „und über die Mediathek erreicht die Serie alle Ziele, die wir erreichen wollten.“

Die technische Möglichkeit thematisch in die Breite zu gehen und die enorme inhaltliche Bereitschaft der Auftraggeber seien damit zwei wichtige Rahmenbedingungen, die bei der positiven Entwicklung der Statistiken des UFA-Reports bis 2024 von außen helfen können. Keinen Zweifel lässt Hofmann aber daran, dass es die eigene UFA-interne Aufmerksamkeit für Repräsentanz ist, die von Bedeutung ist. „Dafür ein Bewusstsein zu entwickeln, ist der entscheidende Schritt“, so der CEO der UFA. "Es geht nicht darum, totale Kontrolle und überall in jedem Punkt Parität zu erreichen."