Als man im April vor zwei Jahren noch gar nicht wusste, wo das alles noch hinführt mit diesem Virus, trafen sich der Comedian Till Reiners und die Comedienne Ariana Baborie unter dem Label „ZDF Comedy“ im Internet, um sich den Lockdown, nun ja, schön zu saufen. Die beiden „Homies“ taten das selbstverständlich auf Abstand, in ihren jeweiligen Wohnungen, von wo aus sie sich mit „Korn-Caipirinha“ und „Death of a pink Nazi“ zuprosteten. Vor lauter „Day Drinking“ kam eines zu kurz, wie Reiners bedauerte: das Quatschen, woraufhin Baborie in verblüffend selbsterfüllender Prophezeiung konterte: „Corona ist nicht nur einmal im Jahr. Wir holen das nach mit dem Quatschen.“

Yo, sie sollte mit beidem Recht behalten.

Die Schnapsdrosseln von einst quatschen seit Februaranfang immer donnerstags im gemeinsamen Podcast „Endlich normale Leute“. Wieder handelt es sich quasi um eine Wohnzimmerproduktion (diesmal im Auftrag von Seven.One Audio). Allerdings besuchen sie sich diesmal abwechselnd in ihren Heimstudios, um die Sendungen von Angesicht zu Angesicht aufzuzeichnen (und sicher auch das eine und andere Getränk zu sich zu nehmen).

Noch bevor die erste Folge raus ging, gab’s ein großes Medien-Hallo (auch hier auf DWDL.de). Bei Baborie und Reiners handelt es sich schließlich um Top-Größen der Podcast-Szene. Die beiden im Doppelpack? Das kann doch nur gutgehen.

Ariana Baborie © Eyecandy Berlin
Während er, neben seinen zahlreichen TV-Engagements (demnächst auch als „Happy Hour“-Host auf 3sat), mit Moritz Neumeier für den öffentlich-rechtlichen rbb in „Talk ohne Gast“ erfolgreich podcastet und es auch parallel weiterhin tut, brachte es Baborie an der Seite von Laura Larsson mit „Herrengedeck“ aus eigener Kraft zu Podcast-Ruhm.

Was 2016 als Anarcho-Projekt zweier Berliner Radio-Gören von Kiss.FM begann, ging in der Hörergunst steil bis hin zum Deutschen Comedypreis vier Jahre später. 2019 gehörte die nach der Promille-Kombi Korn und Bier benannte Serie zum Hören sogar zu den Top Five weltweit, gleich nach den Herren-Talks „Gemischtes Hack“ und „Fest & Flauschig“. Spotify zog sie exklusiv auf die eigene Plattform. Bevor es dann im Sommer 2021 in die Verhandlungen für einen Anschlussvertrag mit dem Audio-Streamer ging, machte Baborie aber überraschend Schluss.

Aufhören, wenn’s am schönsten ist, bevor es weniger schön wird? Ja, so ungefähr klingt Ariana Babories Antwort, fragt man sie an diesem müde-trüben Vormittag nach ihren Beweggründen. Ein weiterer war: Egal, wo sie auftrat, sie wurde immer nur mit „Herrengedeck“ identifiziert. „Ich wollte aber mehr sein als nur dieser eine Podcast. Ich bin Ariana Baborie, Moderatorin und Comedienne.“

Man könnte jetzt noch hinzufügen: Die 1988 geborene Berlinerin ist ausgebildete Werbetexterin und nebenbei Winzerin („Chateau Baborie“) und Werbestar auf Instagram. Und sie hat eine spannende Biografie. Ihre Familie floh vor 40 Jahren aus Afghanistan. Die Tante, Shikiba Babori (ja, hinten ohne e), dreht für Arte, WDR und Deutsche Welle Reportagen in Afghanistan. Sie tat es jedenfalls bis zur Taliban-Eroberung im Vorjahr. Ariana Babories Onkel wiederum ist Inhaber und Geschäftsführer von Tolo TV, dem einst größten Privatsender im Land am Hindukusch. Was nach dem Fall von Kabul davon übrigblieb, organisiert er aus dem Exil zwischen London, New York und Dubai.

Sie spreche oft mit ihrem Onkel, sagt Ariana Baborie. Jahrzehnte werde das Land brauchen, um sich zu erholen, weiß sie von ihm. Wobei man von „Erholung“ nicht sprechen könne. Die Lage sei katastrophal. Niemand könne abschätzen, in welche Richtung sich das Land politisch entwickelt, welche anderen Länder der Welt sich dort noch einmischen und welche Bündnisse geknüpft werden. „Wenn ich es mit meinen laienhaften Worten zusammenfassen darf: Es sieht nicht gut aus.“

Schnell zurück zum lustigen Teil.

Warum ist es mit Till Reiners lustig? „Weil wir humortechnisch auf einer Wellenlänge sind“, lacht Ariana Baborie jetzt wieder. Trotzdem fing die berufliche Beziehung mit ihm nicht ganz so harmonisch an. Und die Geschichte geht so:

Was, ein aufstrebender Podcast von Frauen? Das Brunftgeschrei der männlichen Platzhirsche ließ nicht lang auf sich warten, als das Duo Baborie/Larsson im aufstrebenden Podcast-Biz loslegte. Auch das Duo Reiners/Neumeier disste „Herrengedeck“ als Plauderei über Schminke, Shoppen, Sex und Dating – ein Vorurteil, das ebenso wenig stimmte wie das Klischee, dass sich Männergespräche die ganze Zeit um Pissoirs, Bier und Technik drehen. Die Podcast-Damen dissten jedenfalls fröhlich zurück, köstlich! Beim Feindbesuch in Hamburg zur Aufzeichnung von „Talk ohne Gast“ wurde das Vergangene endgültig aus dem Weg geräumt. Seither sind Till Reiners und Ariana Baborie CBFFs, comedy best friends forever.

Endlich normale Leute © Seven.One Audio Gemeinsam mit Till Reiners macht Ariana Baborie den neuen Podcast "Endlich normale Leute"
Zum Happy End gehört: Platz 1 in den Spotify-Podcastcharts nach Folge zwei von „Endlich normale Leute“. Der kumulierten Follower-Power sei Dank. Ariana Baborie schiebt den Raketenstart aber auch ihrer Produktionsfirma zu, die „mit Rasseln, Trommeln und Trompeten“ auf den neuen Podcast aufmerksam gemacht und ihnen damit eine „sehr steile Rampe“ gebaut habe. Sie möchte nicht abstreiten, dass der Erfolgsdruck damit auch „recht groß“ ist. „Aber man darf sich da nicht verrückt machen lassen. Till und ich ziehen unser Ding einfach durch.“

Und was ist dieses „Ding“ eigentlich? „Observational Comedy“, wie es Till Reiners nannte?

„Man könnte da jetzt sehr lang herumschwafeln, um was es in unserem Projekt geht, und für den Pressetext haben wir das ja auch getan“, lacht Ariana Baborie. „Aber was soll ich sagen? Wenn man es herunterdampft: Es ist einfach ein Laber-Podcast.“ Ihr Podcast-Partner habe komplett recht: „Wir erzählen uns gegenseitig, was wir beobachten und was wir skurril oder unterhaltsam finden – in der Hoffnung, dass es auch andere Menschen unterhält.“

Statistiken, wer genau sich unterhalten fühlt von Dialogen über Begrüßungsrituale Post-Corona (Fist bump oder Griff zur „menschlichen Petri-Schale“ Hand?) und den korrekten Gebrauch einer Stoffserviette im gehobenen Lokal, liegen Ariana Baborie noch nicht vor. Was das Geschlechterverhältnis der Hörerschaft betrifft, dürften die Zahlen aber erfreulicher ausfallen als bei „Herrengedeck“, „weil Till wahrscheinlich eine männlichere Fanbase anzieht“, vermutet sie.

Ariana Baborie © Eyecandy Berlin
Laura Larsson und sie hätten ja immer darauf bestanden: Wir machen Comedy für alle Geschlechter und wollen in unserem Podcast niemanden ausschließen. Das dachten sie – bis ihnen das Ergebnis einer kleinen Feldstudie vorlag: „Zu 80 Prozent hörten uns demnach Frauen. Das hat uns, ehrlich gesagt, schon sehr frustriert, und es wird mich weiter frustrieren, solange sich daran nichts ändert.“

Und noch etwas muss sich aus ihrer Sicht schleunigst ändern, was jenseits des Podcast-Ozeans gerade mächtig Wellen schlägt.

Um Joe Rogan, den wahrscheinlich bestbezahlten und reichweitenstärksten Podcaster der Welt, gibt es aktuell eine Kontroverse wegen seiner, sagen wir, fragwürdigen Interviewgäste und fragwürdigen Einstellungen zum Themenkomplex Corona. Neil Young trieb sie an, weil er mit seiner Musik nicht mehr auf derselben Plattform, also Spotify, stattfinden wollte wie dieser Joe Rogan. Der Singer-Songwriter mit noch immer sehr viel Wut im Bauch rät Spotify-Beschäftigten sogar zur Kündigung.

Und was rät Ariana Baborie, die ehemalige Spotify-Exklusive-Podcasterin, deren neues Projekt „Endlich normale Leute“ ebenso auf diesem Streamingdienst vertrieben und empfohlen wird?

 

Die Zeiten, als jeder seine Inhalte auf Streaming-Plattformen wie im Darknet draufpacken konnte, sind vorbei. Dafür haben Spotify & Co. viel zu viel Reichweite und Macht und mittlerweile eher die Stellung eines Verlagshauses oder Senders.

Ariana Baborie fordert von Spotify, Verantwortung zu übernehmen

 

„Es gibt diesen einen Satz, den ich Joe Rogan auf einem Zettel gerne zuschieben möchte, auch wenn er ihn natürlich nie lesen wird: Mit großer Reichweite kommt große Verantwortung.“ Das gelte auch für Spotify. Wie Rogan politisch eingestellt sei und welche Leute er einlädt, sei seine Sache, findet Baborie. Die andere ist: „Die Zeiten, als jeder seine Inhalte auf Streaming-Plattformen wie im Darknet draufpacken konnte, sind vorbei. Dafür haben Spotify & Co. viel zu viel Reichweite und Macht und mittlerweile eher die Stellung eines Verlagshauses oder Senders. Da kann man nicht jede Person auf seiner Plattform lassen und das Ganze am Ende nicht einordnen und Stellung beziehen.“

Plattformen, fährt sie fort, müssten ihre Inhalte kuratieren und Verantwortung übernehmen. „Aber was macht Spotify im Fall Rogan? Sich rückwärts aus dem Raum stehlen hin zum Buffet.“ Dass sich der Streamer hierzulande bei Musik und Podcasts mit fraglichem Inhalt darauf zurückziehe, solange die Landesmedienanstalten und der Jugendschutz nicht einschreiten, ist alles okay – „das reicht mir nicht aus. Da erwarte ich, ehrlich gesagt, Aktivität seitens Spotify der Art: Wer dreimal das N-Wort benutzt, fliegt von unserer Plattform.“

Nichtsdestotrotz, die Partnerschaft mit Spotify zu „Herrengedeck“-Zeiten bereut Ariana Baborie nicht. „Die haben uns immer gut unterstützt.“ Es gebe tolle Programme über Diversity und die LGBTQ-Community, auch tolle Workshops für Anfänger, wie sie es einmal war, um im Podcast-Business Fuß zu fassen. „Dafür bekommt Spotify von mir ganz klar einen Daumen hoch.“ Nur beim Thema Verantwortung zeige er, wie gesagt, nach unten.

Joe Rogan soll übrigens einen 100-Millionen-Dollar-Deal mit Spotify abgeschlossen haben. Das sind Dimensionen, von denen die deutsche Podcast-Szene nur träumen kann, nicht wahr, Frau Baborie? Da muss sie wieder lachen: „Was sowohl Reichweite als auch den monetären Deal betrifft, bewegen Joe Rogan und ich uns nicht auf Augenhöhe.“ Und nein, auch bei Seven.One sei sie noch nicht auf diesem Level angekommen. „Aber ich arbeite hart dran.“

Schon unken Fans: Wer unter dem großen Dach von Seven.One einen Podcast betreibt, hat doch bestimmt bald eine eigene TV-Show?

Erfahrung bringt Ariana Baborie immerhin schon mit. Mit Oliver Pocher wechselte sie sich vor einigen Jahren als Gastgeberin von „Dinner Party“ auf Sat.1 ab, ohne ein einziges Mal mit ihm gemeinsam vor der Kamera zu stehen, weshalb sie Fragen der Art „na, wie isser so, der Pocher?“ gehörig nerven. Gelernt hat sie im Show-Biz auch das: Rede nie über Projekte, die nach monatelanger Beschäftigung dann doch platzen könnten. Also geht ihr dieser eine Allerweltsatz fluffig über die Zunge, auch wenn sie (und ihre Interviewpartnerin) ihn hasst: „Wir sind in Gesprächen.“ Aha. Konkreter? „Ich fühle mich bei Seven.One sehr gut aufgehoben und freue mich auf alles, was noch kommt.“

Okay, ein allerletzter Nachhakversuch: Wird man Sie eher in Till Reiners‘ „Happy Hour“ sehen als auf Pro Sieben? Und wieder hat man Ariana Baborie zum Lachen gebracht: „Und diesen Zettel möchte ich gerne den Kollegen von ProSieben mit einem großen Fragezeichen zuschieben.“

Ist hiermit raus.