Die Deutsche Welle hat ihre Präsenz in der arabischen Welt in den vergangenen Jahren erheblich ausgebaut, die Redaktion enorm verstärkt, die Reichweite deutlich gesteigert. Doch zugleich ist es ein Bereich, der in den letzten Jahren immer wieder in die negativen Schlagzeilen kam. Zuletzt wurde im November in Berichten von "SZ" und "Vice" offengelegt, dass sich mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in sozialen Netzwerken offen antisemitsch oder antiisraelisch geäußert hatten und dass auch manche Partnersender in der Region derartige Inhalte, die kaum mit den Werten der Deutschen Welle in Einklang zu bringen sind, verbreiteten.

Die DW-Führung beauftragte in der Folge Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sowie Beatrice und Ahmad Mansour mit der Prüfung dieser Vorwürfe - und immerhin: sie entlasten die DW insoweit als dass sie "keinen strukturellen Antisemitismus" in der arabischen Redaktion feststellen konnten, auch nicht, was die Berichterstattung angehe. Vielmehr handle es sich um "punktuelles Fehlverhalten" Einzelner.

Konkret ging es bei den Vorwürfen ja um fünf Personen, die die DW im November nach Bekanntwerden der Vorwürfe bereits suspendiert hatte. Diese Suspendierung sei in allen Fällen gerechtfertigt gewesen, es sei hier jeweils nicht um legitime Kritik an Israel, sondern um klaren Antisemitismus bis hin zu Holocaust-Leugnung oder Infragestellung des Existenzrechts Israels gegangen. Die Deutsche Welle hat in allen fünf Fällen entsprechend der Empfehlung im Untersuchungsbericht inzwischen auch die endgültige Trennung in die Wege geleitet.

Darüber hinaus habe man noch acht weitere Personen identifiziert, bei denen man auf teils klar antisemitische Aussagen gestoßen sei, teils handle es sich auch um Grenzfälle. In diesen acht Fällen sowie drei weiteren, auf die die DW durch eigene Recherchen gestoßen sei, will man die Betroffenen nun anhören und dann entscheiden, wie man weiter verfährt. Insgesamt handelt es sich damit nun also um 16 Verdachtsfälle - nur ein kleiner Teil bei einer rund 200 Mitarbeiter zählenden Redaktion - aber gleichwohl viel zu viele, nicht zuletzt wenn man bedenkt, dass es sich hier um einen steuerfinanzierten Sender handelt, der die Werte Deutschlands in die Welt transportieren soll.

Zumal Ahmad Mansour auch generell kein gutes Bild über die Zustände in der Arabisch-Redaktion zeichnet: Die Redaktion sei nach seinem Eindruck "zutiefst gespalten", es gebe Lagerbildungen, teils herrsche Angst, Kritik zu äußern, eine offene Diskussionskultur fehle. Nötig sei daher aus seiner Sicht ein echter Neuanfang - der zumindest personell nun auch kommen dürfte. Der Leiter der Redaktion habe in der vergangenen Woche seinen Posten zur Verfügung gestellt und die DW diesen Rücktritt auch angenommen, so DW-Intendant Peter Limbourg.

Ganz generell will man über die direkten personellen Konsequenzen hinaus bei der DW mit einem 10-Punkte-Maßnahmenplan reagieren. Punkt 1 sieht darin vor, überhaupt erstmal eine klare Antisemitismus-Definition festzulegen, die die Anerkennung des Existenzrechts Israels und die Ablehnung von Leugnung und Verharmlosung des Holocausts einschließt. Das klingt selbstverständlich, doch eine Klarstellung wo legitime Kritik an isrealischer Politik endet und wo Antisemitismus beginnt, scheint trotzdem geboten, insbesondere vor dem Hintergrund von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus aller Welt und dementsprechend mit unterschiedlichster Sozialisation und Ansichten.

Bei der Neueinstellung von Mitarbeitenden werde man künftig - auch das ist eine Empfehlung der Kommission - stärker die Werte der Anwärterinnen und Anwärter abfragen. Und diese dann auf einen geschärften "Code of Conduct" verpflichten, der klare "rote Linien" für Mitarbeitende benennt. Unter anderem wolle man auch den Bereich Compliance stärken und direkt beim Intendanten ansiedeln, in der Chefredaktion solle zudem ein "Kompetenzteam" einrichten, um im Programmangebot die Themenfelder Antisemitismus , Existenzrecht Israels und deutsche Verantwortung zu stärken. Dazu werde man auch das Studio Jerusalem personell aufstocken, um überhaupt mehr Berichte aus erster Hand über die Situation in Israel zu bekommen.

Und dann wäre da ja noch das Problem mit den Partnersendern, die die DW braucht, um in vielen Ländern überhaupt entsprechende Reichweite für ihre Inhalte zu bekommen. Doch Reichweite sei eben nicht alles, man muss bei Partnersendern wohl künftig noch deutlich genauer hinschauen. Die Kommission aus Leutheusser-Schnarrenberger und den Mansours hat das in der sehr kurzen Zeit, die ihr zur Verfügung stand, nur sehr stichprobenartig getan - hier muss die DW also selbst nochmal ran. Das Maßnahmenpaket sieht u.a. vor, dass bei Geschäftsbeziehungen die Werte der DW konkreter vermittelt werden sollen und Dialog-Formate mit Partnern in der MENA-Region etabliert werden, um überhaupt in einem dauerhaften Austausch zu bleiben. Und so zeigt sich nach Vorlage des Berichts: Die Hauptarbeit liegt noch vor der Deutschen Welle.

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