Und jetzt zu den guten Nachrichten: "Die Zahl weiblicher Vorstände in den börsennotierten Unternehmen in Deutschland ist auf einen neuen Höchststand gestiegen", meldete die Beratungsfirma EY zu Beginn des Monats. Von insgesamt 700 Vorstandsmitgliedern seien inzwischen immerhin 94 weiblich; das entspricht einem Anteil von 13,4 Prozent – der bislang beste Wert seit Beginn der Auswertung vor neun Jahren. Damit liegt Deutschland laut dpa zwar immer noch weit hinter den USA und anderen europäischen Ländern (Großbritannien und Schweden mit über 27 Prozent).

Aber das sind natürlich alles Werte, von denen Frauen in der deutschen Showunterhaltung nur träumen können (falls sich ihr Stammhirn beim nächtlichen Aussenden elektrischer Nervenimpulse überhaupt soviel Fantasie zutraut). Und zwar schon seit längerer Zeit.

"Frauen werden als Moderatorinnen für Samstagabendshows nicht wahrgenommen", brachte es Carolin Kebekus im Juni 2020 auf den Punkt, nachdem der damalige Programmdirektor des Ersten per Zeitungsinterview (sinngemäß) erklärt hatte, ihm falle keine Moderatorin ein, die es in der Unterhaltung mit der Souveränität von Kai Pflaume & Co. aufnehmen könnte. Das ist innerhalb des Senderverbunds, sagen wir mal: nicht überall so wahnsinnig gut angekommen. Und auch bei den Wettbewerbern ahnt man, dass das im Jahr 2022 irgendwie komisch aussieht. Deshalb wird äußerst zaghaft versucht, zumindest ein klitzekleines bisschen gegenzusteuern.

Gesondert erwähnungsbedürftig

"Das R in RTL steht ab heute für Revolution! Denn das, was Sie heute Abend sehen, haben Sie noch nicht so oft im deutschen Fernsehen gesehen: eine Quizsendung, moderiert von mir: Palina Rojinski – einer FRAU!" So begrüßte die 36-jährige am vergangenen Montag das Publikum zur ersten Ausgabe von "Gipfel der Quizgiganten", der vielleicht doch das ein oder andere Zusatz-Generalpröbchen gut getan hätte. Rojinski hatte Probleme, sich während der Show fürs Siezen oder Duzen zu entscheiden ("Johannes, Herr Kerner"), sprach die Zuschauerinnen und Zuschauer auf dem Sofa beim Blick in die Kamera in der dritten Person an ("Unser Publikum zuhause"), verpasste die Erklärung grundlegender Spielregeln, die dann per Einblendung nachgeliefert werden mussten ("Jetzt spielen die Quizmaster um die Höhe des Jackpots") und verzichtete wiederholt auf Erklärungen zu den Auflösungen der gestellen Fragen: "Antwort A ist richtig" – basta.

Das mag Im Zweifel auch ein Problem des Schnitts gewesen sein, um die gewünschte Sendelänge nicht zu reißen. Wie so eine als "Zierlicher Wasserschlauch" betitelte fleischfressende Pflanze oder die "Amerikanische Aufstellung" in Orchestern aussieht, müssten Sie sich daheim aber trotzdem bitte selbst ergoogeln.

Es ändert jedoch nichts daran, dass Rojinski recht hat: Moderatorinnen großer Unterhaltungsshows sind im deutschen Fernsehen irgendwie immer noch – gesondert erwähnungsbedürftig. Und für die allermeisten lautet die Antwort auf die Frage "Wer stiehlt mir die Show?": Bommes und Pflaume, Silbereisen und Kerner, Lanz und Gätjen, Opdenhövel und Hartwich usw.

Im Notfall Barbara Schöneberger

Das ist keineswegs gegen die männlichen Kollegen gerichtet, von denen viel ihre Jobs ja nicht schlecht machen – aber halt auch, weil sie sehr viel regelmäßiger Gelegenheit zum Üben bekommen. Woran das liegt, ist mir ein Rätsel. Dass Frauen genauso gut (und bei manchem Format vielleicht sogar: besser) geeignet sind, um durch große Abendunterhaltung zu führen, ist schon fernsehhistorisch ausführlich belegt. Schließlich wurden viele der beim Publikum begehrtesten TV-Shows hierzulande lange Zeit von Moderatorinnen wie Linda de Mol und Ulla Kock am Brink präsentiert. Davon hat sich das Fernsehen leider meilenweit entfernt.

Ja, im April übernimmt mit Barbara Schöneberger erstmals eine Frau die regelmäßige Präsentation einer lang laufenden (und bislang ausschließlich von Männern moderierten) ARD-Showreihe: den SWR-Klassiker "Verstehen Sie Spaß?". Aber das ist weder sonderlich mutig noch fortschrittlich, sondern einfach: eine ebenso naheliegende wie überfällige Entscheidung, um sich nicht wieder von Grund auf zu blamieren. Trotzdem lassen sich solche Gelegenheiten immer noch an einer Hand abzählen.

Aus unerfindlichen Gründen scheint es bei den Programmverantwortlichen weiter eine große Skepsis zu geben, Moderatorinnen öfter als bisher den Vorrang in der Unterhaltung zu lassen. Das gilt in besonders bedauerlicher Weise für die öffentlich-rechtlichen Sender, die für ihre Shows zuletzt fast ausschließlich auf Moderatoren gesetzt haben – bis das ZDF im vergangenen Sommer Sabine Heinrich für "Das große Deutschland-Quiz" holte (bevor sich anschließend Giovanni Zarrella die Sendeplätze von Carmen Nebel schnappte).

Alle neuen Shows: mit Männern

Die Zurückhaltung trifft aber genau so auf die Privaten zu, und dort auch auf Sender, die sonst zurecht als einigermaßen fortschrittszugewandt gelten. Einen Tag nach Rojinski bei RTL durfte Katrin Bauerfeind in der vergangenen Woche bei ProSieben als Moderatorin des Finalspiels von "Wer stiehlt Mark Forster die Show?" einspringen – für exakt 17 Minuten und 53 Sekunden. Und natürlich war es die naheliegendste Lösung, für die Formatauskoppelung "The Masked Dancer" aus Gewohnheitsgründen wieder auf den "Masked Singer"-Moderator Matthias Opdenhövel zu setzen (der das weiter großartig macht). Aber wär's nicht noch ein bisschen toller gewesen, ProSieben, wenn ihr stattdessen zum Beispiel Jeannine Michaelsen gefragt hättet, ob die dem Maskenspaß noch mal eine neue Note gibt – weil: gekonnt hätte sie das ja im Schlaf. (Zumal da noch eine Wiedergutmachung für die Blitzabsetzung der öden "Show mit dem Sortieren" vor über einem Jahr aussteht.)

Stattdessen werden alle in dieser Woche in Unterföhring neu angekündigten Entertainment-Formate ("Lucky Star", "Die Stapelshow") von Männern moderiert. Und es mag ja sogar nachvollziehbar sein, wenn Sat.1, um sich mehr Starkompetenz zu gönnen, wie es Senderchef Daniel Rosemann angedeutet hat, mit Jörg Pilawa einen neuen Quizonkel von der Konkurrenz schießt; gleichwohl zementiert dieser Wechsel aber den Status Quo in einem Genre, das durchaus die ein oder andere Innovation vertragen könnte. Dass Melissa Khalaj für Sat.1 im Laufe des Jahres durch die neue Gesangsshow "All Together Now" führen wird, ist immerhin ein kleiner Lichtblick. Aber halt auch der Tatsache geschuldet, dass der zuerst dafür eingeplante Luke Mockridge kurzfristig ersetzt werden musste.

Betreuung älterer Herrschaften

Es scheint so, als würden Frauen in deutschen Show-Produktionen vorrangig dann gebraucht, wenn es aus Sicht der Sender kein teuer eingekauftes Formatrecht kaputt zu machen gibt – oder (ähnlich wie im realen Leben) als Betreuung älterer Herrschaften, die sich alleine sonst nicht mehr auf der Bühne zurecht fänden.

Vergangenes Jahr durfte Katrin Bauerfeind überraschend bei RTL den Wettstreit zwischen Mario Barth und Jürgen Vogel bei "Du musst dich entscheiden" abmühen – bevor das Format mit ihrer Showkarriere nach zwei von vier geplanten Ausgaben wieder in der Versenkung verschwand. (Allerdings muss man RTL zu Gute halten, dass man sich dort regelmäßig anstrengt, Moderatorinnen wie Bauerfeind und Rojinski mehr Show-Präsenz zu geben.) Im ProSieben-Neustart "Surprise!", dem (wenig überraschend) kein allzu großer Erfolg vergönnt war, erledigte Vivienne Geppert als "Co-Moderatorin" zwar den größten Teil der Arbeit; die Sendung hieß aber trotzdem "Die Bruce-Darnell-Show", obwohl ihr Namensgeber streckenweise sichtlich orientierungslos vor der Videoleinwand stand und darauf wartete, dass Geppert das Ding mit den Gästen schon irgendwie schaukelt. Und als das ZDF im November "Wetten dass..?" neu auflegte, konnte sich Thomas Gottschalk nachher in der Sympathie eines Retro-versessenen Publikums sonnen; die Zügel aber hatte einmal mehr Michelle Hunziker in der Hand, weil sie den Ablauf der Show auswendig kannte, die Wetten verstanden hatte und schneller bei Freunden und Familie der Wettkandidatinnen und Wettkandidaten im Saalpublikum saß als Gottschalk "Servus" sagen konnte.

Das ist – nicht fair.

Ausgleichende Moderationsgerechtigkeit

Die Frage ist, wie es sich ändern lässt. Naheliegenderweise: mit einer Quote? Schließlich kennen sich die Sender mit wenig anderem so gut aus wie mit in Zahlen umgerechneter Publikumsaufmerksamkeit. Aber das wäre in einer Branche, die eigentlich von Kreativität lebt, auch schrecklich einfallslos – und mal ehrlich: Wenn bei der "Ultimativen Chartshow" demnächst statt Oliver Geißen Ruth Moschner ran müsste, hätte weder sie, noch das Publikum viel gewonnen.

Also verpacken wir die überfällige Innovationsleistung doch einfach in etwas, das dem Medium bestmöglich entgegenkommt: "Die NEUE Show mit dem Sortieren"! Jeweils zum Saisonstart setzen sich die Chefinnen und Chefs der größten TV-Sender in ein Studio, um Wissensfragen zum Programm der Konkurrenz zu beantworten – mit dem Einsatz, für jeden Köppen, jeden Lanz und jeden Gätjen ausgleichend einer Engelke, zur ausgleichenden Moderationsgerechtigkeit einer Kebekus oder einer Ullmann ein relevantes, modernes Show-Format anzuvertrauen, das nicht aus der Restekiste gefischt wurde, weil die Herren es übrig gelassen haben. Oliver Pocher kann meinetwegen zwischendrin das Wasser reinbringen, Günther Jauch die zu komplizierten Regeln des Finalspiels erklären und Eckart von Hirschh… – ach nee, Hirschhausen hat dann einfach mal frei.

Das wäre in jedem Fall ein Riesen-"Surprise!" und junge Mädchen dürften (endlich wieder) im festen Glauben aufwachsen, nicht nur Bundeskanzlerin werden zu können, wenn sie mal groß sind – sondern sogar Unterhaltungsshowmoderatorin.

Frauen "moderieren euch eure Samstagabendsoße sowas von weg!", hat Carolin Kebekus die Programmverantwortlichen vor anderthalb Jahren halb ironisch, halb verzweifelt ermahnt. Es wird höchste Zeit, dass im Jahr 2022 endlich die eine oder der andere das Echo dieses Versprechens zur Kenntnis nimmt.

Und: damit zurück nach Köln.

Die zweite Ausgabe von "Gipfel der Quizgiganten" mit Palina Rojinski läuft an diesem Montag um 20.15 Uhr bei RTL.