Vor wenigen Tagen hat die Darts-WM begonnen, bis Anfang Januar wird es also wieder zahlreiche Geschichten aus dem Londoner Ally Pally geben. Teile der Szene sind aber schon seit einiger Zeit aus einem anderen Grund hochgradig erregt - und dabei geht es nicht um den Sport, sondern um dessen Fiktionalisierung. Sky hat Anfang des Monats die Comedy-Serie "Die Wespe" veröffentlicht, in der der abgehalfterte Darts-Profi Eddie "Die Wespe" Frotzke zurück an die Weltspitze will. Doch schon bei der Veröffentlichung von Trailern kamen in den sozialen Netzwerken negative Kommentare auf - zum Teil auch sehr derbe, die unter die Gürtellinie gingen. Das hat sich seit der Veröffentlichung der sechs Folgen nicht geändert. 

Der zentrale Vorwurf einiger Menschen, die vor allem bei Twitter und Youtube posten, lautet: Sky und die Produktionsfirma Gaumont sollen abgekupfert haben, und zwar bei dem Film "Heikos Welt". Auch dort geht es im Kern um das Thema Darts, ein sympathischer Loser will hier Geld für seine Mutter zusammenkratzen, um ihr eine Augen-Operation zu ermöglichen. 

DWDL.de hatte die Möglichkeit, neben der Sky-Serie auch den Film zu sehen, um sich so ein eigenes Bild von den Vorwürfen zu machen. Die Grundstory der beiden Produktionen jedenfalls ist völlig unterschiedlich: Hier der in die Jahre gekommene Ex-Profi, der einige Täler überwinden muss, damit er möglicherweise zurück in die Erfolgsspur findet. Dort der Amateurspieler, der durch ein Turnier auf einen Geldgewinn hofft, um seiner Mutter zu helfen. 

Es gibt einige Ähnlichkeiten

Doch tatsächlich gibt es in einigen Details auch Ähnlichkeiten, die nicht von der Hand zu weisen sind. Beide Produktionen spielen etwa in einem ähnlichen Berliner Kneipen-Milieu und beide Hauptfiguren sprechen mit einem Berliner Dialekt, haben einen Hang zum Alkohol und pflegen ihren Schnauzbart. Für sie ist das Glas immer halb voll, auch wenn Situationen ausweglos erscheinen. Darüber hinaus zocken sowohl Eddie als auch Heiko unbedarfte Menschen in Kneipen mit ihrem (Nicht-)Können ab, um so an Geld zu kommen. Und die vielleicht größte Ähnlichkeit: Beide Hauptfiguren werden auf skurrile Art und Weise auf einem Auge blind, im Mittelpunkt steht hier jeweils ein Eifersuchtsdrama um eine Frau. 

Hinter "Die Wespe" steht die Produktionsfirma Gaumont sowie der Drehbuchautor Jan Berger, der schon etliche Serien und Filme geschrieben hat. "Heikos Welt" wurde umgesetzt von Produzent Alexander Schoeller sowie Regisseur und Autor Dominik Galizia, beide haben die Produktion ohne Verleiher oder Filmförderung gestemmt. Produktionsfirma war Schoellers ASP GmbH. Geld kam durch Privatinvestoren sowie eine Crowdfunding-Aktion rein, das Budget betrug weniger als 150.000 Euro. Die Sky-Serie hat alleine Förderungen im Wert von 1,2 Millionen Euro erhalten. 

 

"Wir hoffen, dass wir mit Sky zu einer Einigung kommen. Wir sind aber auch bereit, weitere Schritte einzuleiten und in die nächste Instanz zu gehen."
Alexander Schoeller, Produzent von "Heikos Welt"

 

Alexander Schoeller und Regisseur Dominik Galizia wollen jetzt von Sky wissen, wie es zu den Parallelitäten zwischen Film und Serie kommen konnte. Dazu haben sie ein sogenanntes Berechtigungsschreiben an Sky geschickt. Gegenüber DWDL.de sagen sie, ihr Film sei bereits im Februar 2019 abgedreht gewesen, im Sommer des gleichen Jahres hätten ihn dann alle Verleiher auf dem Schreibtisch gehabt, um einen Käufer dafür zu finden. Das Problem ist wohl: Bis heute ist der Film nicht vor einem großen Publikum gelaufen, "Heikos Welt" soll erst im Mai 2022 in die Kinos kommen. Weltpremiere feierte der Streifen im Sommer dieses Jahres beim Filmfest München, wo er unter anderem mit dem Förderpreis Neues Deutsches Kino Schauspiel ausgezeichnet wurde. 

"Eddie Frotzke" gab es schon 2006

Die Antwort von Sky auf das von den jungen Filmemachern eingereichte Berechtigungsschreiben wird wohl ziemlich kurz ausfallen. Gegenüber DWDL.de heißt es vom Sender, dass man den Film bislang nie gesehen habe. "Wenn ‘Die Wespe’ etwaige Parallelen zu ‘Heikos Welt’ aufweisen sollte, ist das reiner Zufall. Es zeugt von der Popularität des Dartsports und seiner Community, dass er in Film und TV zum Thema wird. Wir freuen uns, dass auch wir mit ‘Die Wespe’ auf den Dartsport aufmerksam machen können."

Auch Drehbuchautor Jan Berger und Gaumont-Produzent Andreas Bareiss sagen, sie hätten den Film bislang nie gesehen und seien von den im Netz gemachten Vorwürfen überrascht worden. Tatsächlich hat Berger schon 2005 ein Drehbuch zu einem Kurzfilm geschrieben, in dem es um einen Dartspieler mit dem Spitznamen "Die Wespe" ging. Umgesetzt wurde der Film zwar nie, DWDL.de liegt das Drehbuch jedoch vor und aus den Metadaten der Datei ist ersichtlich, dass diese tatsächlich vor mehr als 15 Jahren erstellt wurde.

 

"Wenn ‘Die Wespe’ etwaige Parallelen zu ‘Heikos Welt’ aufweisen sollte, ist das reiner Zufall."
Sky-Sprecherin

 

Ein Jahr später, also 2006, hat Jan Berger unter dem Titel "Eddie Frotzke Superstar" ein Treatment geschrieben. Auch das wurde nie umgesetzt und hier war die Hauptfigur kein Dartspieler, sondern ein abgehalfteter Reporter. Das Figur und das Milieu in der damaligen Geschichte überschneiden sich zum Teil aber mit dem, was die Zuschauerinnen und Zuschauer aus "Die Wespe" kennen. Auch ein Dartsverein mit dem Namen "Neuköllner Wespen" kommt in dem Treatment vor. Mit dem Drehbuch zur Sky-Serie hat Berger im ersten Corona-Lockdown begonnen, also im Frühjahr 2020. Die Dreharbeiten wurden Ende Juni 2021 beendet, also noch bevor "Heikos Welt" beim Filmfest in München Weltpremiere feierte. 

Echter Darts-Spieler war Inspiration zu "Die Wespe"

Völlig aus der Luft gegriffen ist die Idee eines einäugigen Dartspielers übrigens nicht - ihn gibt es tatsächlich auch in der echten Welt. Jamie Caven heißt der ehemalige Profi-Sportler, der aufgrund eines Bienenstichs im Säuglingsalter auf einem Auge blind ist - genau wie Eddie Frotzke in "Die Wespe". Caven findet auch kurz eine Erwähnung in der Sky-Serie, außerdem heißt ein Hund in der Serie Jabba - das ist der Spitzname von Jamie Caven. Jan Berger bestätigt im Gespräch mit DWDL.de, dass Caven eine Inspiration zur Serie war. 

Die Macher von "Heikos Welt" fürchten nun, dass durch die Serie das Publikum ihres Films geschmälert wird. Eben weil diese möglicherweise bereits "Die Wespe" gesehen haben und nun einen ähnlichen Inhalt in dem Film vermuten könnten. "Szenen und Handlungsstränge, die unsere Individualität ausmachen, haben wir in 'Die Wespe' wiederentdeckt und das sind nicht nur Szenen, die 'das Milieu' oder 'die Kneipe' ausmachen", sagt Produzent Alexander Schoeller. Man wolle dem Sender keinen Schaden zufügen, so Schoeller. "Wir hoffen, dass wir mit Sky zu einer Einigung kommen. Wir sind aber auch bereit, weitere Schritte einzuleiten und in die nächste Instanz zu gehen."