Über die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte der ARD-Serie "Eldorado KaDeWe" haben wir bereits berichtet. Doch es lohnt sich auch ein inhaltlicher Blick auf die Produktion, die gemeinsam von Constantin Television und UFA Fiction umgesetzt wurde. Denn die Erwartungen, die Sender und Produktionsfirmen im Vorfeld geschürt hatten, waren groß. Von einem "spektakulären Serien-Epos" war da die Rede. Und von den "Roaring Twenties", in denen die Serie spielen soll.

Sagen wir es so: Beides ist irgendwie richtig - und teilweise auch nicht. 

Doch von Beginn an: Dreh- und Angelpunkt der Serie ist das Berliner Kaufhaus KaDeWe, das früher noch mehr war als ein weiteres Einkaufszentrum in der Millionenstadt. Erzählt wird die Geschichte von Harry (Joel Basman) und Fritzi Jandorf (Lia von Blarer), beides Kinder des KaDeWe-Gründers. Hedi (Valerie Stoll) stammt aus ärmlichen Verhältnissen, will sich durch ihren Job im Kaufhaus aber hocharbeiten. Und dann ist da noch Georg (Damian Thüne), der das Vertrauen des Firmenchefs hat und um die Zukunft des KaDeWe besorgt ist. 

Alle genannten Personen befinden sich im gleichen Alter und kämpfen mit ihren Dämonen. Harry leidet als Kriegsveteran an Angststörungen, ist aber der Meinung, dass er das KaDeWe auch im Alleingang führen kann. Die wirklich guten Ideen kommen aber von seiner Schwester Fritzi, die aber immer wieder nur deshalb zurückgeworfen wird, weil sie eine Frau ist. Und als Fritzi und Hedi dann auch noch eine Beziehung beginnen, wird klar, in welcher privilegierten Welt wir heute, fast 100 Jahre später, leben. 

Fritzi wird auf der Straße zusammengeschlagen, von den eigenen Eltern immer wieder gedemütigt und muss sich angesichts ihrer "Krankheit" sogar behandeln lassen. In diesen Momenten ist "Eldorado KaDeWe" richtig stark, weil es einen beim Zuschauen angesichts der vielen Ungerechtigkeiten innerlich zerreißt. Auch das Aufkommen der Nationalsozialisten und die immer schlimmer werdende Inflation sind Themen, die die Autorinnen und Autoren Julia von Heinz, John Quester, Sabine Steyer-Violet und Oskar Sulowski spannend und als Prozess erzählen. Sie haben eine Welt geschaffen, in der Frauen weniger Wert sind als Männer - trotz ihrer unübersehbaren Leistungen für die Gesellschaft. 

"Eldorado KaDeWe" entwickelt einen Sog

Darüber hinaus erzählen sie eine Welt, in der Emanzipation, Diversität und Freiheit groß geschrieben werden - im Club Eldorado. Doch auch der ist irgendwann kein Safe Space mehr für die Community. Die vier Hauptfiguren träumen alle auf ihre eigene Art und Weise von Freiheit und Selbstbestimmtheit, müssen aber immer wieder erkennen, dass ihnen Steine in den Weg geworfen werden. Das KaDeWe ist zwar immer Thema, im Kern geht es aber um die Figuren und ihre Probleme. Es gibt historische Tiefe, aber eben nicht so viel, dass die gesamte Serie davon trieft. 

Bis hier hin ist "Eldorado KaDeWe" eine Serie, die einen starken Sog entwickelt und die Zuschauerinnen und Zuschauer mit abwechslungsreichen Geschichten in den Bann zieht. Leider wird man immer wieder aus dem Sog herausgerissen und bekommt vor Augen geführt, dass man hier gerade eine Serie schaut - und das alles beabsichtigt von Julia von Heinz, die auch als Regisseurin verantwortlich zeichnet. 

Das "Gegenwartskonzept" funktioniert nicht

Das große Problem der Serie: Während die meiste Zeit so getan wird, als spiele die Serie in den 1920er Jahren, gibt es zwischendurch immer Bilder aus dem Hier und Jetzt zu sehen. Da fahren dann Gelenkbusse, Abfall-Laster und andere Autos aus der heutigen Zeit durchs Bild. Oder es sind Baustellen und ganze Straßenzüge zu sehen - und das nicht so, wie sie damals waren, sondern so wie sie heute eben aussehen. In einem anderem Fall fahren die Hauptfiguren mit der U-Bahn - aus dem Jahre 2020. 

Eldorado KaDeWe © Screenshot ARD "Roaring Twenties" und ein Polizeiauto aus dem Jahr 2020? Das funktioniert nicht.

Wie das zu erklären ist? "Julia von Heinz lässt die Zeitebenen sehr bewusst verschwimmen und holt somit die Themen der Vergangenheit in unsere Jetztzeit. Bei genauerer Betrachtung halten sich leider viele Vorurteile mit denen die Charaktere der Serie zu kämpfen haben", sagt Constantin-Produzentin Alicia Remirez gegenüber DWDL.de. Sie spricht von einem "Gegenwartskonzept". Nur leider passt das so gar nicht zu den Ankündigungen, die Serie würde in den "Roaring Twenties" spielen. Und auch die Aussage in den Presseunterlagen, die Serie sei "konsequent im Stil der 20er-Jahre" gehalten, ist nur dann einzuhalten, wenn man auch die heutigen 20er-Jahre mitmeint. 

Die ungewohnte Bildgestaltung ist vor allem deshalb ärgerlich, weil sie sich den Zuschauerinnen und Zuschauern zu einem großen Teil wohl gar nicht erschließen wird. Die Begründung, Probleme von damals würde es auch heute geben und das wolle man so zeigen, wirkt schon arg verkopft - und nicht einmal auf dem Papier wie eine gute Idee. Die meisten Zuschauenden werden sich wohl eher fragen, ob der ARD das Geld für ordentliche Kulissen ausgegangen ist.

Wenn in einer Szenen Menschen aus den 1920er Jahren durch die Straßen Berlins laufen, und im Hintergrund plötzlich ein blaues Polizeiauto zu sehen ist, spricht das jedenfalls erst einmal nicht für das Szenenbild. Wer das einmal gesehen hat, kann gar nicht anders als sich darauf zu konzentrieren, nach weiteren Einstellungen dieser Art zu suchen. Das lenkt leider sehr ab von einer sonst stark erzählten Serie, die einem ob der nicht immer leichten Themen manchmal die Luft zum Atmen nimmt. 

Alle Folgen von "Eldorado KaDeWe" werden am Montag ab 20:15 Uhr im Ersten ausgestrahlt. Bereits jetzt steht die Serie in der ARD-Mediathek zum Abruf bereit.