Anwaltsserien gibt es wie Sand am Meer, vor allem in den USA ist die Anzahl an entsprechenden Produktionen schier unendlich. Aber auch in Deutschland gibt es eine erkleckliche Anzahl an Serien, in denen Anwältinnen und Anwälte im Mittelpunkt stehen. So etwas wie "Legal Affairs" hat es aber noch nicht gegeben. Im Mittelpunkt der neuen ARD-Serie steht die Medienanwältin Leo Roth, verkörpert von Lavinia Wilson. Die ist sehr damit beschäftigt, große und kleine Probleme ihrer Mandanten zu lösen und gerät dabei selbst in einen Strudel aus Lug, Trug und Eifersucht. Und das hört sich jetzt kitschiger an als es tatsächlich geworden ist.  

Vielleicht liegt es daran, dass der bekannte Medienanwalt Christian Schertz als Berater und Executive Producer mit an Bord war, aber "Legal Affairs" funktioniert gleich auf mehreren Ebenen. So inszenieren Randa Chahoud und Stefan Bühling alle Episoden von Beginn an sehr temporeich. Über alle Folgen hinweg hetzt Leo Roth von einem Termin zum nächsten, trifft sich mit Mandantinnen und Mandanten, Journalisten oder Staatsanwälten. Als geneigter Zuschauer hat man keine Chance, auch nur mal kurz nicht aufzupassen. Dann hat man schon wieder eine für die Story wichtige Wendung verpasst. Da ist es dann auch zu verzeihen, dass sich "Legal Affairs" klassischer Methoden einiger Anwaltsserien bedient. Auch hier wird etwa der Polizeifunk abgehört, was ein bisschen abgedroschen ist.

Aber auch die Themen, die innerhalb der Serie angesprochen werden, funktionieren wunderbar. Gleich in Folge eins müssen sich Leo Roth und ihr Team um einen Busunfall mit mehreren Toten kümmern. War es ein Unfall oder ein erweiterter Suizid der Fahrerin? Hier wird bereits das erste mal klar, dass Leo Roth keine Gefangenen macht und auf ihre Prinzipien besteht. Macht ein Mandant sein eigenes Ding, ohne Rücksprache zu halten? Dann lässt sie ihn eben fallen. Weitere Themen, die in "Legal Affairs" behandelt werden, sind Deep Fakes im Netz, Hate Speech, verletzte Persönlichkeitsrechte, Datenschutz und rechte Gewalt. Und bei allem spielt "Legal Affairs" überwiegend nicht im Gerichtssaal, sondern drumherum, was mehr Flexibilität und Eigenständigkeit ermöglicht. 

Keine Sympathieträgerin - und das ist gut so

Leo Roth ist aber nicht wie Danni Lowinski, eine klassische Heldin, die den Schwachen hilft und eine Sympathieträgerin ist. Die Hauptfigur der neuen ARD-Serie hat auch eine dunkle Seite. Sie stellt vermeintlichen Gegnern nach und bedroht sie, überwacht und besticht Journalisten und schreckt auch nicht davor zurück, Staatsanwälte unter Druck zu setzen. Als dann eine junge Frau plötzlich Selbstmord begeht, gerät auch die Star-Anwältin in die Schlagzeilen und muss sich eine Zeit lang vor allem um sich selbst kümmern. Die ganze Sache macht es den Zuschauerinnen und Zuschauern schwer, die Hauptfigur ins Herz zu schließen, das ist aber auch gar nicht notwendig. Denn gerade die dunkle Seite verleiht der Hauptfigur eine Tiefe, die Anwälte sonst nur selten in TV-Serien haben. Und auch hier gilt wie so oft in "Legal Affairs": Nichts ist so, wie es zunächst scheint. Alles kann im nächsten Moment schon ganz anders sein - oder eben auch nicht. 

Verkörpert wird die Hauptfigur ganz exzellent von Lavinia Wilson, die die immer unter Strom stehende Medienanwältin so glaubhaft spielt, dass man ihr teilweise den Rat geben will, sich ein wenig zu schonen. Diesen Rat hat Leo Roth auch von ihrer Ärztin erhalten, weil sie zwischendurch einen Aussetzer hatte und umgekippt ist. Aus der von der Ärztin verordneten Ruhe wird natürlich nichts, die Arbeit ruft schließlich. Und Arbeit ist im Fall von Leo Roth auch ihr Schwager, ein bekannter Politiker, der nicht nur um seinen Ruf, sondern auch um seine Karriere fürchtet. Ihr Schicksal hängt ganz wesentlich von ihm ab und es stellt sich irgendwann die Frage, auf welcher Seite Leo am Ende tatsächlich stehen will. 

Journalisten immer schmierig und dubios?

Dankenswerterweise geben sich die ARD und UFA Fiction in Form von Benjamin Benedict (Produzent) und Kristina Henning (ausführende Produzentin) nicht der Versuchung hin, Journalisten durch die Bank weg als schmierige Typen darzustellen, die für eine gute Story alles machen würden. Klar, diesen Typ von Journalist gibt es in der Serie auch, so wie in vielen anderen Produktionen, in denen Journalisten oft nur Teil des Problems sind. Die beiden Head-Autoren Lena Kammermeier und Felice Götze öffnen mit ihrem Team den Blick für die Zuschauerinnen und Zuschauer jedoch, was erfrischend anders ist, weil es zu einer ungewohnten Zusammenarbeit kommt. 

Durch die Strategie, je einen abgeschlossenen Fall pro Folge zu erzählen und darüber hinaus eine durchgehende Handlung rund um die Verstrickung von Leo Roth in einen Selbstmord, vergeht in der ARD-Serie keine Sekunde, in der nicht etwas passiert. "Legal Affairs" ist extrem schnell erzählt, greift wichtige Themen auf und wartet mit mehrdimensionalen Figuren auf. Das alles macht die acht Folgen so sehenswert. In einer Folge hat übrigens auch Christian Schertz einen kurzen Gastauftritt und gibt als Medienanwalt seiner Kollegin Leo einen guten Rat. Die erste gute Idee von Schertz war es allerdings vor Jahren, eine Serie wie diese anzustoßen. 

Das Erste wird die acht Folgen von "Legal Affairs" am 19., 20., 22. und 23. Dezember ab 21:45 Uhr ausstrahlen. Bereits ab sofort ist die komplette Serie in der Mediathek abrufbar.

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