Es ist gewiss das überraschendste TV-Comeback des Jahres: Dass "TV total" nach sechs Jahren Abstinenz so plötzlich auf den Bildschirm zurückkehren würde, hätte noch vor wenigen Tagen vermutlich kaum jemand für möglich gehalten. Ohne großen Vorlauf feierte jene Show, die Stefan Raab vor mehr als 20 Jahren schlagartig berühmt machte, am Mittwochabend ihre Rückkehr bei ProSieben. Ein echter Coup, der dem Sender da gelungen ist, und zwar im doppelten Sinne. Nicht nur, dass das Programm auf einen Schlag um eine bekannte Marke reicher ist; ganz nebenbei hat der Sender mit Sebastian Pufpaff auch noch einen der vielversprechendsten Köpfe an Bord geholt.

Das Bemerkenswerte an Pufpaffs Einstand: Ihm scheint es völlig egal zu sein, wie groß die Fußstapfen seines Vorgängers sind. Routiniert und mit eigenem Stil gelingt es ihm, binnen weniger Minuten den Vergleich mit Stefan Raab gedanklich abzuhaken. Dass Raab als Produzent und viele andere, die schon in der Vergangenheit "TV total" gemacht haben, hinter den Kulissen an der Neuauflage mitwirken, wird freilich schnell sichtbar. Humor und Anmutung, das zeigt sich schon in den ersten Momenten, sind ähnlich, auch wenn sich die Neuauflage glücklicherweise mehr an den Anfängen der Show orientiert als an ihrer Endphase, die bisweilen unter der täglichen Ausstrahlung litt.

Doch Pufpaffs alleiniger Verdienst ist es, dass er den Klassiker ohne Anlaufzeit direkt zu seiner Show gemacht hat. Dass der Neue eine ähnliche Begrüßung wählt wie einst Raab im Jahr 1999, dürfte indes kein Zufall sein. "'TV total'", erklärt Pufpaff beinahe wortgleich, sei "die einzige Fernsehsendung, die Sie jetzt noch schauen müssen", und man werde "richten und strafen für den ganzen Schrott, den es da draußen gibt". Aber auch der Starttermin, wenige Tage nach der viel beachteten Neuauflage von "Wetten, dass..?", dürfte durchaus wohl überlegt sein, schließlich bietet die Samstagabendshow - wie früher - reichlich Stoff für eine gagreiche Nachbetrachtung. So wie jener Moment, in dem Thomas Gottschalk nicht zu erkennen vermag, dass der Dartspfeil seines Wettkandidaten auf dem Deutschland-Feld landete. "Als er jung war, hatte Deutschland noch andere Grenzen", merkt Pufpaff danach an.

Gelungen auch die spätere Auseinandersetzung mit Bild TV, "irgendwas zwischen Dachlatte und Sexy Sport Clips". Kurz darauf bezeichnet Pufpaff den "Bild"-Reporter Paul Ronzheimer als "dicken Harry Potter" und unterlegt dessen schluchzend an Julian Reichelt gerichteten Abschiedsworte mit der schweren Musik von Enya. Das ist zwar mehr Brechstangen- als Feuilleton-Humor, aber treffsicher - und passend für eine Privatsender-Comedyshow zur besten Sendezeit. Das gilt auch für den nächsten Ausschnitt, der zahlreiche Versprecher von "Bild"-Showchefin Janina Kirsch offenbart. Kaum ist zu sehen, wie Kirsch mit einiger Mühe erklärt, wie es um die Ex-Frau von Michael Wendler bestellt ist, kommt aus dem "TV total"-Studio schon der passende Kommentar per Knopfdruck: "Wie lange habe ich noch meinen Job?".

Ordentliches Maß an Selbstbewusstsein

Ja, auch das berühmte "Nippelboard" ist ebenso wieder mit dabei wie der fahrbare Schreibtisch und die Heavytones mit der unwechselbaren Musik. Selbst die kreischende Ansagerin aus dem Publikum wurde nicht vergessen. Dazu kommen ein paar neue Impulse wie der Versuch, den Podcast von Markus Lanz und Richard David Precht zu visualisieren oder auch Ausschnitte von neuen Plattformen wie TikTok miteinzubeziehen. Und dass Pufpaff gleich bei der Premiere die Grenzen auslotet, indem er Florian Silbereisens "Schlagerbooom"-Anmoderation nicht nur den Minions in den Mund legt, sondern auch Joseph Goebbels, zeugt von einem, nun ja, ordentlichen Maß an Selbstbewusstsein.

Selbstbewusstsein legt der neue "TV total"-Moderator zudem an den Tag, als er versucht, sich als vermeintlicher Backstage-Reporter bei "Wetten, dass..?" einzuschleusen, wenn auch letztlich ohne Erfolg, wie ein launiger Einspielfilm beweist. Seinen Wetteinsatz kommentiert Pufpaff am Ende ganz in Anlehnung an seinen Vorgänger mit einer Frage: "Hat eigentlich schon mal jemand versucht, in einem original chinesischen Wok 'ne Bobbahn runterzufahren?"

Die erste Stunde des neuen "TV total" ist so vollgepackt, dass nach gut einer Stunde weder Platz ist für einen Gast noch für die Verleihung des "Raab der Woche", der kurzerhand zum "Bewegtbildpreis" umgetauft wurde. Doch das ist nicht schlimm, schließlich wirkt die Pufpaff-Premiere auf Anhieb derart stimmig, dass man das Gefühl hat, hier könnte, ganz ohne den in Fernsehrente gegangenen Altmeister, tatsächlich noch einmal eine neue "TV total"-Ära entstehen. Oder um es mit Stefan Raab zu sagen: "Das ist ja unglaublich, meine Damen und Herren. Verstehen Sie?"

"TV total", mittwochs um 20:15 Uhr, ProSieben