Dass Gjermund Stenberg Eriksen mehr will, als einfach nur einen spannenden Thriller zu erzählen, machen gleich die ersten Bilder deutlich. Eine schnelle Collage von Merkel, Obama, Trump, von Neonaziaufmärschen und Flüchtlingsströmen lädt die Erwartungshaltung mit gesellschaftspolitischem Anspruch auf. Der norwegische Creator hat sich nicht weniger vorgenommen, als die modernen, grenzübergreifenden Netzwerke des europäischen Rechtsterrorismus mit seiner Serie greifbar zu machen.

Das Thema ist fiktional schon mehrfach beackert worden, aber noch nicht so: Während etwa die beklemmende norwegische Miniserie "22. Juli" (auf Netflix) die Terroranschläge von 2011 in Oslo und Utøya aus verschiedenen inländischen Perspektiven rekonstruiert, bezieht "Furia" sich auf fiktive Terrorzellen in Norwegen und Deutschland gleichermaßen und versucht, durch nahezu paritätische Orts- und Besetzungsverteilung erzählerische Augenhöhe zwischen beiden Ländern herzustellen. Eine echte Koproduktion also, wie die Produzenten von Monster Scripted aus Oslo und X Filme aus Berlin immer wieder gern betonen.

Allerdings muss man sich bis zur vierten von acht Folgen gedulden, ehe der deutsche Anteil sichtbar wird und die Handlung überwiegend nach Berlin springt. Zuvor werden die beiden Hauptprotagonisten in der scheinbar idyllischen Provinz zwischen den Fjorden eingeführt: Polizist Asgeir (Pål Sverre Hagen) wird als Ex-Mitglied einer Spezialeinheit von der Russenmafia bedroht und soll unter neuer Identität in der Kleinstadt anfangen. Ragna (Ine Marie Willmann) hat ebenda als Undercover-Agentin für den Geheimdienst eine rechtsradikale Terrorzelle unterwandert und liefert mit ihrem identitären Blog "Furia" – benannt nach den griechischen Göttinnen, die aus der Unterwelt auferstehen, um falsche Schwüre zu rächen – den ideologischen Zündstoff für geplante Großanschläge. 

Beide begegnen sich nach einem fremdenfeindlichen Angriff auf das örtliche Flüchtlingszentrum und sind fortan aufeinander angewiesen. Sie von innen, er von außen, entschlüsseln beide nach und nach die Pläne der von dem Deutschen Brehme (Ulrich Noethen) kommandierten Zelle und folgen ihr schließlich nach Berlin, wo kurz vor der Bundestagswahl mit Mitteln des Terrors ein politischer Rechtsruck herbeigeführt werden soll. Zusammen mit Kathi (Nina Kunzendorf), Abteilungsleiterin für öffentliche Sicherheit im Bundesinnenministerium, versuchen Ragna und Asgeir die Zelle zu stoppen.

In Norwegen, wo "Furia" bereits Ende September angelaufen ist, stehen sich Rekordabrufzahlen auf der Streaming-Plattform Viaplay und überwiegend negative Pressestimmen diametral gegenüber. So kritisierte etwa das "Dagbladet" die Serie als "ungewollt parodistisch im schamlosen Umgang mit altbekannten Metaphern und Thriller-Werkzeugen". Man muss es nicht ganz so vernichtend bewerten und kann über die offenbar unvermeidlichen traumatisierten Helden, gespalten zwischen Beruf und Familie, oder die tückischen Doppelagenten auf allen Seiten ganz gut hinwegsehen, weil das hohe Spannungslevel einen über weite Strecken bei der Stange hält.

Furia © ZDF/Boris Laewen Merkwürdig künstlicher Blick auf Politikklischees: Nina Kunzendorf und Stefan Kurt in "Furia"

Was jedoch spätestens nach den ersten Berliner Spielszenen klar wird, ist, dass "Furia" sich am eigenen Anspruch verhoben hat. Zwischen den hauptsächlich norwegischen und den hauptsächlich deutschen Folgen herrscht ein so großes Ungleichgewicht, dass man mitunter den Eindruck von zwei verschiedenen Serien haben könnte – einer einfallsreichen, emotional intelligenten norwegischen und einer klischeehaften, oberflächlich bleibenden deutschen. Regisseur Magnus Martens (Folgen 1-3 und 7-8) kostet die Schönheit der Berge und Seen im Fjordland aus, um einen bewussten Kontrapunkt zum 'Nordic Noir' zu setzen und die Hauptfiguren in Ruhe psychologisch nachvollziehbar einzuführen. Man kann danach gar nicht mehr anders, als mit Ragna und Asgeir mitzufiebern, auch wenn im Verlauf die Attraktion seiner Storyline gegenüber ihrer nachlässt. Der Puls der Kleinstadt und die Dynamik zwischen ihren teils verfeindeten Einwohnern werden authentisch spürbar. 

Dagegen liefert Martens' deutscher Kollege Lars Kraume (Folgen 4-6) eine reichlich uninspirierte Inszenierung ab, die freilich auch mit holzschnittartigen Strecken in den Drehbüchern zu kämpfen hat. Berlin zwischen Reichstag und Potsdamer Platz ist so oft abgefilmt, dass es natürlich nicht leicht fällt, noch neue Perspektiven zu finden. Kraume versucht es gar nicht erst. In der deutschen Hauptstadt bleibt "Furia" bei einem merkwürdig künstlichen Blick auf allgemeine Politikklischees und räumt einer unterforderten Nina Kunzendorf zu viel Screentime für zu wenig innere Motivation ihrer Rolle ein. Von gelegentlich aufblitzender Originalität wie dem norwegischen Verzweifeln am deutschen Verwaltungsföderalismus ("Welches der 16 LKAs sollen wir denn kontaktieren?") hätte man sich hier weitaus mehr gewünscht.

Von Eriksens Ambition bleibt immerhin, dass acht Folgen "Furia" einen plastischen Eindruck davon vermitteln, wie rechtsradikale Zellen sich international vernetzen und an den unverdächtigsten Orten gedeihen sowie mit geschickter verbaler Indoktrination im digitalen Raum einen breiten Nährboden ausrollen. Und als unterhaltsamer, mit einiger Action und Suspense geladener Thriller funktioniert die Serie allemal.

"Furia", ab Sonntag in der ZDF-Mediathek, außerdem in vier 90-Minütern sonntags und montags um 22:15 Uhr im ZDF