Am Tag, bevor Borussia Mönchengladbach die Bayern derart vermöbelte, dass von "historisch" die Rede ist, fand in der Steiermark ein kaum weniger nervenaufreibendes Pokal-Spiel statt. Für den Erstligisten und aktuell Tabellensechsten SK Austria Klagenfurt ging der Auswärtskick in Weiz allerdings auf den letzten Metern noch sehr gut aus. 4:1 nach Verlängerung. Damit Viertelfinal-Aufstieg im ÖFB-Cup. Wenn das keinen Auftrieb gibt für das Bundesligaduell mit Admira Wacker am heutigen Samstag!? Und eins ist ja wohl klar: Die "Violetten", also die Klagenfurter, müssen sich ab 17 Uhr extra viel anstrengen. Denn zum Heimspiel im Wörthersee-Stadion wird einer ihrer ausländischen Investoren anreisen: der gebürtige Hamburger Jung Zeljko Karajica.

In Medienohren klingelt da was. Karajica war als Geschäftsführer für die ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH sowie als CEO der 7Sports tätig, die er als konzerninternen Inkubator für Sportthemen aller Art selbst gegründet hat. Davor hatte er die Geschäfte bei Sport 1 geführt. Für Außenstehende ziemlich unvermittelt kündigte er im Februar 2020 den Job in Unterföhring und ließ damit, kurz bevor er die 50 rund machte, fast drei Jahrzehnte Karriere in der TV-Branche hinter sich. Das nächste Lebenszeichen von ihm: der Einstieg in den Profi-Fußball. Nicht nur in Österreich, sondern auch bei den "Himmelblauen" von FC Viktoria 1889 Berlin ist Karajica investiert.

Ist das Midlife-Crisis, oder was? Wie kommt ein langgedienter Medienmanager dazu, Fußball-Investor zu werden?

"Sollte die Frage nicht lauten: Warum tut sich der Trottel das nach 30 halbwegs erfolgreichen Jahren in der Medienbranche überhaupt an?", fragt ein gut gelaunter Zeljko Karajica zurück. Seine Antwort folgt postwendend: Es sei ja nicht so, dass er "wie die Jungfrau zum Kinde" gekommen sei. Sport habe ihn schon immer umgetrieben, privat wie beruflich. Und mit Fußball von der Fernsehseite her, da kenne er sich aus.

Zeljko Karajica © SEH/Thorge Huter
Mit seinem Ausscheiden aus dem Konzern setzt Zeljko Karajica im Prinzip fort, was er bisher getan hat und jetzt perfektioniert: von der Pike auf neue Geschäftsmodelle aufbauen und Beteiligungen heranholen, nur eben nicht mehr für die ProSiebenSat.1-Gruppe, sondern für das eigene Unternehmen: die SEH Sports & Entertainment Holding, die er gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Tomislav betreibt.

Mit dem zweiten Bruder, Markan, teilt sich der älteste Karajica, Zeljko, ein Büro in München-Schwabing, von wo aus er sich an diesem Vormittag per Video zuschaltet. Markan und er liefen eine ganze Weile parallel im "Medienzirkus" (das Wort benutzt er gern), erst bei Premiere, dann bei ProSiebenSat.1. Er betrachte es als "Luxus", in all den Jahren mit Leuten zu tun gehabt zu haben, die ihn an ihrer Seite "haben wachsen lassen".

Und dann legt Karajica mit dem Namedropping los: Bernd Kundrun, Markus Tellenbach, Dieter Hahn, Georg Kofler, Hans Seger, Thomas Ebeling – "alles unterschiedliche Charaktere mit unterschiedlichen Geschichten". Mit allen habe er noch Kontakt; Ebeling stieg sogar als Investor in die SEH ein. Und alle hätten ihn gelehrt, "an komplexe Themen zielorientiert heranzugehen".

Insbesondere der Südtiroler Kofler scheint tiefe Spuren bei dem Hamburger Jung, dessen Eltern aus Kroatien einwanderten, hinterlassen zu haben. Ein "unfassbarer Begeisterer" sei sein früherer Chef bei Premiere gewesen, erzählt Karajica nicht weniger begeisternd. Kurz bevor das Kirch-Reich implodierte, kam Kofler, sah und siegte. Karajica erinnert sich an Samstage und Sonntage, an denen sie sich oben im fünften Stock an der Medienallee 4 zum Strategiemeeting trafen. Über Wochen ging das so. Premiere stand kurz vor dem Abgrund. Aber Kofler führte den Sender aufs nächste Level.

Und nichts weniger als das treibt Zeljko Karajica nun selbst in der zweiten Lebenshälfte an: "Ich dachte mir: So ein alter, erfahrener Recke aus dem Medienzirkus wie ich und die neuen digitalen Modelle, das kann eine glückliche Beziehung werden." Und bevor man denke: Midlife-Crisis, nein, alles fein. "Es war einfach Zeit für die nächste Etappe."

"Alles hat seine Zeit. Die Nase muss nicht noch schlimmer werden, als sie ist."

Anders als Markan und Zeljko schlug Tomislav Karajica den Weg in die Bau- und Immobilienbranche ein. Doch ein Thema hielt die Brüder stets zusammen: die Leidenschaft für den Sport. "Wenn die Kroaten bei der Fußball-Weltmeisterschaft im Halbfinale oder Finale stehen, dann können Sie davon ausgehen: die Karajica-Brüder sitzen ganz weit vorne und feuern die Mannschaft an. Und wenn sich aus dieser Leidenschaft die Möglichkeit ergibt, gemeinsam unternehmerisch aktiv zu werden, was kann einem Besseres passieren?"

Na, vielleicht der Startpunkt für die berufliche Umorientierung?

Zum 1. März 2020 verließ Zeljko Karajica ProSiebenSat.1. Vierzehn Tage später kam der Lockdown. Von 18 Monaten Selbstständigkeit verbrachte der Unternehmer in Summe zehn mit harten Kontaktbeschränkungen. Nichtsdestotrotz, den Schritt hat er "keine Sekunde bereut", auch wenn die Zeit seither "unfassbar viel Kraft" gekostet hat. "Das war schon hart", sagt Karajica, der nebenbei dreifacher Vater ist, "aber wenn Sie unter Covid-Parametern mit Viktoria Berlin und Austria Klagenfurt aufsteigen und parallel eine Football-Liga mit 45 Spielen starten – dann hat sich bewahrheitet, woran ich fest glaube: dass der Tüchtige die Früchte seiner Arbeit trägt."

Neben Fußball gibt es also noch diese andere Leidenschaft in Zeljko Karajicas Leben, oder sollte man besser von der Mission "Make American Football Great in Europe" sprechen?

Die Sache mit dem Football

Die Idee, einen europäischen Ableger der National Football League zu gründen, die European League of Football (ELF), muss in ihm spätestens im Frühjahr 2020 Feuer gefangen haben, als er beim Super Bowl live in Miami war und in der Halbzeit die Popos von Shakira und J.Lo wackeln sah. Sport und Entertainment, wo gehen sie eine lukrativere Symbiose ein als bei diesem Mega-Event mit an die 100 Millionen Zuschauern weltweit?

Zeljko Karajica © SEH/Thorge Huter
In Deutschland fährt ProSieben mit der Übertragung inzwischen Rekordquoten ein. So sicher war man sich des Erfolgs anfangs indes nicht, wie Karajica erzählt. Als er 2012 nach Unterföhring wechselte, gab es nur die Rechte an diesem einen Football-Spiel. Damals hätten sie ernsthaft darüber nachgedacht, es überhaupt zu zeigen. "Als werbetreibendes Medium weißt du: Das Spiel ist mitten in der Nacht, da liegt nicht viel Werbegeld drin. Es kostet aber viel Geld. Lass das mal lieber sein." Mittlerweile zeigt ProSiebenSat.1 auf den diversen Plattformen mehr als 200 Live-Stunden Football. "Football ist keine Nische mehr", ist sich Karajica sicher, "das ist ein Massenmarkt, aus dem sich ein Business entwickeln kann."

Vor gut einem Monat, am Bundeswahltag, fand vor 21.000 Zuschauern in Düsseldorf das erste Championship Game der von Karajica gemeinsam mit dem fernsehbekannten "Coach" Patrick Esume ins Leben gerufenen ELF statt. Vier Prozent Marktanteil holte ProSieben Maxx mit einer Liga, die es drei Monate zuvor noch gar nicht gab. Wobei der limit of the sky, glaubt man Karajicas feurigen Worten, noch längst nicht erreicht ist. Reichweiten von 400 Millionen Menschen sieht er schon am Horizont – und in Kasim Edebali einen Defensive End mit Star-Potenzial.

Der frühere NFL-Profi, der seit diesem Jahr bei den Hamburg Sea Devils spielt und bei "ran" als Football-Experte auftritt, soll Karajica helfen, diesen Sport hierzulande weiter zu popularisieren. Auch als Schauspieler. In der autobiografisch angehauchten Sitcom "Food Balls" spielt Edebali einen, surprise!, Footballer, allerdings einen mit Konditionshänger. Weil die selbst ernannte "Vollmaschine" beim Probetraining zur Aufnahme bei den Sea Devils an dem beinharten Coach Esume scheitert, muss Edebali fortan sein Geld als Food-Lieferant verdienen und trifft da unter anderen auf hungrige Kunden wie Dieter Bohlen, Bruce Darnell, Udo Lindenberg und Otto – nicht in echt. Sie werden alle von Jörg Knör parodiert.

Auch ein TV-Sender gehört zum Konzern

Produziert wird "Food Balls" von der Münchner all in productions ("Taunuskrimi"), deren Geschäftsführer seit 2008, gar nicht zufällig, Zeljko Karajica ist. "Die Sitcom mit Kasim hat uns den Weg geebnet, eine sympathische Liga zu zeigen", sagt er. Drei Millionen Videoabrufe hatte die erste Staffel der Webserie, im Dezember folgt die zweite und dann wieder mit paralleler Ausstrahlung im Free-TV, denn mit More Than Sports TV verfügt der umtriebige Football-Promoter neuerdings sogar über einen eigenen Fernsehsender.

Aus dem Serien-Sender eoTV formt Karajica seit diesem Juni einen Sportkanal. Gemäß Sendertitel läuft da more than sports, nämlich sehr viel Teleshopping. Aber vor allem auch: Content aus den Ligen und Organisationen, die sich im Besitz von Karajicas SEH befinden. Neben Spielen der ELF (die Top-Partien übertragen ProSieben Maxx und ran.de – irgendwoher muss ja Geld reinkommen) und Content aus dem Motor- und eSport-Bereich sind auch Talks und Dokus fest eingeplant, etwa demnächst "Behind the scenes" über Karajicas Klub Viktoria Berlin und über die Entstehung der ELF. Außerdem in der Mache: das Reality-Format "Fighthouse" plus Live-Übertragung der German MMA Championship am 27. November in der Arena Oberhausen.

Auch bei letzterer, gewöhnungsbedürftigen Randsportart hört Karajica die Kasse klingeln: hartes Geld für harte Schläge. Man müsse ja die so genannten Käfigkämpfe "nicht immer gut finden", aber es sei ein Sport, der sich mittlerweile etabliert habe: "Wie man so schön sagt: the fastest growing sports worldwide." Was sonst. Man merkt: Dieser Mann brennt für die Prügelei im achteckigen Käfig. Das ist biografisch bedingt. Karajica kommt aus der Kampfsportecke. In seiner Jugend in Hamburg kämpfte er samt seinen Brüdern Karate, sogar in der Bundesliga.

Ob er heute noch in den Ring steigt? "Wissen Sie, man muss ja vernünftig bleiben, nicht? Alles hat seine Zeit. Die Nase muss nicht noch schlimmer werden, als sie ist", antwortet Karajica besonnen. Am Morgen war er elf Kilometer joggen, "ganz friedlich", um den Kopf freizubekommen, "aber es wird nicht mehr gehauen, nur im Business". Da müsse er manchmal Dinge durchdrücken und eine kämpferische Haltung haben, dass man nicht bei jedem "Nein" oder "Geht nicht" einknickt.

Übertragen auf die Klagenfurter Kicker heißt die Parole ja dann wohl am heutigen Samstag: Kämpft! Verlieren geht nicht!

Dass Fußball-Investoren übrigens ein wenig schmeichelhaftes Image nachhängt – Koffer voller Geld, Torgroßes Ego und so – das weist Zeljko Karajica in seinem Fall weit von sich: "Wir haben keinen saudischen Hintergrund." Will heißen: Die Taschen sind nicht so voll, um etwa fertige Spieler zum frisch gebackenen Drittligisten Viktoria Berlin zu holen, da muss man eben Nachwuchsaufbau betreiben. Und es reicht schon gar nicht für die Nummer "da sitzt der per Privatjet eingeflogene Herr Investor auf der Tribüne". Nein, zerstreut Karajica die schönsten Bilder, da sei kein Glamour, "dahinter steckt sehr viel harte Arbeit".

Aber den Privatjet gibt es schon, oder?

"Ach, Quatsch, den hat es noch nie gegeben und wird es auch nicht geben, egal wie erfolgreich Klagenfurt und Berlin werden."

Und so legt Zeljko Karajica die 370 Kilometer von München, wo er lebt, nach Klagenfurt, wo er investiert, weiterhin ganz sparsam im eigenen PKW zurück.