Sie starten am Freitag Antenne NRW als moderiertes Vollprogramm. Was macht Nordrhein-Westfalen so attraktiv für die Antenne Bayern Group?

Felix Kovac: Letztlich die Tatsache, dass es dort sehr wenig Wettbewerb gibt. Es gibt die Sender des WDR und jeweils ein Lokalradio pro Standort. Im Vergleich zu Bayern ist das also überschaubar. DAB+ gibt es regional und lokal noch gar nicht. Insofern sehen wir viel Potential, weil wir eine hohe technische Reichweite bei wenig Wettbewerb erreichen können.

 

Wenig Wettbewerb heißt dann freie Bahn?

Kovac: Nein, das nicht. Wenn ich mir aber München anschaue, habe ich viele lokale Radiosender, dazu Antenne Bayern, die zehn BR-Sender, egoFM, KlassikRadio... Wenn ich in mein EPG vor unserem Audio-Center schaue, komme ich auf rund 100 Sender. In Köln oder einem anderen NRW-Standort ist das deutlich weniger. Der gesamten Branche ist bekannt, dass der Radiomarkt NRW bisher recht frei von Wettbewerb war. Hier tut sich nun Einiges und wo sich etwas tut, dort ist die Antenne Bayern Group dabei.

Julia Schutz: Wir sind nun da und wir sind da, weil wir es können. Als die DAB+-Tür aufging, war es für uns eine willkommene Einladung, in den Markt einzutreten. Diese Chance wollen wir nutzen.

Valerie Weber, die lange Zeit Programmdirektorin bei Antenne Bayern war, kümmert sich beim WDR als Programmdirektorin um die Bereiche NRW, Wissen und Kultur. Hat Sie bei Bekanntwerden des Projekts Antenne NRW mal bei Ihnen angerufen, Herr Kovac?

Kovac: Ich war kürzlich in Köln und habe mit ihr gesprochen. Aber die Kräfteverhältnisse sind eindeutig. Der WDR ist so stark positioniert in Nordrhein-Westfalen. Da sind wir als neues Audio-Startup nicht annähernd in der Lage, mitzuhalten. Aber der Kontakt zum WDR ist gut. Wir werden mit den Kolleginnen und Kollegen, genau wie mit dem Lokalfunk, partnerschaftlich umgehen. Aber auch für den WDR gilt: Es kommen neue Anbieter in den Markt. Und das wird dort, so zumindest mein Eindruck, beobachtet.

Als Antenne Bayern in den 80ern neu startete, sorgte der Sender für neue Impulse. Welche Impulse gedenken Sie in NRW zu setzen?

Schutz: Wir sind der erste landesweite Privatsender, der eine Klammer für ein ganzes Bundesland bildet. Das ist neu für NRW. Wir werden uns mit viel Platz bewegen und unsere Zielgruppe hervorragend erreichen. Zudem haben wir ein anderes Musikformat, mit dem wir eher Menschen zwischen 30 und 59 ansprechen. Wir werden trotzdem digital, modern und vernetzt sein. Zumindest im Lokalfunk kann das keiner so von sich behaupten.

Sprechen wir über das Programm: Welche Themen nehmen Sie in den Fokus?

Schutz: Wir machen ein 24/7-Vollprogramm. Wir sind also rund um die Uhr da und wollen das Lebensgefühl der Menschen in NRW widerspiegeln. Das bedeutet: großartige Moderatorinnen und Moderatoren, Redakteurinnen und Redakteure senden aus NRW für NRW – und das von verschiedenen Standorten. Wir wollen face-to-face mit den Menschen in den Dialog gehen – auch digital. Wir werden uns vor Ort ein Bild machen, aber auch eigene Themen setzen. Und ja, ich weiß, das ist eine Herausforderung. Als Felix Kovac mich an Bord holte, fragte er mich, ob ich Lust auf den spannendsten Radiomarkt Europas hätte: Und nicht weniger ist NRW. Ein unglaublich diverses Bundesland und somit eine Herausforderung, diese Klammer für die Menschen hier zu bilden.

Gerade der WDR hat seine Stärke im Bereich der Information. Sie werden vermutlich andere Schwerpunkte setzen?

Schutz: Informationen sind wichtig, sie gehören zu unserem Kerngeschäft. Noch wichtiger ist Infotainment. Wir gehen nicht nur auf die Fakten, wir werden Geschichten finden und erzählen. Relevanz entsteht auch durch Unterhaltung. Und genau das kann die gesamte Antenne Bayern Group sehr gut.

Gibt es einen Unterschied zwischen dem bayerischen Radiohörer, der bayerischen Radiohörerin und den Menschen, die in NRW Radio hören?

Kovac: Bestimmt. Wir haben NRW über eine Marktstudie analysiert. Dabei ist aber wenig über persönliche Profile der Menschen in NRW herausgekommen. Uns hat mehr interessiert, mit welchem Musikprogramm wir die größtmögliche Menge an Menschen erreichen, um eine Akzeptanz zu erhalten. Das hat sich nicht geändert: Musik ist der Haupteinschaltgrund eines Radioprogramms. Wir spielen daher die besten Songs aus den 80er und 90er-Jahren. Wir haben uns auch angeschaut, wofür ein Radiosender stehen muss. Wir werden zudem versuchen, das Lebensgefühl in NRW zu greifen und zu transportieren. Somit haben wir Ihre Frage schon aufgegriffen, etwa in der Entscheidung, dass wir das Programm nicht aus Bayern, sondern vor Ort aus NRW produzieren. Antenne NRW wird von morgens bis abends live oder near-to-live produzierte Sendestrecken anbieten.

Schutz: Wir senden zum Start werktags von 5 bis 20 Uhr und am Wochenende von 6 bis 18 Uhr live und mit Moderation. Zu hören sind Menschen am Mikro, die überwiegend in NRW sitzen.

 

"Antenne NRW ist wohl aktuell eines der ambitioniertesten DAB+-Projekte in ganz Deutschland." Felix Kovac

 

Kovac: Auch Antenne NRW wird für regionale Nachrichten stehen, so wie Hörer und Hörerinnen sie auch von den Bayern-Reportern bei Antenne Bayern kennen. Ich glaube, dass wir der neue landesweite DAB+-Privatsender in NRW sein werden, der den größten Personalaufwand betreiben wird. Das sieht man schon an der Verpflichtung von Julia Schutz, die eine überaus namhafte Programmdirektorin ist. Aus dem Audio Center Bayern werden wir Antenne NRW verstärken: Wir liefern den Grundstock, also Musik, Produktion, Technik, IT oder die Welt- und Deutschlandnachrichten. Unmittelbar bei Antenne NRW angestellt sind bereits jetzt zehn Leute. Für das Projekt selbst arbeiten direkt um die 40 Menschen – da steckt also auch viel Arbeit unserer gesamten Antenne Bayern Group drin. Antenne NRW ist wohl aktuell eines der ambitioniertesten DAB+-Projekte in ganz Deutschland.

Wann wollen Sie mit dem Projekt auch Geld verdienen? In drei Jahren? In fünf?

Kovac: Ja, so in etwa.

2022 wird Oldies but Goldies zur Oldie Antenne

2022 soll noch die Oldie Antenne dazugekommen, die aus dem Webchannel Oldies but Goldies hervorgeht. Ihren Angaben zufolge ist dies der erfolgreichste moderierte Websender des Landes, der nun einen naheliegenden Schritt geht?

Kovac: Wir haben eine eigene Unit, die hauptsächlich Streams und Podcasts kuratiert: unsere Antenne Bayern Soundgarage. Der Weg, aus einem erfolgreichen Stream ein Broadcastprogramm zu machen, liegt aus meiner Sicht nahe. Den werden wir gehen. Wir sehen, dass DAB+-Frequenzen an interessanten Standorten frei sind oder ausgeschrieben werden. In NRW haben wir zugegriffen, das Saarland nehmen wir noch dazu. Wir werden Anfang 2022 starten. In Sachsen werden wir uns bewerben, in Bayern dürften sich Möglichkeiten ergeben. Wir wollen also über die Regional-Muxe schnell technische Reichweite sammeln und dann auch einen MA-Ausweis generieren. Auf dem Sender laufen beispielsweise Hits aus den 50ern und 60ern. Das passt, denn wir sind der Meinung, dass DAB+ eine Technologie auch für eher konservative Zielgruppen ist. Wenn man auf die Nutzung schaut, findet diese – getrieben auch durch die Öffentlich-Rechtlichen – schwerpunktmäßig im Segment 40+ statt. Genau deshalb haben wir auch Antenne NRW etwas konservativer aufgestellt und dafür eben nicht das HotAC-Format von Antenne Bayern übernommen. Oldie Antenne richtet sich vom Format her also fast schon an Über-50-Jährige. Die werden immer mehr, immer kaufkräftiger und irgendwann wird die werberelevante Zielgruppe nicht mehr 14-49 sein, sondern 14-59. Wenn wir also sechs Monate weiterdenken, sind wir in NRW mit vier sich ergänzenden Broadcastprogrammen vertreten. Das wird spannend.

Mit Antenne Bayern, ihrer wichtigsten Marke, sind Sie programmlich zuletzt deutlich jünger geworden…

Kovac: Antenne Bayern generiert 60 Prozent Umsatz aus der Zielgruppe 14 bis 49 Jahre. Wir sind also förmlich gezwungen, möglichst viele Hörerinnen und Hörer dieses Alters zu haben. Ein bisschen jung, ein bisschen alt, das ging nicht mehr. 2019, als ich die Geschäftsführung übernommen habe, hatten wir Erkenntnisse darüber, dass sich das Programm von Antenne Bayern gesehen strategisch – nicht in der MA – in einem äußerst schwachen Zustand befand. Ich behaupte, wenn wir nicht reagiert hätten, wäre die Entwicklung noch dramatischer verlaufen. Die Pop-Sender des Bayerischen Rundfunks waren unserer Marktforschung zufolge steil auf dem Weg nach oben und Antenne Bayern steil auf dem Weg nach unten. Es ist zwischenzeitlich gelungen, den Rückgang der Reichweite zu stoppen. Aktuell sind wir mit dem, was wir hören, und mit dem, was wir aus unserer internen Marktforschung sehen, sehr zufrieden.

Sie haben damals gesagt, dass Sie Radio-Personalitys wieder fördern wollen. Um ehrlich zu sein, setzt Antenne Bayern aber gerade auf sehr kurze Wortbreaks. Wo hat Personality also noch Platz?

Kovac: In den 90ern hatte Radio sicherlich mehr Raum, um sich zu bewegen. Heute ist das Angebot, sei es durch Webradios oder Spotify, viel größer. Aber wir produzieren Podcasts zu den Themen Achtsamkeit, Crime und vielem mehr. Die Marke Antenne Bayern steht nicht mehr nur für das UKW-Programm. Heute wechseln die Hörerinnen und Hörer bei einem Fünf-Minuten-Break ganz schnell auf einen anderen Channel. Und dafür gibt es einen sehr guten Beleg. Unsere Soundgarage hat seit Mitte 2020 ungefähr 20 neue Webchannels gestartet. Welcher ist davon der erfolgreichste?

Ein Sender, der Antenne Bayern nur die Musik heißt, und das Antenne-Bayern-Programm ohne Wortinhalt spielt.

Kovac: So ist es. Wenn die Leute von irgendetwas genervt sind, schalten sie diesen Channel ein und haben exakt das Antenne Bayern-Musikprogramm, aber ohne Moderation, Nachrichten usw..

 

Eine so bekannte Radiopersonality wie beispielsweise Wolfgang Leikermoser gibt es in NRW nur wenige. Wir haben uns sehr genau umgehört. NRW hat keinen Moderator und keine Moderatorin, die die Hörerinnen und Hörer in NRW einfach aus dem Effeff benennen können. Julia Schutz

 

Schutz: Die Frage ist auch: Was verstehen wir unter dem „gutem, alten Radio“? Es sind doch Radiopersönlichkeiten, die wir kennen und lieben – oder die wir nicht lieben, aber dennoch kennen. Das ist etwas, das es in NRW nicht gibt. Eine so bekannte Radiopersonality wie beispielsweise Wolfgang Leikermoser gibt es in NRW nur wenige. Wir haben uns sehr genau umgehört. NRW hat keinen Moderator und keine Moderatorin, die die Hörerinnen und Hörer in NRW einfach aus dem Effeff benennen können. Wenn wir also gutes Radio machen wollen, dann haben wir nicht nur eine optimal kuratierte Playlist, sondern auch Persönlichkeiten am Mikro, die etwas zu sagen haben. Und da geht es mir nicht um Länge. Ich werde nicht mit der Uhr stoppen. Es geht um Relevanz, Sympathie, Glaubwürdigkeit und das Gefühl: Ist das einer von uns? Genau diese Menschen zu finden, war jüngst ein spannender Prozess. Ich freue mich neben allen anderen Kolleginnen und Kollegen über unseren künftigen Morgenmoderator Christian vom Hofe, der von sich aus gesagt hat, dabei sein zu wollen. Denn er möchte morgens für ein ganzes Bundesland da sein.

Sabine Heinrich, Thomas Bug, Olli Briesch und der Imhof sind nun aber beileibe keine Unbekannten. Nur setzen die WDR-Sender auf wöchentliche Rotation der Moderierenden. Sie bauen auf Kontinuität?

Schutz: Kontinuität ist im Markenaufbau wahnsinnig wichtig.

Danke für das Gespräch.