Das Aufatmen bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ist an diesem Donnerstagmorgen deutlich zu vernehmen: Die Verfassungsbeschwerden wegen der ausgebliebenen Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1. Januar 2021 waren auf ganzer Linie erfolgreich. Dass ihnen seit Jahresbeginn weniger Geld zufließt als zur Deckung ihres Bedarfs nach KEF-Vorstellung notwendig wäre, stellt demnach eine Verletzung der Rundfunkfreiheit dar.

Dass das Land Sachsen-Anhalt dem dazu nötigen Medienänderungsstaatsvertrag nicht zustimmte, weil die Abstimmung wegen einer fehlenden Mehrheit ganz abgeblasen wurde, war ein Verfassungsbruch. Das Verfassungsgericht bleibt dabei bei seiner schon in vergangenen Urteilen aufgestellten Linie: Eine Abweichung von der KEF-Empfehlung sei zwar möglich, aber nur in ganz bestimmten Ausnahmegründen. Und: Sie müsste von allen Bundesländern gemeinsam beschlossen werden, eine Blockade durch ein einzelnes Bundesland sei per se verfassungsrechtlich nicht erlaubt - was die Macht einzelner Länder, die mit einer Verweigerung der Zustimmung drohen, um teils standortpolitische Forderungen bei ARD und ZDF durchzudrücken, erheblich beschneidet.

Deutlich heißt es auch: "Programmliche und medienpolitische Zwecke scheiden in diesem Zusammenhang jedoch aus", heißt es. Genau solche hat Sachsen-Anhalt aber vorgebracht. "Der Vortrag des Landes Sachsen-Anhalt, dass es sich seit Jahren unter den Ländern vergeblich um eine Strukturreform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bemüht habe, rechtfertigt die Abweichung von der Feststellung des Finanzbedarfs nicht." Ein möglicher Grund könnte die "angemessene Belastung der Rundfunkteilnehmer" sein, hier hat Sachsen-Anhalt aber keinerlei Belege vorgelegt - und ein schlichter Verweis auf die Corona-Pandemie genügt hier in keinem Fall.

Während eine erfolgreiche Beschwerde im Allgemeinen mit Blick auf frühere Urteile erwartet worden war, wurde mit großer Spannung auch darauf geblickt, wie es nun weiter gehen soll - schließlich muss das gesamte Verfahren eines neuen Staatsvertrages nun erneut durchlaufen werden, was viel Zeit kostet. Die Verfassungsrichter entschieden sich, die ausgebliebene Erhöhung des Rundfunkbeitrags daher vorläufig mit Wirkung zum 20. Juli in Kraft zu setzen. Damit steigt der Rundfunkbeitrag nun also sofort von 17,50 auf 18,36 Euro.

Eine rückwirkende Erhöhung des Beitrags für das erste Halbjahr 2021 gibt es aber nicht. Gleichwohl heißt es vom Verfassungsgericht, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio eine Kompensation für die ausgebliebenen Einnahmen zusteht. Sprich: Der Beitrag muss nun unter Beteiligung der unabhängigen Kommission KEF neu festgesetzt werden und könnte dann noch geringfügig höher ausfallen als die 18,36 Euro. Dabei seien auch der Mehrbedarf durch Verschiebung von Investitionen oder die höheren Kosten durch den Griff in Reserven oder die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu berücksichtigen. Zugleich bleibe es aber auch Aufgabe, die "Zumutbarkeit von Beitragserhöhungen für die Bürgerinnen und Bürger im Blick zu behalten".

Für die Öffentlich-Rechtlichen ist das Urteil ein Sieg auf ganzer Linie - zumal die Richter in ihrem Urteil noch einmal die Bedeutung der Öffentlich-Rechtlichen explizit in der heutigen Zeit unterstrichen und damit klar machten, dass sie auch in Zukunft kaum an deren Existenz rütteln möchten. Wörtlich heißt es: "Dabei wächst die Bedeutung der dem beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen, die Fakten und Meinungen auseinanderhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken, vielmehr ein vielfaltsicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht zu bilden. Dies gilt gerade in Zeiten vermehrten komplexen Informationsaufkommens einerseits und von einseitigen Darstellungen, Filterblasen, Fake News, Deep Fakes andererseits."

Mehr zum Thema