Eine Aggregator-App zu launchen, die etliche miteinander konkurrierende Streaming-Dienste bündelt, ist mitnichten eine triviale Aufgabe. So muss man wohl Verständnis dafür haben, dass ScreenHits TV seine eigene Zeitplanung mehrfach gerissen hat – erst beim Verhandeln, dann bei der technischen Einbindung. Ursprünglich wollte das britische Unternehmen "gegen Ende des ersten Quartals" in Deutschland an den Start gehen (DWDL.de berichtete), zuletzt war Ende Juli angepeilt. Tatsächlich hat das Angebot am Dienstag mit einem stillen Soft Launch seine Pforten geöffnet.

Wer sich aus Deutschland bei ScreenHits TV anmeldet, bekommt derzeit noch ein Pop-up angezeigt, das auf den etwas rudimentären Anfangszustand hinweist: "Wir werden über die kommenden Tage weitere Tausende Filme und Serien unserer Content-Partner in unser Streaming-Angebot einfügen." Fünf Dienste sind zum Start auf der Plattform verfügbar: Netflix, Disney+, Amazon Prime Video, Starzplay und Joyn. Mit Ausnahme von Joyn sind diese bereits ScreenHits-Partner in den USA und Großbritannien, wo der Aggregator seit einem halben Jahr im Regelbetrieb ist.

"Nicht jeder Partner ist gleich vom ersten Tag an auf der Plattform. Wir gehen davon aus, dass es kontinuierliche Updates geben wird", sagt Ramy Nasser, der bei ScreenHits unlängst zum Senior Vice President, Corporate Development & Partnerships befördert wurde. "Der technische Rückstau bei den meisten Streaming-Anbietern ist nicht zu unterschätzen. Und auch unser Team hat einen gehörigen technischen Aufwand zu bewältigen, wenn die Kooperation erst einmal geschlossen ist. Es gibt so viele Metadaten, die alle korrekt eingepflegt werden müssen. Die jeweiligen Links für Fire TV, Chromecast oder den Desktop-Browser sind alle unterschiedlich und müssen eigenständig für jeden Partner programmiert werden."

Angesichts steigender Streaming-Abozahlen lockt ScreenHits im ersten Schritt mit mehr Bequemlichkeit, im zweiten mit vergünstigten Preisen. Wer bei einem oder mehreren der teilnehmenden Dienste bestehende Abos hat, kann diese mit seinem ScreenHits-Account verknüpfen und dann das gesamte Programmangebot auf einer einzigen Plattform nutzen. Neue Abos bei den Partnern können künftig über ScreenHits abgeschlossen werden, teils zu speziell ausgehandelten Sonderkonditionen, mit Cashback-Aktionen oder in exklusiven Paketen. Laut Nasser werden in Kürze weitere Partner auf der Plattform auftauchen, etwa Cirkus, der SVoD-Anbieter für britische und skandinavische Krimiserien, BluTV mit einer Auswahl türkischer Fiction, ein Kinderangebot von Your Family Entertainment oder Deluxe Music.

Rose Adkins Hulse, Ramy Nasser © ScreenHits TV "Sorgsam kuratiert": Rose Adkins Hulse und Ramy Nasser bündeln Streaming-Dienste in ihrer App
Auch wenn ScreenHits die Mediengruppe RTL Deutschland bislang nicht erwähnt, gibt es dem Vernehmen nach Gespräche über eine Einbindung von TV Now, dem künftigen RTL+. Im US-Angebot von ScreenHits finden sich gegenwärtig 32 Content-Partner, darunter HBO Max, Hulu, Showtime oder AMC; in Großbritannien sind zwölf Partner an Bord, darunter ITV Hub, All 4 oder Now TV von Sky. "Unser Ziel war nie, alles anzubieten, was im Markt verfügbar ist", sagt Rose Adkins Hulse, Gründerin und CEO von ScreenHits, im Gespräch mit dem Medienmagazin DWDL.de. "Wir verfolgen einen sorgsam kuratierten Ansatz und wählen für jeden Markt die besten internationalen und die besten lokalen Player aus. Wir werden niemals mehr als 50 SVoD- oder AVoD-Partner auf unserer Plattform haben."

ScreenHits bietet den Zugang via Desktop-Browser kostenlos an, für die Nutzung der App fällt ein monatliches Basisabo zu 0,99 Euro an. Vorerst gibt es nur eine iOS-App fürs iPad; voraussichtlich im Oktober soll eine Smart-TV-App für Geräte des bayerischen Herstellers Metz hinzukommen, später im Herbst oder Winter auch eine für Samsung. Damit hält sich der Komfort der Plattform fürs Erste in Grenzen: Da ScreenHits selbst keine Inhalte hostet, sondern zum jeweiligen Anbieter weiterleitet, öffnet sich zunächst zusätzlich die jeweilige App von Netflix, Disney+ & Co., von der aus man dann via Chromecast oder Fire TV auf den Fernseher streamen kann. Für die meisten Nutzer dürfte das Modell erst mit einer komfortablen Smart-TV-Lösung interessant werden.

Dennoch erfährt Adkins Hulse nach eigenen Angaben eine Menge an Zuspruch aus der Branche: "Wir schätzen uns glücklich, dass die Medienindustrie den Wert unseres Produkts sieht und unsere Plattform unterstützt. Die Entscheider der Top-Studios und Streaming-Plattformen haben die enormen Chancen der Aggregation verstanden. Sie wollen da sein, wo die Konsumenten sind, und sie wollen sichergehen, dass ihr Content immer leicht auffindbar ist." Selbst wenn man davon ausgehen darf, dass jedem einzelnen Anbieter am liebsten wäre, alle Konsumenten würden seine Plattform direkt nutzen, so sorgt die fortschreitende Fragmentierung des Streaming-Markts doch für zunehmende Bereitschaft zur Bündelung – selbst bei den größten Playern. Zudem könnten sie in Zukunft auch von Nutzungsdaten profitieren, die ScreenHits mit seinen Content-Partnern teilt, um die Attraktivität der eigenen Programme in Relation zu jenen der Konkurrenz genauer einzuschätzen.

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