Thomas Fuhrmann © ZDF/Thomas Kierok Thomas Fuhrmann
Wenn am Freitag ab 13 Uhr deutscher Zeit die Eröffnungsfeier der Olympischen Sommerspiele in Tokio übertragen wird, startet somit auch offiziell das zweite große Sportereignis dieser Wochen – zwölf Tage nach dem Fußball-EM-Finale in London. Doch schon bevor es losgeht, ist eines klar: Die um ein Jahr nach hinten geschobenen Sommerspiele sind umstritten. Vor einigen Tagen protestierten mehrere amerikanische Zeitungsverlage und machten ihren Unmut über strenge Corona-Regeln vor Ort publik. Sie monierten eine Einschränkung der Pressefreiheit, weil sich Berichterstattende in Tokio voraussichtlich nicht frei bewegen können, sondern nur zwischen Hotel und Sportstätten hin und her pendeln, quasi in ihren Blasen verbleiben. 

Das wird auch die Berichterstattungsmöglichkeiten der deutschen TV-Sender beeinträchtigen. Diese Sommerspiele sind das zweite olympische Turnier in Folge, an dem Eurosport über seine Mutter Discovery umfangreiche Rechte hält. Über Sublizenzen dürfen auch ARD und ZDF senden. ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann sagt gegenüber DWDL.de: "Wir bemühen uns um eine umfangreiche Rahmenberichterstattung, wie Sie es vom ZDF bei anderen Olympischen Spielen gewohnt sind. Inwieweit das durch die Einschränkungen möglich ist, werden wir erst vor Ort richtig beurteilen können." Erst an den ersten Tagen des Events wird zudem festzustellen sein, wie sich Olympische Spiele in Coronazeiten anfühlen. Fans in den Stadien sind nämlich nicht zugelassen. "Wir bilden die Realität ab, wir zeigen, was ist", verspricht Fuhrmann. 

Das Herz schlägt in Mainz

Das ZDF-Sendekonzept für Olympia im Jahr 2021 sei inzwischen mehrfach angepasst worden. Direkt vor Ort in Tokio werden rund 180 Menschen für das ZDF arbeiten, in Mainz sind es etwa doppelt so viele. "Programmlich schlägt das Herz der Olympischen Sommerspiele in Mainz", sagt der Sportchef des Mainzer Sender. On Air wird sich das im ZDF nicht so sehr bemerkbar machen, denn Rudi Cerne und Katrin Müller-Hohenstein begrüßen das Publikum aus einem Glasstudio an der Tokyo Bay. Auf dieser Präsentationsfläche mit Blick auf die Rainbow Bridge und das Olympische Dorf sind Interviews und Anmoderationen kommender Events geplant. Auch Das Erste nutzt dieses Studio, in dem an den ARD-Tagen Jessy Wellmer und Alexander Bommes arbeiten.

Vorfreude ist also auch in den Reihen der ARD zu spüren. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky sagt vor dem Start der Olympischen Spiele zu DWDL.de: "Für die Sportlerinnen und Sportler, die sich jetzt fünf Jahre auf die Olympischen Spiele vorbereitet und trainiert haben, ist es sicherlich schön, dass das Großereignis nun doch mit einem Jahr Verspätung stattfinden kann. Nach den langen Jahren der Vorbereitungen, die auch ARD und ZDF in die Berichterstattung aus Tokio investiert haben, freuen wir uns aber natürlich auch, dass unsere Planungen nun umgesetzt werden können." Der TV-Manager weiß aber auch um die enormen Schwierigkeiten, die in den kommenden Tagen zu erwarten sind. Für alle, die in Tokio vor Ort arbeiten, seien es Spiele mit täglichen Testungen, intensiven Quarantäneregeln, der stark eingeschränkten Bewegungsfreiheit und wenig direktem Kontakt zu Athletinnen und Athleten. Kurzum. "Es sind ganz andere Bedingungen vor Ort als es in der Vergangenheit der Fall war." Balkausky kündigt darüber hinaus eine offene Kommunikation an, wenn es Einschränkungen und dadurch Schwierigkeiten geben sollte.

Umfangreiches Webstream-Angebot von ARD und ZDF

Axel Balkausky © ARD/Ralf Wilschewski Axel Balkausky
Sowohl ARD als auch das ZDF werden ausführlich im klassischen Fernsehen berichten. Allein 140 Sendestunden sind im Ersten geplant, viel umfassender noch werden die Wettbewerbe in Internetstreams begleitet. Neben dem ARD-Livestream können die Sportfans im sogenannten Livecenter bis zu zehn parallele, webexklusive Livestreams verfolgen – es ist das umfangreichste Webangebot der "Sportschau" aller Zeiten. Auch das ZDF setzt so stark wie noch nie auf Livestreams. Gebündelte Höhepunkte zur besseren Übersicht, zusammenfassende "Kompakt"-Clips und ebenfalls bis zu zehn Event-Livestreams werden produziert. Fuhrmann: "Wer also tagsüber komplette Wettbewerbe verpasst hat, findet sie rund um die Uhr auf sportstudio.de und in der ZDF-Mediathek. Zusätzlich wird hier der neue Highlight-Player für ein besonderes Nutzerlebnis sorgen, denn die Nutzer und Nutzerinnen können sich bei ausgewählten Wettbewerben sowohl im Livestream als auch hinterher „on demand“ zu den entscheidenden Szenen navigieren. Sprungmarken erleichtern dabei den Einstieg zu Gold, Silber und Bronze und Szenen mit deutschen Athleten und Athletinnen", sagt der Sportchef und findet, man werde damit den veränderten Nutzungsgewohnheiten gerecht.

Highlights dürften bei den Spielen wichtig werden. Der "Olympia-Tag" startet wegen der Zeitverschiebung in Deutschland um kurz nach Mitternacht und endet nachmittags. Heißt auch: Kein Livesport in der Fernsehprimetime.

Die Spiele stark ins Digitale verlagert hat auch Eurosport. Wie schon 2018, bei den damaligen Winterspielen, werde beim Sender das Ziel verfolgt, die Olympischen Spiele in Sachen digitaler Verbreitung "auf eine neue Ebene" zu heben, wie es heißt. Und so legt sich Eurosport abseits des klassischen Fernsehens mächtig ins Zeug und verspricht für die kommenden Tage extra Highlight-Clips auf Abruf, kuratierten Content, News auf der eigenen Homepage, eigene Online-Shows und spezielle Inhalte für TikTok, Instagram, Snapchat sowie Twitter. Auf JoynPlus+ wiederum sollen sich bis zu 27 parallele Livestreams anwählen lassen. Das sei eine "lückenlose" Übertragung der Wettkämpfe, sagt der Sender.

Im Fokus stehe für Eurosport, das als internationaler Partner des International Olympic Committee (IOC) fungiert, letztlich die Gesamtreichweite. Und dennoch sind einige programmliche Veränderungen wohl eine Folge der Erfahrungen aus 2018, als die Winterspiele in Südkorea stattfanden. Recht unverblümt sagte Susanne Aigner-Drews damals im DWDL.de-Interview: "Wir wollten in Europa mehr Menschen als je zuvor für die Olympischen Spiele begeistern - linear und on demand. Das haben wir geschafft. Wir freuen uns auch, dass das inhaltliche Feedback auf unsere Berichterstattung ausgesprochen positiv war, aber nichtsdestotrotz hätten wir uns für unsere lineare Berichterstattung mehr Zuschauer gewünscht." 

Die linearen Ergebnisse im Februar 2018 sprachen nämlich eine schon eindeutige Sprache. Der Monat war für Eurosport mit 0,8 Prozent insgesamt und 0,6 Prozent der erfolgreichste des Jahres. Allerdings war er nicht absolut außergewöhnlich erfolgreich, im September 2020 nämlich wurden exakt die gleichen Werte ermittelt – damals mit der Tour de France als programmliches Highlight. Noch deutlicher fielen die Zahlen mit Blick auf den Frauensender TLC aus, der 2018 ebenfalls die Olympischen Spiele übertrug. Mit 0,2 Prozent Monatsmarktanteil bei allen Zuschauenden und 0,3 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen war der Olympia-Monat der schlechteste des Jahres – er lag um die Hälfte unter dem letztlichen Jahresschnitt in beiden Gruppen. Entsprechend konsequent ist es, dass im Linearen die Spiele 2021 nur bei Eurosport laufen.

Eine frühe Late-Night-Show

Gernot Bauer © Discovery Gernot Bauer
Zudem verzichtet Eurosport nach dem Primetime-Show-Event "zwanzig18" auf den nächsten ganz großen Showaufschlag, sendet diesmal nach Ende der Wettbewerbe stattdessen zwei Mal pro Tag "Big in Japan". Um 17 Uhr ist eine Olympia-Show geplant, um 21:15 Uhr eine (ziemlich frühe) Late-Night-Sendung. Fabian Hambüchen und Gerhard Leinauer führen darin durch die Highlights. Gernot Bauer, Head of Sports bei Eurosport, stellt sich die Sendung so vor: "Hier bekommst du kompakt und kurzweilig alles, was du über den Olympia-Tag wissen musst. Wir zeigen die Highlights, schalten zu den Athleten und analysieren das Geschehen in Tokyo mit unserem namhaften Experten-Team. Die Show ist der Link zwischen dem Live und den Non-Live-Sendestrecken und läutet unsere Berichterstattung für all diejenigen ein, die die Olympia-Action tagsüber nicht live verfolgen konnten." Die 21:15-Uhr-Sendung solle zudem "etwas bunter" werden – mit mehr Gästen, mehr Entertainment und dafür weniger Analysen. Anders als noch 2018 ist eine Show direkt aus dem deutschen Haus im olympischen Dorf diesmal nicht möglich. Bauer ist – bezogen auf "Big in Japan" – dennoch optimistisch:

"Das ist die perfekte Show, um Olympia mit einem Glas Wein noch einmal zu genießen", sagt Bauer über das Format, das aus dem Green-Screen-Studio in Unterföhring kommen wird. Der Standort Unterföhring biete letztlich den Vorteil, auf alle ebenfalls in Deutschland arbeitenden Expertinnen und Experten zurückgreifen zu können. Knapp 90 Prozent der deutschen Berichterstattung von Eurosport kommen aus Unterföhring bei München. Den Rest liefert das kleine Team vor Ort, genutzt werden sollen auch Synergien, die durch Zusammenarbeit mit internationalem Eurosport-Personal entstehen. Modernste Technik soll das Gefühl von Entfernung minimieren – im virtuellen Studio, dem Eurosport Cube, ist es beispielsweise möglich, Gesprächspartner ins Set zu teleportieren – es ist Virtual Reality. Nähe, so sagt Bauer, sei letztlich eben keine Frage der Entfernung.

Eurosport überträgt jede Nacht ab ein Uhr, ab neun Uhr setzt der Sender auf eine "dynamische und unkonventionelle" Konferenz, die "Medal Zone" mit den Hosts Oliver Sequenz, Anna Kraft, Birgit Nössing und Wolfgang Nadvornik. Die deutschen Sender also scheinen vorbereitet, die Sportlerinnen und Sportler auch. Fragen bleiben freilich: Sie alle hängen mehr oder weniger mit Corona und auch vor Ort steigenden Infektionszahlen zusammen. Geht alles glatt, werden in 33 Sportarten 339 Siegerinnen und Sieger gekürt – aus über 10000 Teilnehmenden. Gegenüber den vergangenen Sommerspielen sind es 33 zusätzliche Wettbewerbe. Denn es gibt neue Sportarten: Baseball/Softball, Karate, Sportklettern, Skateboard und Surfen.