Herr Behroz, what the fuck happened to Ken Jebsen? So heißt der Podcast, in dem Sie sich mit Ken Jebsen beschäftigen. Kann man die Frage in wenigen Sätzen zusammenfassen?

Khesrau Behroz: Nein! Deshalb brauchen wir sechs Podcast-Episoden dafür. Es gibt keine einfache Antwort auf diese Frage. Wir haben versucht, mehrere WTF-Momente festzustellen und nachzuerzählen. Eine ist beispielsweise der 11. September und wie er in die Theorie, die Anschläge seien ein "Inside Job" gewesen, langsam reinkommt.

Wie ist die Idee zum Podcast entstanden?

Die Idee entstand bei Studio Bummens, ich glaube, Tobi Bauckhage war es, der den Stein ins Rollen gebracht hat. Wir hatten da gemeinsam schon an einem anderen Podcast gearbeitet mit der K2H und waren auf der Suche nach dem nächsten Thema. Das war etwa nach dem ersten Lockdown, als die Querdenken-Bewegung schon relativ groß war und Leute auf die Straße gegangen sind. Ken Jebsen war eine Figur, die dort immer wieder aufgetaucht ist. Als wir überlegt haben, was wir dazu machen wollen, ist uns der Name Ken Jebsen hängengeblieben. Da haben wir uns gefragt, was der plötzlich auf diesen Demos macht. Viele kennen ihn ja noch als Radiomoderator. Und das war für uns die Initialzündung zu sagen, dass bestimmt eine größere Geschichte dahinter steckt.

Was ist Ihre erste Erinnerung an Ken Jebsen?

Mir ist Ken Jebsen erstmals während dieser Demonstrationen aufgefallen. Als ehemaligen Radiomoderator kannte ich ihn überhaupt nicht.

Mit wie viel Vorlauf sind die Folgen des Podcasts entstanden und wie kurzfristig sind auch neue Erkenntnisse eingeflossen?

Wir waren da flexibel und iterativ unterwegs. Das heißt, dass wir immer gearbeitet haben an den Skripten und auch versucht haben, aktuelle Entwicklungen mit einfließen zu lassen. Wenn wir Gespräche mit neuen Personen geführt haben, mussten wir danach überlegen, in welche Folge das reinpassen könnte. Und so lange noch Zeit war, haben wir das auch kurzfristig noch gemacht. Wir haben die Skripte immer wieder diskutiert und auch neu angeordnet. Manchmal haben wir auch ganze Skripte umgeschmissen und neu geschrieben. Das ist in einem solchen Prozess ganz natürlich.

Über den Podcast

  • "Cui Bono?", ist ein oft gehörter Spruch unter Verschwörungstheoretikern. "Wem zum Vorteil?", fragen sie damit. Die Macherinnen und Macher von "Cui Bono - WTF happened to Ken Jebsen?" drehen den Spieß mit dem Podcast um und blicken in sechs Folgen in die Welt des ehemaligen Radiomoderators Ken Jebsen. Nach seinem Rausschmiss beim RBB vor rund zehn Jahren gehört er mittlerweile zu den einflussreichsten Verschwörungstheoretikern Deutschlands. Darum, und um seine Verbindungen nach Russland und die schleichende Radikalisierung, geht es in dem Format.

Da dürfte es geholfen haben, dass der Podcast wöchentlich erscheint?

Die wöchentliche Erscheinungsweise hat nicht allen Hörerinnen und Hörern gefallen. Wir haben die Zeit zwischen den Veröffentlichungen aber genutzt, um an den Skripten und dem Podcast weiterzuarbeiten, um auch aktuelle Entwicklungen oder neue Gespräche mit aufzunehmen.

Was waren aktuelle Ereignisse, die noch kurzfristig eingeflossen sind?

In der letzten Ausgabe kommen wir darauf zu sprechen, dass Ken Jebsen nach langer Abstinenz wieder mal ein Video veröffentlicht hat. Das haben wir kurzfristig mit aufgenommen und schauen, was er nach all der Zeit zu sagen hat. Eine andere Sache, die zwischenzeitlich passiert ist, war der Anonymous-Hack auf die Webseite von Jebsen. Auch das haben wir uns angesehen, letztlich aber entschieden, dass der Erkenntnisgewinn aus dem Hack nicht so wahnsinnig groß ist. Deswegen kommt er nicht so groß im Podcast vor, es gibt aber eine Stelle, an der wir ihn kurz erwähnen.

Es wird immer wieder erwähnt, dass Ken Jebsen für ein Interview oder Stellungnahmen angefragt wurde. Er hat sich aber nie gemeldet. Das ist auch bislang noch so?

Ken Jebsen hat auf meine Anfragen nie reagiert. Und es waren ziemlich viele, so haben wir ihn für ein Interview angefragt, aber wir haben ihn auch immer mit Dingen konfrontiert, die wir während unseren Recherchen festgestellt haben. Aber er hat nie reagiert.

Es gab auch nie Post von Anwälten?

Auch von Ken Jebsens Anwälten haben wir nichts gehört.

Wie schwer war es, ehemalige Weggefährten für ein Interview zu bekommen? Gab es Vorbehalte?

Wir haben viele ehemalige Weggefährtinnen und Weggefährten gefunden und wir haben auch viele von ihnen kontaktiert. Einige von ihnen wollten nicht mit uns sprechen und das mussten wir natürlich respektieren. Es gibt auch Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner, die zunächst zugesagt und das später wieder zurückgezogen haben. Über die Gründe kann ich nur spekulieren, da weiß ich selbst nicht so genau, was die Leute antreibt, ein Gespräch abzusagen. Andere haben mit uns gesprochen. Aber es gibt da vielleicht ein Missverständnis...

Nämlich?

Dass mehrere Ex-Mitarbeitende von Ken Jebsen bei Studio Bummens arbeiten. Dem ist nicht so. Lediglich ein Toningenieur von Studio Bummens kommt im Podcast vor und der ist auch ein ehemaliger KenFM-Mitarbeiter gewesen. Jetzt, also nach der Veröffentlichung, haben sich auch noch einmal ganz viele Leute gemeldet, die wir gar nicht im Blick hatten. Das kam alles etwas spät und ist die Crux eines Projekts, das wir quasi unter einem Deckmantel produziert haben. Wir hatten ja nichts öffentlich kommuniziert.

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Wäre es im Nachhinein besser gewesen, die Recherchen öffentlich zu machen, weil man so vielleicht an noch mehr Personen gekommen wäre, die mit Jebsen früher in Kontakt standen?

Alles hat Vor- und Nachteile. Ich bin mit unserer Vorgehensweise zufrieden.

Was haben Sie während der ganzen Zeit einerseits über Jebsen, andererseits auch über seine Community gelernt?

Über Ken Jebsen haben wir extrem viel gelernt, das hört man hoffentlich in jeder Episode ein Stück mehr. Für uns war das im Grunde genommen ein Rabbit Hole. Wir sind in einen Kaninchenbau gestiegen. Ken Jebsen hat wahnsinnig viel produziert und wir haben uns sehr viel davon angesehen und angehört. Und alles, was man über Ken Jebsen lernt, lernt man auch ein Stück weit über seine Community. Weil Jebsen auch oft auf seine Community reagiert und versucht, mit ihr umzugehen. Wir beschreiben in dem Podcast auch, opportunistische Situationen, in denen Jebsen mehr oder weniger direkt auf Feedback reagiert.

Wie waren die Reaktionen aus der Community von Ken Jebsen? Sie haben vermutlich einige Drohungen und Beleidigungen bekommen.

Ach ja, ich habe auf jeden Fall ein paar nette Mails erhalten (lacht). Aber keine Morddrohungen, sondern eher sehr wütende Mails, in denen versucht wird, Ken Jebsen zu verteidigen. In den Podcast-Rezensionen sieht man zum Beispiel auch einige Menschen, die sich an bestimmten Dingen stören, die müssen aber nicht zwangsläufig aus der Community von Ken Jebsen stammen. Da gab es beispielsweise viele Beschwerden darüber, dass wir Gendern. Ansonsten habe ich das Gefühl, dass sich die aggressiven Reaktionen glücklicherweise im Zaum gehalten haben. Wir haben keinen Shitstorm erlebt.

Freut sich Ken Jebsen vielleicht über die ganzen Schlagzeilen, die es durch den Podcast rund um ihn gab?

Ich kann da nur mutmaßen, da er ja nicht mit uns gesprochen hat und das so schnell wohl auch nicht tun wird. Ich glaube nicht, dass sich Ken Jebsen darüber freut. Weil es eine Berichterstattung ist, in der er kein Narrativ hat. Er ist nicht in einer Situation, in der er in das Narrativ eingreifen kann. Es ist eine Geschichte, die wir erzählen. Und die ist journalistisch. Das ist für ihn nicht die optimale Situation, weil er sich gerne in Kontrolle wähnt. Das ist zumindest mein Gefühl. Aber auch das ist die Crux einer solchen Geschichte. Wenn wir über Aufstieg und Fall eines Verschwörungstheoretikers sprechen und darüber, wie so etwas passieren kann und was die gesellschaftlichen Auswirkungen sind, dann müssen wir diese Person beim Namen nennen. Das ist nicht wie bei Harry Potter, wo man den einen Namen nie aussprechen darf. Bei uns fällt der Name und dadurch bekommt er zwangsläufig eine gewisse Reichweite.

Inwiefern ist das ein Problem?

Durch unser journalistisches Narrativ und durch unsere Erzählweise ist das etwas, womit wir gut leben können.

Über Khesrau Behroz

  • Khesrau Behroz arbeitet als Journalist und Autor, unter anderem für die Berliner Produktionsfirma K2H. Er entwickelt, schreibt und produziert Podcasts. Außerdem ist er Mitherausgeber und Chefredakteur des Gesellschaftsmagazins ROM. Geboren 1987 in Kabul, studierte er Kommunikationswissenschaft und Literaturwissenschaften an der Freien Universität in Berlin und der NYU in New York.

Mit NDR, RBB, Studio Bummens und K2H saßen relativ viele Unternehmen, und damit ja auch Personen, mit im Boot bei der Produktion. Kam es da nicht auch zu Reibereien und viel Abstimmungsaufwand?

Es gab Reibereien und Abstimmungsaufwand, das ist in einem solchen Projekt aber normal. Übrigens gab es das nicht nur zwischen den Unternehmen, sondern auch innerhalb des Kern-Teams. In der Redaktion haben wir gewisse Sachen sehr intensiv besprochen und mussten Entscheidungen treffen. Was kommt ins Skript? Welche Interviews nehmen wir auf? Natürlich ist der Abstimmungsaufwand relativ hoch, das haben wir so aber erwartet. Ich habe das als einen sehr produktiven und manchmal emotionalen Austausch wahrgenommen, der dem Podcast am Ende gut getan hat.

Wie konfliktbehaftet war die Zusammenarbeit mit dem RBB? Im Podcast selbst wird immer wieder betont, dass der Sender bei Folge zwei nicht mit an Bord war, weil er vor Jahren eine Verschwiegenheitserklärung mit Ken Jebsen unterzeichnet hatte.

Das war überhaupt nicht konfliktbehaftet. Wir haben den RBB behandelt wie alle anderen auch. Ich habe eine Interviewanfrage und einen Fragenkatalog geschickt, der RBB hat mit Verweis auf die Verschwiegenheitserklärung aber erklärt, dass man darauf nicht antworten könne. Das war in Ordnung für mich. Wir haben dann als Redaktion weiter gesucht und versucht mit Menschen zu sprechen, die uns die vorhandenen Lücken füllen können.

Bei Twitter habe ich von Kritik gelesen, weil im Podcast das Wort "Verschwörungstheorie" genutzt wird. Das sei nicht mehr zeitgemäß. Warum haben Sie sich trotzdem dafür entschieden?

Wir haben uns in erster Linie für den Begriff entschieden, weil er am weitesten verbreitet ist. Nicht nur im wissenschaftlichen Raum, sondern auch bei unseren Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern. Wir wollten da Klarheit im Podcast haben und nicht mit fünf verschiedenen Begriffen um uns werfen.

Sie haben schon gesagt, dass Sie nicht daran glauben, bald mit Ken Jebsen sprechen zu können. Dennoch: Was würden Sie ihn gerne fragen?

Erstmal würde ich ihn mit den Dingen konfrontieren, die wir im Podcast ansprechen. Da würde ich ihm gerne die Gelegenheit geben, zu reagieren. Diese Sorgfaltspflicht würde ich gerne erfüllen. Und dann bin ich in vielerlei Hinsicht neugierig. Sollte ein offenes Gespräch möglich sein, also fernab von Rhetorik, dann habe ich viele Fragen. Ich würde gerne wissen, was die Dinge, die wir als Bruchmomente beschreiben, in ihm verändert haben. Was hat ihm am 11. September gereizt, dass er das so emotional aufgenommen hat? Wie tief saß die Verletzung, als er vom RBB rausgeschmissen wurde? Herr Jebsen wollte früher auch Fernsehmoderator werden und hat sich als den nächsten Thomas Gottschalk gesehen. Er hatte auch mal eine Late-Night-Show, die aber nicht funktioniert hat und schnell wieder weg war. Mich interessiert, was das mit ihm angestellt hat.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Behroz!

Alle sechs Ausgaben von "Cui Bono - WTF happened to Ken Jebsen?" gibt's in der ARD Audiothek und überall dort, wo es Podcasts gibt.