Herr Münzner, wo steht Joyn heute?

Thomas Münzner: Joyn ist noch immer eine junge Plattform, die sich als Aggregator versteht. Als solcher sind wir weiterhin offen für Partnerschaften. In den letzten Jahren haben wir bereits gute Schritte gemacht, um uns in diesem umkämpften Markt zu positionieren. Uns ist es gelungen, eine Nische zu finden, in der wir vor allem junge Nutzerinnen und Nutzer ansprechen. Dabei helfen uns unsere Shareholder ProSiebenSat.1 und Discovery mit ihren Formaten ebenso wie unsere Eigenproduktionen. Dabei fokussieren wir uns auf unsere Kernkompetenzen und möchten nun insbesondere unser Free-Angebot für eine lokale, junge Zielgruppe stärken.

Welche Rolle spielen dabei Influencer?

Münzner: Es hat ja in der Vergangenheit schon viele Versuche gegeben, Influencer ins TV zu bringen, was ein einigen Fällen dann nicht so gut funktioniert hat. Wir sind dagegen eine Plattform, die beide Welten miteinander verbinden kann. Wir schließen die Lücke zwischen YouTube und klassischem TV. Natürlich achten wir dabei auf Leute, die eine große Reichweite mitbringen. In erster Linie gehen wir jedoch nach Talent. Auf diese Weise haben wir auch Mark Filatov gefunden, der uns nicht nur mit seiner Rolle Slavik begeistert hat, sondern auch mit seinem Perfektionismus.

Wie genau haben Sie zusammengefunden, Herr Filatov?

Mark Filatov: Ich wollte einen Partner finden, mit dem ich die Fernsehwelt erobern kann, und die Kolleginnen und Kollegen bei Joyn waren die ersten, die mir vertraut haben. Der Comedypreis, den wir im vergangenen Jahr für „Slavik - Auf Staats Nacken“ bekamen, bedeutet mir deshalb echt viel. Ich habe immer daran geglaubt, aber es war am Anfang schwer, jemanden zu finden, der das Potenzial ebenfalls sieht. Umso mehr freue ich, dass daraus jetzt eine noch engere Zusammenarbeit entstanden ist.

Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?

Filatov: Konkret sind zunächst drei Piloten geplant, die wir bereits abgedreht haben. Die Online-Community von Joyn und mir kann ab dem 2. Juli darüber abstimmen, was davon in Serie gehen soll.

Münzner: Entstanden sind drei sehr unterschiedliche Piloten, in denen unsere Nutzerinnen und Nutzer Slavik in ganz unterschiedlichen Facetten erleben können. Wir sind dadurch in der Lage, viel auszuprobieren und erhalten gleichzeitig ein unmittelbares Feedback, weil Mark über eine interaktive Community verfügt. Im nächsten Jahr planen wir darüber hinaus zwei weitere gemeinsame Formate, zu denen ich jetzt noch nichts genau sagen kann.

"Bei allem, was ich mache, ist es mir wichtig, den Leuten etwas mitzugeben."
Mark Filatov


Um welche Formate geht es jetzt bei dem Voting?

Filatov: Das erste Format orientiert sich am bekannten Stanford-Prison-Experiment und hat gar nicht so viele Comedy-Elemente, dafür umso mehr wissenschaftliche Aspekte. Slavik betreut darin als eigenwilliger Gefängnisdirektor zusammen mit einer Verhaltenspsychologin eine Neuauflage dieses Experiments, für das zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Gruppen von Gefangenen und Wärtern aufgeteilt werden und eine Woche im Knast überstehen müssen. Das zweite Format ähnelt mehr dem, was man von mir kennt, und hört auf den Namen „Die Schule des Slavik“. Darin spricht Slavik mit supererfolgreichen Menschen, bevor er selbst Tipps gibt, wie man erfolgreich wird. Als drittes machen wir die „Nicht-Erregen-Show“, in der Slavik gemeinsam mit einer Sexualwissenschaftlerin die menschliche Sexualität untersucht. In einem Experiment geht es um die Frage, wie schnell Menschen erregt werden, bevor sie es bewusst wahrnehmen. Das ist sehr interessant, welche Prozesse im Inneren ablaufen.

Klingt ziemlich ernsthaft.

Filatov: In der heutigen Zeit gibt es so viel Sex und Pornos bei Jugendlichen und jungen Erwachsen, aber kaum gute Aufklärungsfilme. Und wenn, dann steht meist irgendein Professor an einer Tafel und redet langweiliges Zeug. Ich habe dagegen den Zugriff auf diese Gruppe und will meine Reichweite nutzen. Bei allem, was ich mache, ist es mir wichtig, den Leuten etwas mitzugeben, aber eben verpackt mit Comedy-Elementen.

Woher kommt Ihre kreative Ader?

Filatov: Es ist vielleicht einfach der Drang, die Leute aus ihrer Welt herauszuholen. Aber das mache ich ja nicht alleine, sondern zusammen mit einem großen Team, zu dem auch Leonine Studios gehört. Dazu kommt ein Autor aus Russland, mit dem ich schon lange zusammenarbeite. Der ist eigentlich gar kein Autor, sondern hat mal für die Caritas gearbeitet. Ich mag es, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die nicht aus diesem Bereich sind, weil die ein ganz anderes Denken mitbringen.

Weil Sie gerade Leonine Studios ansprachen. Wie kam diese Verbindung zustande?

Filatov: Das war ein langer Prozess. Mir war es wichtig, im ersten Schritt meine eigene Produktionsfirma, die Bratan Productions, zu gründen, mit der ich die Rechte bei mir behalten kann. Mir fehlte allerdings eine ausführende Produktion. Deshalb habe ich im Vorfeld mit vielen Konzernen gesprochen. Ich gehe immer nach meinem Bauchgefühl - mit Leonine Studios und mit Christian Meinberger, der dort Chief Digital Officer ist, hat es sich richtig angefühlt. Da hat mich mein Bauchgefühl zum Glück nicht getäuscht. Aber keine ausführende Produktion, die mit mir zusammenarbeitet, hat es leicht. (lacht)

Wieso?

Filatov: Der Rhythmus, in dem ich arbeite, ist sehr schnell. Ich versuche, den Rhythmus, den ich von YouTube kenne, auch für die großen Produktionen zu übernehmen. Die sind das in aller Regel aber nicht gewohnt. Dabei kommt es oft auf die Geschwindigkeit an.

Münzner: Das ist auch der Grund, weshalb wir nach der Abstimmung direkt in die Serienproduktion einsteigen, um das Momentum nicht verstreichen zu lassen. Wenn man aus der klassischen TV-Welt kommt, dann ist das durchaus herausfordernd. Nicht jeder kann Geschwindigkeit mit Qualität in Einklang bringen. Gleichwohl haben wir den Anspruch, hochwertige Produktionen zu machen. Wir wollen schließlich nicht YouTube ersetzen, sondern in die Nische zwischen YouTube und Fernsehen vordringen und der Zielgruppe etwas bieten, das sie anderswo nicht bekommen.

"Wenn es um fiktionale Inhalte geht, dann müssen sie idealerweise eine gewisse Leichtigkeit mitbringen."
Thomas Münzner

 

Seit dem Start von Joyn haben Sie viel ausprobiert, darunter eine hochgelobte Serie wie „MaPa“, die leider nicht fortgesetzt wird. Erwarten Ihre Zuschauer so etwas schlichtweg nicht von Joyn?

Münzner: „MaPa“ ist eine super Serie, von der wir alle überzeugt sind. Trotzdem hat sie bei uns nicht die Nutzerschaft gefunden, die wir uns erhofft haben. Unsere erfolgreichsten Formate sprechen eine junge Zielgruppe an, und wenn es um fiktionale Inhalte geht, dann müssen sie idealerweise eine gewisse Leichtigkeit mitbringen. In der Vergangenheit haben wir versucht, die komplette Bandbreite zu bedienen. Nun geht es darum, dass wir uns auf die eigenen Stärken fokussieren und insbesondere gemeinsam mit unseren Shareholdern Marken entwickeln und ausbauen.

Wie leicht ist es da, wenn einer der Shareholder, nämlich Discovery, an anderen Plattformen bastelt und international zusammen mit WarnerMedia plötzlich ganz neue Wege einschlägt?

Münzner: Klar ist, dass Discovery hinter Joyn steht und wir die volle Rückendeckung haben. Aktuell ist unklar, was die Fusion von Discovery und WarnerMedia, der auch noch die zuständigen Behörden zustimmen müssen, für uns bedeutet. Das ist aber nichts, was uns derzeit in unserer täglichen Arbeit beschäftigt.

Lassen Sie uns zum Schluss noch ein wenig in die Glaskugel blicken. Wohin wird sich die Branche in den nächsten Jahren entwickeln?

Filatov: Ich schaue sehr oft nach Russland. Da lässt sich erkennen, dass die Sender, die nicht mit erfolgreichen Kreativen der Onlinewelt zusammenarbeiten, an Interesse und Reichweite verlieren. Gleichzeitig wird die YouTube-Welt immer professioneller. Da wird also gewiss eine Angleichung stattfinden, mit der weitere Veränderungen der Sehgewohnheiten einhergehen werden.

Münzner: Das sehe ich sehr ähnlich. Derzeit entwickeln sich viele Talente, die mehr können, als sie momentan bei YouTube zeigen. Genau denen wollen wir mit einem größeren Budget unter die Arme greifen und damit wiederum eine junge Zielgruppe für Joyn begeistern. Diese Produktionen platzieren wir ganz bewusst im Gratisbereich, wodurch dieses Angebot absolut an Mehrwert gewinnt. Hier wollen wir auch weiter investieren und den Free-Bereich stärken.

Wie definieren Sie vor diesem Hintergrund Erfolg?

Münzner: Natürlich geht es um hohe Reichweitenzahlen, die man mit erfolgreichen YouTubern oft schon in der ersten Staffel erreicht. Für uns ist es aber in erster Linie ein Invest in die Zukunft, Talents zu entwickeln und möglichst langfristig mit ihnen zusammenzuarbeiten, um das Publikum dauerhaft an unsere Plattform zu binden und zu begeistern.

Herr Münzner, Herr Filatov, vielen Dank für das Gespräch.