Andreas Heinrich © Marco J, Drews Andreas Heinrich
Kreativität, Finesse, großer Fleiß und "Der Preis ist heiß" ziemlich zu Beginn: All das zeichnet nicht nur das Privatfernsehen aus, sondern auch die Karriere von Andreas Heinrich. In der Show mit Harry Wijnvoord und Walter Freiwald, die von 1989 bis 1997 lief,  arbeitete Heinrich als Werkstudent, ausgestattet mit einer ordentlichen Prise Mut. Kurz erzählt, startete seine große Karriere, als er glaubte, etwas umsetzen zu können, das anderen eher unmöglich schien. "Damalige Dienstleister meinten, gewisse Abläufe wären über den im Einsatz befindlichen Computer nicht möglich. Ich habe schnell herausgefunden, dass das wohl doch geht." Gerade einmal fünf Tage habe Heinrich damals von der Produktionsfirma Zeit bekommen, alles umzusetzen. Das Arbeiten mit Deadlines und somit unter Zeitdruck, es lag direkt in der Wiege seines beruflichen Wirkens. "Es klappte", erinnert sich Heinrich und sagt: "Das war der Beginn meiner Spieletechnikfirma cliparts.tv".

 

Das Unternehmen gibt es heute noch, es bewegt sich in einem Umfeld mit Mitbewerbern wie OnAir und 4TV, arbeitet mit einem überschaubaren Kreis fest angestellter Mitarbeiter sowie weiteren Freelancern und betreut Formate wie "Die große Terra X Show" oder "Schlag den Star". Bei der ProSieben-Show ist Spieletechnik oft die zentrale Schnittstelle, weiß Heinrich. Wenn Moderator Elton mit seinen zwei Promis am Ratepult steht, dann sind er sowie die ganze Produktion davon abhängig, dass es dröhnt, wenn auf den Buzzer geschlagen wird, dass der Monitor leuchtet und der auf den jeweiligen Promi gerichtete Scheinwerfer angeht. "Stellen Sie sich vor: Ein Buzzer funktioniert nicht. Da muss schnell gehandelt werden", sagt Heinrich, der in solchen Momenten voll unter Strom steht. "Was funktioniert nicht? Die Verbindung zur Werkstation? Die Verbindung zum Ton? Die Verbindung zum Licht? Wurde da beim hektischen Umbau eventuell ein Kabel herausgerissen? Störungen im Funkbereich?" In Sekunden sucht er in solchen Momenten das Problem – und im günstigsten Fall ist es übrigens schnell behoben. "Oder war nur ein Regler nicht aufgezogen?" schiebt Heinrich schmunzelnd hinterher.

"Wir mögen Herausforderungen, die nicht Stangenware sind, sondern eine ordentliche Portion Erfindergeist und Know-How in der Umsetzung erfordern." Andreas Heinrich

Das Aufleuchten der Antwortmöglichkeit A auf dem Monitor, diverse Soundgeräusche oder schlicht die Frage, wer bei vermeintlich gleichzeitigem Drücken des Buzzers nun Erster war, fällt in den Verantwortungsbereich der Crew von cliparts.tv. Einfachere Aufgabenstellungen nennt Heinrich das, Aufgaben aber, die dennoch sorgfältig ausgeführt werden müssten. Noch spannender wird es da, wenn Fernsehredakteure richtig ausgefallene Ideen haben. Aufträge, die technische Kreativität erfordern, würden das Team besonders freuen, erzählt er. "Wenn Redakteuren zum Beispiel ein Spiel einfällt, bei dem Elektromobile umso schneller fahren sollen, je lauter Kandidaten schreien" ist Heinrich mit seinen Leuten quasi Feuer und Flamme. "Wir mögen Herausforderungen, die nicht Stangenware sind, sondern eine ordentliche Portion Erfindergeist und Know-How in der Umsetzung erfordern."

Nicht Stangenware gilt für einiges, das die Branche derzeit braucht. Seit vielen Monaten dürfen die Auftraggeber der Firma schließlich kein Publikum mehr im Studio zulassen – und das, obwohl einige Shows "extrem auf Publikum" angewiesen seien, wie Heinrich sagt. Beispiel: "Let's Dance Kids". Die vierteilige erste Staffel ist schon vollständig bei TVNow abrufbar, im linearen Fernsehen startet sie nun sonntags um 19:05 Uhr bei RTL. Wie beim Original sollen die tänzerischen Darbietungen auch bei den Kids nicht nur von der Jury bewertet werden, sondern auch vom Publikum. Also hat cliparts.tv technische Lösungen entwickelt, wie man das Publikum virtuell in die Abläufe einbinden kann.

Lets Dance Kids © cliparts.tv Hinter den Kulissen von "Lets Dance Kids": Vor der Show werden die via Webcam zugeschalteten Zuschauerinnen und Zuschauer betreut.

Im Falle von "Let's Dance Kids" tauchen die Zuschauerinnen und Zuschauer vor einer Webcam zu Hause sitzend auf der großen Leinwand auf – und verfolgen das Geschehen im Studio ihrerseits vor dem Computer. "Inzwischen kümmern sich spezialisierte Casting-Agenturen um die virtuelle Zuschauer- und Kandidatenauswahl via Webcam. Sie unterstützen das Publikum zuhause, indem sie vorschlagen, vielleicht noch Geschwister oder Eltern mit vor die Kamera zu holen, loten die technischen Gegebenheiten aus oder weisen darauf hin, wenn der Hintergrund schlampig aussieht." Ziel ist: Eine möglichst hochwertige Bild- und Tonqualität herüberzubringen, eingebettet in ansprechende Formate und Grafik. Das sei der richtige Weg.

Kein Selbstläufer

Dass es für ein Primetimeformat im Fernsehen eben nicht reicht, sich einfach nur vor eine Webcam zu setzen, hätte die Branche schnell gemerkt, sagt Andreas Heinrich und erinnert an den sehr kurzlebigen RTL-Versuch, eine Corona-Show mit Günther Jauch, Thomas Gottschalk und Oliver Pocher zu senden. Blitzartig aus der Taufe gehoben, genauso schnell wieder verschwunden, resümiert Heinrich. "TV über Handykameras mit Webcam-Schalten wird fallweise vom Zuschauer akzeptiert. Aber das ist kein Selbstläufer." Vom Virus zu solchen Umsetzungen gezwungen, könnte sich daraus ein neuer Markt ergeben. Schon sprudelt die Kreativität wieder aus Heinrich heraus. "Wir können uns vorstellen, dass so auch eine Adaption von Gameshow-Klassikern wie zum Beispiel das "Familien-Duell" funktionieren könnte", führt er an.

Schließlich würde nicht jede Spielshow wirklich ein Hochglanzstudio brauchen. Kleinere Shows aus bis dato kleineren Studios könnten dauerhaft geschickt auf eine digitale Einbindung von Kandidatinnen und Kandidaten setzen. "So können ganz neue Konzepte entstehen." Bei manchen aber wäre das "Arena-Feeling" essentiell und somit auch das Publikumsfeedback. Andreas Heinrich geht daher davon aus, dass das Publikum nach der Pandemie in den allermeisten Fällen auch wieder zurückkehren werde. "Ich denke da zum Beispiel an eine von uns betreute 'Schlag den Star'-Folge mit Jorge Gonzàlez ohne Publikum. Normalerweise rockt Jorge den Saal. Doch wenn da niemand ist, kann man das nur sehr eingeschränkt."

Ja, ein bisschen durchgeknallt müsse man schon sein, wenn man bei cliparts.tv arbeiten will, gesteht Heinrich. "Man braucht auch fundierte Kenntnisse über viel Praxis auf den Gebieten IT, Elektronik sowie Video und Audio", zudem Experten-Knowhow für Programmierung und Softwareentwicklung – technische Neuerungen sollten zudem nicht abschrecken. Spaß mache der Job in jedem Fall. "Wir sind ein Team", sagt Heinrich. "Nur alle zusammen ergeben cliparts.tv." Kein Job für jemanden, der um zehn Uhr morgens beginnen und um 17 Uhr Feierabend machen will. Möglichmacher arbeiten mit der Zeit, gerne auch gegen sie. Und freuen sich, wenn am Ende alles so glatt läuft, dass nur die wenigsten sie wirklich wahrgenommen haben.