Als das ZDF herausgab, dass Sabine Heinrich auf dem prestigeträchtigen Sendeplatz am Samstagabend eine eigene Quizshow bekommt, gratulierte als eine der ersten Carolin Kebekus. „Und es gibt sie doch, diese MODERATORINNEN!“, schrieb sie in den Instagram-Feed der WDR-Kollegin aus Köln-Ehrenfeld. Und natürlich musste man das triumphierende Ausrufezeichen auch als Ätschibätschi an die Adresse von ARD-Programmdirektor Volker Herres lesen. Im Sommer zuvor hatte dieser zur „Bild am Sonntag“ gesagt, ihm falle partout kein weibliches Pendant zu den Kai Pflaumes im Showfernsehen ein. Holla, die Waldfee, das gab Tumult unter den öffentlich-rechtlichen Frauen! Die Kebekus ätzte in ihrer eigenen ARD-Show über das angebliche „Frauenproblem“, es sei eigentlich ein „Männerproblem“. Wer sich damals öffentlich zurückhielt: Sabine Heinrich.

Scheinbar still und leise erklimmt sie, die als Moderatorin von „Frau TV“ im WDR-Fernsehen durchaus mit Gender-Fragen vertraut ist, als erste Frau nach Ulla Kock am Brink den männerheiligen Quiz-Olymp, wenn auch bei der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz. Selbst ihr neuer Auftraggeber bekleckerte sich seit den "Cash"-Zeiten nicht mit Ruhm und setzt seit Jahren auf die Kraft von Johannes B. Kerner. In „Das große Deutschland-Quiz – Das Spiel für unser Land“ wird Sabine Heinrich nun also nichts weniger tun müssen, als die Ehre der weiblichen Showtalente zu retten, von denen es – sic Kebekus et cetera! – haufenweise gibt. Nur muss es ausgerechnet in einer Quizshow sein?

Sabine Heinreich © Kai Oberhäuser
Um das zu besprechen, hat Sabine Heinrich einen freien Tag gewählt. Was „frei“ halt so bedeutet, wenn man Freiberufler ist und nebenbei ein fünfjähriges Kind großzieht, das fröhlich singt, während Mama ein Videointerview gibt. Eine Woche Frühschicht im Radio liegt hinter der working mom und mal wieder eine besonders anspruchsvolle noch dazu. Es ist Pandemie, die alle fertig macht, inklusive Guten-Laune-Morgenmoderatorinnen. Um halb drei steht sie also auf und fragt sich schon, wie sie das gleich ab fünf im „WDR2 Morgenmagazin“ mit Blick auf steigende Corona-Zahlen hinkriegen soll, dass die Leute nicht einfach im Bett liegen bleiben. Sie selbst quält sich da seit nunmehr fünf Jahren zu nachtschlafender Zeit heraus für die Primetime des Hörfunks. Die 15 Jahre davor sprach „Frau Heinrich“ ins Mikrofon von 1Live, vormittags, was biorhythmisch besehen günstiger war und ihr den Deutschen Radiopreis bescherte. Aber hey, wahre Radioliebe kennt keine Augenringe.

Man könne sich das frühe Aufstehen „selbst maximal schwer machen“, redet Sabine Heinrich, an diesem späten Morgen einigermaßen taufrisch, die Schichtstrapaze klein. Wenn die Müdigkeit sie noch im Bett halten will, rufe sie sich den Spruch des Vaters in Erinnerung: „Vom Jammern wird’s nicht später.“ Die Dankbarkeit überwiegt bei ihr, überhaupt arbeiten zu dürfen: „Da bin ich eindeutig das Kind meiner Eltern, das Enkelkind meiner Oma: nicht klagen, nicht zu sehr um dich selbst kreisen. Das führt zu nichts“, sagt sie und ergänzt lachend: „Aber immer schön schauen, dass du die Miete zahlen kannst – ich bin ein Arbeiterkind und werde das trotz Medienzirkus auch bleiben.“

Es war eine Kindheit in Westfalen. Dort, wo die Leute in der Regel nicht ausflippen. 1976 wurde Sabine Heinrich in Unna geboren, im selben Jahr als die Heidelbergerin Silvia Sommerlath Schwedens König Carl Gustav das Ja-Wort gab, woran ein cool-kitschiger Porzellanwandteller in Heinrichs Hausstand erinnert. Der eigene Vater war Schmelzer, die Mutter Frisörin und stadtbekannt. Und die „Omma“, DIE Vorzeigefrau in Heinrichs Leben? Sogar über den Ruhrpott hinaus berühmt! Die Enkeltochter verewigte die alte Dame 2014 in ihrem Debütroman „Sehnsucht ist ein Notfall“. Der Plot in ultrakurz: Nach 60 Ehejahren macht die Roman-Oma mit Opa Schluss. Es ist eine Geschichte fast wie aus dem wahren Leben, die von der ARD mit Cornelia Froboess als Freitagabendschnulze verfilmt wurde. Den „feinen Wortwitz“ der Vorlage lobten die Kritiker sehr, sodass Sabine Heinrichs Lektor bis heute auf den Zweitling wartet. Aber wie das auch noch schaffen?

Es klingelt. Annette Frier ruft an. Sabine Heinrich hatte die Schauspielerin angefragt, ob sie in ihrem Podcast „Hirn und Heinrich“ über deren ZDF-Projekt „Unvergesslich – der Chor für Menschen mit Demenz“ reden möchte. Seit September führt die gelernte Radiojournalistin Gespräche mit international führenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über Hirnforschung. Dieser Wissenspodcast sei für sie „ein phantastischer und inhaltlich spannender Ausflug auf ein anderes berufliches Feld“, schwärmt Heinrich, auch weil sie dort, anders als im Radio, mehr als fünf Minuten für ein Thema zur Verfügung habe. Die Frier wird für den Moment in der Warteschleife geparkt. Wo waren wir noch mal stehen geblieben? Ach ja, Samstagabend, 20.15 Uhr im ZDF.

Karriereschub von Stefan Raab

Genau heute vor zwei Wochen sang il grande Zucchero „Baby, the night is on fire“ für Carmen Nebel, „you sexy thing“. Es war ihre allerletzte „Willkommen“-Show im ZDF. Und als man Sabine Heinrich im Vorabtelefonat auf die Frage vorbereitete, wie das sein wird, wenn die Nebel geht und die Heinrich kommt, scherzte sie spontan, „aber die Frisur bleibt“. Jetzt im Ernst sagt sie: „Es ist mir so klar, wie groß das ist und wie schillernd. Aber ich werde nie vergessen, wo es einmal anfing: beim Lokalradio in Unna. Das ist mir wichtig. Das erdet mich.“ Aber ist ihr auch klar, dass ihr Aufstieg in die Premiere League der Unterhaltung vor dem Hintergrund der Volker-Herres-Diskussion fast schon ein Politikum ist? „Ich will eine Show moderieren und keine Politik betreiben“, antwortet Sabine Heinrich diplomatisch, „wenn ich aber dazu beitragen kann, dass die Auswahl der ModeratorInnen diverser wird, dann würde mich das sehr freuen. Und wenn wir es irgendwann nicht mehr ,politisch‘ finden, dann hätten wir auch sehr viel gewonnen.“

Dass „die Caro“ [Kebekus] und die anderen Frauen nach dieser Geschichte „ordentlich Bambule“ gemacht hätten, findet Sabine Heinrich gleichwohl „super“. Was sie selbst betrifft, habe sie beim WDR indes nie das Gefühl gehabt, „dass ich nicht gesehen werde oder nicht zum Zuge komme“. Nichtsdestotrotz, den großen Karriereschubs in die erste Reihe gab ihr nicht ihr Haus- und Hofsender, sondern Stefan Raab.

Sabine Heinreich © Kai Oberhäuser
2010 holte der ProSieben-Star den 1Live-Star für „Unser Star für Oslo“ auf die ganz große TV-Bühne. Damals war Sabine Heinrich noch so brünett und fernsehunerfahren wie lovely Lena Meyer-Landrut, die sich mit „Satellite“ in die europäischen Schlagerpopherzen singen sollte. Und als wäre das nicht Experiment genug gewesen, durfte sie in demselben Jahr gleich auch noch die „Echo“-Verleihung an der Seite von Matthias Opdenhövel moderieren. Plötzlich war da viel Druck. Drei Live-Shows in einer Woche, jeweils um 20.15 Uhr, dafür braucht es Kondition, das muss man können. Sabine Heinrich selbst glaubte nicht, dass sie es kann. Nach dem „Bad im kalten Wasser“, das ihr für die ESC-Auswahlshow immerhin einen Deutschen Fernsehpreis bescherte, habe sie sich „ehrlich gesagt erst mal sammeln müssen“. Noch Jahre später gab sie in einem Interview zu Protokoll: „Eine Show zu präsentieren, das können andere besser.“ Wat denn nu?

Ja, zu dem Zeitpunkt, als sie das sagte, stimmte das so, sagt Sabine Heinrich heute. „Show bedeutet ja nicht einfach: auf die Bühne und Trallalla. Dazu gehört viel mehr. Dafür braucht es Erfahrung.“ Und die konnte sie inzwischen beim WDR machen. Die unterschiedlichsten Formate hat sie ausprobiert, sogar der Altherrenart von Jürgen von der Lippe in der „Nicht dein Ernst!“ genannten „Dilemma-Show“ standgehalten, sodass sie nun selbstbewusst von sich behauptet: „Ich kann Show. Es macht mir Spaß. Deswegen mache ich das auch.“

Dass „das“ eine Quizshow ist, an denen ARD und ZDF nun wirklich nicht Mangel leiden, scheint sie nicht zu stören. Nicht lang habe sie darüber nachgedacht, als die Anfrage zum Casting kam. „Riesig Lust“ habe sie drauf, zumal sie mit der produzierenden Bavaria Entertainment „schon oft sehr gut und vertrauensvoll“ zusammengearbeitet habe.

Die gute Nachricht von der Zusage erreichte Sabine Heinrich kurz nach Aufzeichnung des im doppelten Sinne „ausgefallenen“ Rosenmontagszugs mit dem Hänneschen-Theater. Die Glitzerherzchen klebten noch im Gesicht (an Karneval flippt eben auch eine gebürtige Westfälin aus), als Bavaria-Produzent Alessandro Nasini schrieb, lass uns mal telefonieren, aber mit Video. Und sie dachte, puh, so halb verkleidet? Da sagte er: Sabine, da ist das Ding! Die „BamS“ (schon wieder die!) hatte Wochen zuvor andere Namen in den Ring geworfen: die Sportmoderatorinnen Andrea Kaiser und Laura Wontorra zum Beispiel, aber auch Janin Ullmann und Beatrice Egli. Sabine Heinrich gruben die Wühler vom Boulevard erst später aus, aber puh!

Zur Schlagzeile „SIE füllt die Lücke im ZDF!“ setzten sie Heinrichs Konterfei in eine Bildergalerie mit Madonna und Vanessa Paradis: „Zahnlücken können so entzücken“, dichtete die „BamS“, was die Betroffene eigentlich nur mäßig entzückend hätte finden können. Aber, ihr sei es egal, sagt Sabine Heinrich: „Ich bin 44. In dem Alter steht man über Äußerlichkeiten. Wenn mich so eine Schlagzeile heute noch anfassen würde, dann hätte ich gar nichts gelernt.“ Sie halte es mit Christine Westermann, dem großen Vorbild journalistischer Unterhaltung und ihr wohlvertraut seit den Außerhausreportagen für „Zimmer frei!“: Bleib gelassen und mach es dir schön.

Und noch eine der Großen aus dem Dritten des WDR hat Sabine Heinrich parat, wird sie nach Leitsätzen gefragt: Du musst nicht durch jede offene Tür gehen. Stammt von Bettina Böttinger. Nimmt die Jüngere von beiden bei der Auswahl von Projekten immer mit. Wenn ihr also jemand sagt, hier, diese Show ist total toll und wichtig, sie aber denke, was soll ich da? Habt ihr euch schon mal meinen Wikipedia-Eintrag angeschaut, was ich sonst mache? Dann lehnt sie dankend ab, das möchte ich nicht, das mache ich nicht, das bringt mich persönlich nicht weiter.

So darf man gespannt sein, welche Art von Weiterentwicklung „Das große Deutschland-Quiz“ im ZDF Sabine Heinrich tatsächlich bringt. Jetzt aber Tür zu. Annette Frier wartet.