Das Bild vom sprichwörtlichen Tanz auf dem Vulkan – es passte wohl nie so gut wie im vergangenen Jahr, als die RTL-Show "Let’s Dance" unvermittelt in den ersten Lockdown schwofte. Das ganze Land stand plötzlich still, und der Vulkan aus Köln-Ossendorf spuckte nun nicht mehr nur die feurige Glut von Cha-Cha-Cha, Paso doble und Samba, sondern auch die Gefahr von fiesen Viren. Eng aneinander geschmiegte Körper, leidenschaftliches Miteinander Wange an Wange, ekstatisches Tanzen zu lauter Musik, sich gehen lassen im Schweiß- und Tränenfluss ganz ohne Masken-Gedöns – all das, was uns allen nach wie vor verwehrt bleibt und dieser Unterhaltungsevergreen uns Jahr für Jahr erzählt, geriet im März 2020 ins Wanken. Aber nur kurz. Denn gemäß dem Mantra "The show must go on" wurde im Hintergrund fieberhaft (also nicht im medizinischen Sinne) gearbeitet. Es kam der Mai und mit ihm das wonnige Finale von "Let’s Dance". Wird das diesmal wieder so sein?

Nichts mehr als das wünscht sich Nina Klink. Sie ist die verantwortliche Produzentin und Geschäftsführerin der Seapoint Productions, die seit dem gestrigen Freitagabend wieder die Promis tanzen lässt – natürlich nicht, ohne sie und alle anderen Beteiligten engmaschig testen und noch mal testen zu lassen. Man könnte nun annehmen, mit dem Knowhow aus dem Vorjahr gingen Klink und ihr Team total entspannt ins diesjährige Livetanzshowabenteuer. Noch ärger als in der vorherigen Staffel mit der Unglückszahl 13 kann es nicht werden. Aber nein, schüttelt Nina Klink im Videogespräch den Kopf, absurderweise fühle sich diese 14. Staffel auf eine ganz andere Weise aufregender an als die zuvor: "Es ist wieder ein völlig neuer Balanceakt. Bis zum Finale Ende Mai, wenn die Welt dann wieder hoffentlich in Teilen eine bessere sein wird, wird es ehrlicherweise ein wöchentliches Zittern sein, wie wir das Team und allen voran den Cast sowohl gesund beieinander als auch gesund getrennt voneinander wie eine große Familie zusammenhalten können."

Nina Klink Nahaufnahme © frankandeven Productions
Es hat also wieder eine besonders angespannte, stürmische Zeit für Nina Klink begonnen, und man ist geneigt, deren Entsprechung in ihrer Frisur zu entdecken. Das Fensterlicht im Rücken wirft Schatten auf ihr Gesicht, aber klar zu erkennen ist die braune, wild zerzauste Tolle. Mal legt sie sich nach links, mal nach rechts, als würden nicht Klinks unruhige Hände ihr Werk verrichten, sondern der "Cape Doctor". Der so genannte Passatwind fegt allsommerlich in nerviger Konstanz über Kapstadts Tafelberg hinweg in die City Bowl und hinaus auf den Atlantik. Okay, das mag eine etwas windige Assoziation sein, da Klink ihr windstilles Büro am Kölner Hohenzollernring während des gesamten Gesprächs nicht eine Minute verlässt, aber sie liegt nahe. Schließlich ist die Seapoint nach einem Vorort von Kapstadt benannt. Die Chefin selbst fühlt sich, wie sie auf Nachfrage sagt, in ganz großer Liebe mit Südafrika verbunden, obwohl das Land so kompliziert sei wie wenig andere Länder, die sie kenne. Und sie kennt viele. Australien zum Beispiel. Dort war sie ein paar Jahre als Executive Producer mit der Herstellung der RTL-Dschungelshow "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" beschäftigt, bis sie 2014 den Schritt in die Selbstständigkeit wagte.

Wer genau sich den Namen Seapoint Productions letztlich ausgedacht hat, bringt Nina Klink nicht mehr zusammen. Fakt ist: Vor sieben Jahren riefen sie und Südafrika-Fan Stefan Oelze die Produktionsfirma für non-fiktionale Unterhaltung unter dem Gesellschafterdach der Beta Film von Jan Mojto ins Leben; Jan Kromschröder tat Gleiches mit der für Fiktionales zuständigen Schwesterfirma Bantry Bay, die ebenfalls nach einem Vorort am Kap benannt ist. Es wurde damals als durchaus mutiger Schritt bewertet. Für Nina Klink kam er zur richtigen Zeit.

Von ITV raus in die Selbständigkeit

Nach neun Jahren im Dienst von ITV Studios Germany wollte sie etwas Eigenes aufbauen. Von Null anfangen, mit nichts anderem im Gepäck als ihrer Kreativität und Arbeitslust. So wie damals, als sie, die geübte Kinderreporterin von "logo" im ZDF, ihre Heimatstadt Frankfurt verließ, um in Köln Kunstgeschichte und Public Relations zu studieren. Eine journalistische Karriere in den Printmedien schwebte ihr eigentlich vor. Das hat, glücklicherweise, nicht geklappt. Denn über ein Praktikum landete sie bei der "Harald Schmidt Show". Das Beste, was ihr passieren konnte, wie sie heute sagt. Fünf Jahre vier Mal die Woche auf Sendung sein, das hat ihre Leidenschaft fürs Fernsehen entfacht und so nachhaltig, dass Jahre später ein Sender wie RTL nicht mehr ohne sie auskommen mochte.

Zur Gründung der Seapoint gab es quasi als unverhoffte Mitgift von RTL den Auftrag, weiter die Erfolgsformate "Let’s Dance" und "Bachelor" herzustellen, was Klinks vorherigen Auftragnehmer ITV nicht glücklich gemacht haben dürfte, die Neu-Unternehmerin aber umso mehr. Sie sei dem Sender "auf jeden Fall sehr dankbar", sagt Nina Klink, nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen – es hätte sonst sicher ein paar Jahre länger gedauert, eine Konstante aufzubauen – sondern auch in emotionaler Hinsicht: "Mit beiden Formaten habe ich eine eng verzahnte Geschichte." Aber so was von! Als sich RTL bzw. ITV Studios Germany vor 16 Jahren die Rechte am BBC-Format "Strictly Come Dancing" sicherte, war die junge Redakteurin, die gerade Harald Schmidt Adieu gesagt hatte, von der ersten Vorbereitungsminute an beim deutschen Ableger "Let’s Dance" involviert. Genau genommen ist Nina Klink mit dieser Show ebenso lange beschäftigt, wie Angela Merkel Kanzlerin ist. Dabei ist sie erst 43.

Nina Klink Nahaufnahme © frankandeven Productions
Wenn man von ihr wissen möchte, warum sich "Let’s Dance" so stabil in der Gunst des RTL-Publikums hält, dann fällt sehr oft das Wort Familie, in "Familienprogramm, das auf vielen Ebenen gute Laune macht und mitreißt" zum Beispiel. Oder sie bezeichnet ihr Team, das für den gleichbleibenden Erfolg der Show stehe, als Familie. Und wo es offenbar familiär zugeht, da will man gerne hin. Ob man nun Jan Hofer heißt oder Auma Obama, die sich trotz ihrer eher turnieruntauglichen Performance 2021 aufs Tanzparkett wagen und dem Unterhaltungsformat einen überraschenden Hauch von Seriosität und weiter Welt verleihen. Aber auch unter Producern gilt ein Job bei "Let’s Dance" als Traum, der gleichwohl unerfüllt bleibt. In den Zirkel um Nina Klink und ihre langjährig vertrauten Executive Producer Jan-Philipp Scherz und Nora Kauven gibt es kein Hineinkommen. Es geht höchstens hinaus.

Seit sich ihr Kompagnon Stefan Oelze im vorigen Herbst aus der Seapoint planmäßig herauszog, um in der Mutterfirma Rosebank AG zu wirken, führt Nina Klink allein die Geschäfte. Es heißt, das habe sie im Prinzip auch zuvor schon getan, zumindest was den kreativen Teil anbelangt. Und nebenbei hat sie auch noch zwei Mädchen in die Welt gesetzt, die heute im Kita- bzw. Grundschulalter sind. Mit Leib und Seele Mutter, mit Leib und Seele Produzentin und Geschäftsführerin – wie das geht? "Das ist die Challenge meines Lebens", lacht Nina Klink. Das vergangene Jahr sei so voller Bewegung gewesen, dass sie noch gar keine Zeit gehabt habe, sich Gedanken darüber zu machen, wie es ist, die Seapoint alleine zu führen. Erfolgsverwöhnt, das trifft ihre Bilanz 2020 wohl ganz gut.

Ins Vorjahr startete die Seapoint mit einem Grimmepreis für "Prince Charming". Anerkannt wurde unter anderem, dass mit dieser Datingshow der Diskurs über gleichgeschlechtliche Liebe normalisiert wurde. Dieses als "Bachelor in schwul" bekannte Format muss indes auch als Ersatzhandlung gesehen werden: 2015 schnappte sich Warner die Rechte am Ur-"Bachelor" und RTL beließ die Produktion diesmal nicht bei den bewährten Köpfen, also Klink & Co. Dem Format "Bachelor" trauerten sie immer noch ein wenig hinterher, gibt die Seapoint-Chefin offen zu. Wirtschaftlich hätten sie den Verlust sofort und gut kompensieren können. Die Leidenschaft und Freude am Datinggenre stecken sie jetzt dafür in "Prince Charming", denn: "Lovetainment ist das, was wir gut können und mögen."

Zumindest die erste Staffel "Prince Charming" überwand etwas, was Klink als "die größte Tücke beim Reality-Fernsehen" bezeichnet: dass wahre, authentische Momente so rar geworden sind. Das liege nicht immer nur an der Produktionsweise, sondern auch an den Kandidaten, erklärt die Fachfrau: Sie merken sich, was sie woanders gesehen haben, und geben das wieder. Bei Nicolas Puschmann, dem ersten "Prince Charming", und seinen Krawatte tragenden Liebesadepten hätten sie alle das Gefühl gehabt: Da gibt es neben einer eigenen, ich-bezogenen Agenda auch etwas Übergeordnetes, wofür alle antreten. Das habe sie als "unglaublich berührend und befreiend" empfunden, sagt Klink. Dass dieser Zauber des "Ersten Mals" mit der zweiten Staffel verflogen war, lag indes nicht in ihrem Empfinden. Voraussichtlich im April legt die Seapoint auf TV Now mit einer dritten Staffel nach, diesmal nur mit Frauen im Cast und unter dem Titel "Princess Charming".

Die Sache mit dem "Sommerhaus"

Wo viel Licht ist oft auch Schatten, und den gab es 2020 in Nina Klinks Bilanz ebenso. Freute sie sich im Sommer noch über den Deutschen Fernsehpreis für das "Sommerhaus der Stars", musste sie kurz darauf zur Ausstrahlung der vierten Staffel Prügel einstecken und das ausgerechnet auch von TV-Trash-Liebhabern, deren Schmerzgrenze naturgemäß sehr tief ist. Dort im Landhaus in Bocholt schienen alle Dämme des guten Geschmacks gebrochen. Selbst bei RTL sprach man von einem Imageschaden für den Sender. Was lief da schief, Frau Klink? Es falle ihr schwer, hier von "schief gelaufen" zu sprechen. Sie sei generell "sehr stolz" auf das "Sommerhaus". Es gebe so viele Reality-Produktionen, da steche ihr Format durch Akribie und Fürsorge in der Herstellung fachlich heraus. Aber ja, das gebe sie zu, in der vermaledeiten Staffel vier war "ein Turbo drin". Andererseits habe sie auch irgendwie die aktuelle Stimmung im Land gespiegelt. Allein wenn sie mit dem Rad durch Köln fahre, merke sie: "Es liegt eine wahnsinnige Aggressivität in der Luft. Viele Menschen scheinen sich gerade Luft machen zu müssen." Das habe sich im letzten "Sommerhaus" mehr gezeigt als in den vorherigen Ausgaben. Oder, glaubt Nina Klink, "es wurde vielleicht auch stärker so wahrgenommen". 2021 werde man "mit Sicherheit eine andere Farbe vom Sommerhaus kennenlernen".

Zumindest wird man schon ab 8. April eine andere Farbe der Seapoint kennenlernen. Dann startet auf ZDFneo die neue Personality-Show "Studio Schmitt". Es wird das TV-Debüt des Podcasters und Comedy-Autoren Tommi Schmitt sein, den Nina Klink beim Joggen entdeckte: Sie hört mit Leidenschaft (was sonst!?) Schmitts Podcast "Gemischtes Hack". Bleibt zum Schluss noch zu klären, ob es da noch eine weitere Leidenschaft in Klinks Leben gibt: das Tanzen? Nein, die gibt es nicht, zumindest nicht für den Standard-Tanz. Im Team hätten sie sich zwar von der ersten Staffel an vorgenommen, "dass wir auch privat tanzen lernen müssen". Aber sie hätten es bisher nicht geschafft. "Vielleicht zum 20-jährigen Jubiläum." Bis dahin lassen sie einer Kinderversion von "Let’s Dance" den Vorzug, die noch in diesem Frühjahr auf TV Now starten soll.