Von Adams, einem der großen Philosophen des 20. Jahrhunderts (1952 - 2001), wissen wir, dass die Antwort, auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und den Übrigkeiten "42" lautet. Da kann es doch unmöglich Zufall sein, dass der Gastronom und Fernsehkoch Nelson Müller am gestrigen Samstag nicht nur seinen 42. Geburtstag feierte (Glückwunsch!), sondern an diesem Dienstag auch noch die 42. Ausgabe seiner "Lebensmittelreports" für "ZDFzeit" läuft.

Acht Jahre ist es her, dass sich Müller im Zweiten erstmals erkundigte: "Wie gut ist unser Billig-Bio?" Seitdem sind noch ein paar andere Fragen dazu gekommen: "Wie gut sind Milch und Kaffee?", "Wie gut sind unsere Süßigkeiten?", "Wie gut ist unsere deutsche Küche?" und "Wie gut ist unser Brot?" zum Beispiel. Müller hat sich um Verursacher und Inverkehrbringer gekümmert: mit "Langnese, Schöller & Co.", "Bratmaxxe, Bruzzler & Co.", "Rewe oder Edeka?", "Aldi oder Lidl?", "Kaufland oder Real?", "No Name oder Marke?". Er hat den "Nudel-Check" gemacht, den "Burger-Check", den "Käse-Check" und in der zurückliegenden Woche mit "Nelson Müllers großer Milch-Report" nachgelegt, bevor übermorgen "Nelson Müllers großer Schweinefleisch-Report" läuft. (Was, anders als es der Titel nahelegt, keine Investigativrecherche im Erotikmilieu sein dürfte.)

Wir schalten in den Stall

Niemand auf dieser Erde hat sich so oft mit so vielen unterschiedlichen Lebensmitteln fotografieren lassen wie Nelson Müller: mit Speiseeis, Kartoffelprodukten, Wurst, Schokoriegeln, Olivenölen, vegetarischen Schnitzeln, Backwaren, Tiefkühlgerichten, Butter, Semmelknödeln, Discounter-Marken.

Und, nur so ein Vorschlag: Vielleicht reicht's jetzt auch mal.

Es ist zwar gewiss ein ehrenwertes Anliegen der Redaktion, das Publikum darüber aufklären zu wollen, welche Inhaltsstoffe in Lebensmitteln stecken und wo das alles herkommt, was zuhause auf dem Teller landet. Aber die meisten dieser Filme sind inzwischen so sehr durchstandardisiert wie ein Convenience-Produkt der Industrie, die ständig Thema ist.

Nelson Müllers Milch-Report © ZDF/Willi Weber Selfie mit Molkreieprodukten: "Nelson Müllers Milch-Report"

Als – durchaus glaubwürdiges und sympathisch wirkendes – Gesicht der Verbraucherreportagen unter dem "ZDFzeit"-Label wird Müller nur noch lose dafür benötigt, die immer wiederkehrenden Versatzstücke zusammenzuleimen. "Nelson Müller findet heraus, wo das Fertigobst aus der Kühltheke herkommt – und wie frisch es wirklich ist", heißt es dann, bevor Nelson Müller sich auf "die Spur der Ananas" begibt. Oder, wie diese Woche: "Nelson Müller findet heraus, wie die Lebensmittelindustrie natürliche Milch verändert", und – zack –, schon steht Nelson Müller im ersten Stall.

Getrickst und geschummelt

Ständig wird man als Zuschauerin bzw. Zuschauer daran erinnert, dass und wie von Unternehmen "getrickst" und "geschummelt" wird (niemals "betrogen"). Das ist oft ernsthaft kritisch, aber nie so superinvestigativ, dass es Müller nach dem Werksbesuch bei Uncle Bens in Belgien, auf der Lachsfarm in Norwegen oder bei Nestlé in Tschechien am Ende nicht doch irgendwie ganz gut gefallen hätte. (Sonst würde beim nächsten Mal ja auch niemand mehr die Kamera reinlassen.)

Dass er sich selbst ein Bild macht in Industrieanlagen, auf Höfen und Olivenbaumplantagen, ist Müller hoch anzurechnen. "Wie das funktioniert, das schau ich mir jetzt mal an", sagt er vorher. Oder er will wissen: "Was ist da eigentlich alles drin?" Dann guckt jemand in der Redaktion mal ganz genau ins Kleingedruckte auf der Verpackung, die Frau von der Verbraucherzentrale sagt ein kritisches Sätzchen, und was meint eigentlich Stiftung Warentest dazu?

Dazwischen ist aber leider noch sehr, sehr viel Sendezeit übrig für die schrecklichen Drei des öffentlich-rechtlichen Verbraucherfernsehens: Blindverkostung, Laboranalyse und Probandenexperiment.

Die Ahnungslosigkeit des Testessers

Keine Ahnung, wie's Ihnen geht, aber ich hab nach 41 „Lebensmittelreports“ allmählich verstanden, dass die dämlichen Testesserinnen und Testesser, die mal von dem Teller mit dem blauen und mal von dem mit dem gelben Punkt probieren dürfen, beim Nahrungsmittel-Erschmecken wirklich immer daneben liegen. Der blind verkostete billige Zuchtlachs mundet besser als der teure Wildlachs, und die Supermarktmilch ist leckerer als die unbehandelte direkt vom Hof? Weil die meisten Menschen es halt so kennen. Nur für "ZDFzeit" ist das jedes Mal wieder ein ganz großes Aha-Erlebnis. "Damit hätte ich nicht gerechnet", sagt dann einer überrascht, und jemand anderes kann gar nicht glauben, dass seine ausgefeilten Geschmacksnerven sich so arg getäuscht haben: "Da bin ich wahrscheinlich die Industrie gewöhnt." Worauf Müller entgegnet: "Ja-ha, c'est la vie."

Irgendwas muss immer irgendwann ins Labor geschickt werden, und manchmal kommt dabei zwar gar nichts Berichtenswertes raus, aber da war halt schon beauftragt, dass sich jemand extra den Kittel dafür überwirft – also kommen die Ergebnisse nachher auch in die fertige Sendung.

Wenn wirklich alle Stricke reißen, muss halt noch mal eine Fleischesser-Familie vier Wochen auf Wurst verzichten und kriegt nachher niederschmetternd vom Begleitarzt berichtet, dass sich ihr Bodymass-Index nach dem ausgiebigen Verzehr vegetarischer Fertigprodukte gar nicht zum Positiven verändert hat.

Zu doof zum Verbrauchen?

Richtig ärgerlich werden die Checks immer dann, wenn sie ihr Publikum offensichtlich zu doof zum Verbrauchen halten. Ja, Werbeversprechen sind halt in erster Linie: Werbung. Und manchmal nimmt auch die Redaktion eine Argumentationsabkürzung, die hart an der Grenze der Unseriosität entlangschrammt.

Beim "Großen Quiz der Inhaltsstoffe" im "Burger-Check" sollten Supermarktbesucherinnen und -besucher im vergangenen Jahr sagen, in welchem Burgerpatty sie mehr Zusatzstoffe vermuteten: dem aus Fleisch oder dem veganen. War das ein Hallo, als im ersten bloß Rind, Salz und Pfeffer steckte – und im anderen eine ganze Latte an Unbekanntheiten. Ob man wirklich anderes erwarten kann, wenn für die Gegenüberstellung die hippen Pflanzenburger aus dem Lebensmittellabor verwendet wurden, die den Fleischgeschmack möglichst genau zu imitieren versuchen, hat Müller – der selbst für weniger Fleischkonsum eintritt – für den Effekt mal großzügig übersehen.

Nelson Müllers Schweinefleisch-Report © ZDF/Willi Weber "Nelson Müllers Schweinefleisch-Report" läuft am Dienstag im ZDF.

Und weil die Billigfleischbulette aus dem Discounter nachher auch noch zum Schleuderpreis von 62 Cent zu haben war, während die Nachbau-Burger deutlich teurer vermarktet werden, lautete die Bilanz aus dem Off allen Ernstes: "Wer sich mit Veggie-Produkten ernähren möchte, muss also tief in die Tasche greifen."

Was man getrost so lange anprangern kann, bis Müller in einer der nächsten "ZDFzeit"-Ausgaben dann fragt: Wie gut ist unser importiertes Billigfleisch? (Am kommenden Dienstag könnte es schon soweit sein.)

Die große Verbraucherfernsehen-Wiederholungsschleife

Nun wirklich nicht vorwerfen kann man der Produktionsfirma Story House, sie gäbe sich in der großen Verbraucherfernsehen-Wiederholungsschleife nicht trotzdem Mühe, das Erwartbare zumindest immer wieder ein bisschen anders aussehen zu lassen. Jeder Produktvergleich ist wahnsinnig detailverliebt animiert, und Müller braucht auch nicht in irgendeiner öden Studioküche rumzustehen, sondern bereist für seine Tests Hofläden, Markthallen und Supermärkte.

Das ändert aber auch nichts daran, dass sein Fazit nachher oft super läppisch ausfällt: "Fleischersatzburger schmecken zwar nicht schlecht, aber nicht hundertprozentig nach Fleisch", bilanziert er dann. Oder: "Es gibt soviel Möglichkeiten, Reis zuzubereiten. Probieren Sie's doch einfach mal aus zuhause." Und darf's eine alternative Empfehlung zu geschnittenem Obst aus dem Supermarkt sein? "Frisches Obst kaufen und selber schneiden." Potzblitz!

Am vergangenen Dienstag hat "ZDFzeit" exklusiv enthüllt, was Müller die ganze Zeit schon ahnte – natürlich nach einem großen "Experiment", dem Laktoseintoleranz-Test mit mehreren Probandinnen und Probanden: "Es ist tatsächlich rausgekommen, dass ich eben auch laktoseintolerant bin."

Und vielleicht ist das, zusammen mit der doppelten 42, ein allerletzter Hinweis darauf, dass sein Haussender ihm so langsam mal anbieten könnte, was Neues auszuprobieren, bevor das Publikum noch Nelson-Müller-intolerant wird.

Traditionsgerichte statt Fischstäbchen

Wieso soll eigentlich immer nur der Markus Lanz rausdürfen, um Auslandsreportagen nach Mainz mit zurückzubringen? Es spricht doch vieles dafür, wenn Nelson Müller ohnehin der Ananas, dem Lachs und dem Olivenöl um die halbe Welt nachreist, dort auch ein paar interessante Menschen zu treffen, sich mit denen über die kulinarischen Bräuche ihrer Heimat auszutauschen, traditionelle Gerichte nachzukochen – und das nachher im Fernsehen zu zeigen. Ein bisschen so wie Anthony Bourdain das mit "Parts Unkown" ganz großartig für CNN gemacht hat.

Müller wäre für so ein gastronomisch angehauchtes TV-Reiseabenteuer wirklich die ideale Besetzung, und abends am Lagerfeuer ließe sich ja auch noch musizieren – ganz ohne Nilpferdkostüm, wie im vergangenen Jahr bei "Masked Singer", als Müller sein Publikum endlich mal überraschen und auf großer Bühne seine Musikalität unter Beweis stellen durfte. Das wäre allemal schöner, als demnächst schon wieder die Panade von Tiefkühlfischstäbchen abzukratzen oder überrascht zu gucken, wenn Milchpulver in den Kartoffelchips drin steckt.

Kann aber natürlich sein, dass das nicht anders geht, weil einem irgendwann nur noch das schmeckt, was man ohnehin schon kennt. Ja-ha, c'est la vie.

Und damit: zurück nach Köln.

"Nelson Müllers Schweinefleisch-Report" läuft am Dienstag um 20.15 Uhr im ZDF; weitere Ausgaben der "ZDFzeit"-Reihe sind in der Mediathek abrufbar.