Helga Löbel © TVNow/Sascha Hoecker Helga Löbel
54 Jahre nach der Erfindung des Farbfernsehens gilt die gängige Meinung, TV-Macher könnten das Rad inzwischen nicht mehr gänzlich neu erfinden. Umso aufregender mag es daher sein, wenn an einem Projekt Beteiligte mit voller Überzeugung behaupten: "Uns ist etwas Besonderes gelungen." Helga Löbel, Produzentin bei der UFA Serial Drama, sagt das über "Even Closer - hautnah", eine wohl nicht zufällig am Valentinstag bei TVNow startende Serie. Betrachtet man die Entstehung des Young-Adult-Dramas, scheint es tatsächlich das Potential zu haben, aus der Masse der Neuproduktionen herauszustechen. Natürlich sei jedes Projekt auf seine Art immer eine Herausforderung, berichtet die Serienmacherin. "Bei 'Even Closer – hautnah' ist das der Fall, weil man wirklich behaupten kann, dass es eine solche Serie, die Sexualität nur aus weiblicher Perspektive erzählt, noch nicht gibt."

In den sechs Folgen geht es um die Ausbildung an der Stage und darum, wie hart die jungen Protagonisten an ihren Träumen arbeiten - und sich gleichzeitig immer wieder davon ablenken lassen. Der erste Blick auf die Handlung, die sich um die Bewohner einer Hamburger WG dreht, verspricht bereits einiges an Drama: Schon an ihrem ersten Abend in der neuen Stadt macht etwa Feli auf einer Party eine folgenschwere Bekanntschaft: Geheimnisvoll, sexy und unverschämt arrogant, spielt der Unbekannte ein gefährliches Spiel mit ihr. Einen soll die Figuren die Leidenschaft zum Tanz, einzig WG-Mitbewohner Jonas verfolgt derweil ganz eigene Ziele.

Die Serie basiert auf einer bisher sechsteiligen E-Book-Reihe, die Bände umfassen zwischen 140 und knapp 200 Seiten. "Die E-Book-Reihe von Tine Körner und Pia Sara war quasi die Grundlage für die komplette Staffel. Wir erzählen aber nicht alles einzeln nach, sondern bedienen uns am Grundgerüst", sagt Löbel im Gespräch mit DWDL.de, hoffend, dass sie bald noch weitere Geschichten aus dieser spannenden Welt erzählen darf. Sie glaubt fest daran, dass genügend Adressaten für solche Geschichten offen sind.

"Wir haben klar gesagt, dass es hier um eine Full-Fronted-Nudity-Serie geht, die aus weiblicher Sicht erzählt wird." Helga Löbel, Produzentin von "Even Closer - hautnah"

"Der Bedarf nach Young-Adult-Stoffen ist auf jeden Fall vorhanden. Wir sind quasi mittendrin in einer Welle. Der Bedarf kommt auch daher, dass es linear nur ganz wenige solcher Programme gibt", sagt Helga Löbel. Nicht ohne Grund werden Programme dieser Coleur auch für den Streamingdienst der Mediengruppe RTL Deutschland immer wichtiger. TVNow war für "Even Closer – hautnah" quasi der perfekte Abnehmer. Für das klassische Fernsehen wäre die Serie sicherlich zu explizit gewesen, bestätigt Löbel. Freigegeben sind die Episoden entweder ab zwölf oder ab 16 Jahren.

Das liegt auch am Umgang mit dem Thema Nacktheit und Sexualität in der Serie. Weil dieser sehr offensiv ist, wählten die Macher von UFA Serial Drama schon beim Casting den Weg der absoluten Offenheit. "Wir haben klar gesagt, dass es hier um eine Full-Fronted-Nudity-Serie geht, die aus weiblicher Sicht erzählt wird." Alle hätten gewusst, dass man sich am Set ausziehen müsse. "Wir waren also maximal transparent, wobei wir immer versprochen haben, dass sehr ästhetische Bilder entstehen werden." Voyeuristisch wolle die Serie nicht sein, sagt Löbel. Es gehe eben nicht um den bloßen Effekt. So sei bereits beim Casting ein kurzer Mood-Trailer gezeigt worden, durch den jeder sehen konnte, was in der Serie auf einen zukomme.

Even Closer - Hautnah © TVNOW / Sascha Hoecker Ben (Hans Gurbig) und Klara (Maéva Marie Mathilde Roth)

Manche Bewerberinnen oder Bewerber habe dies durchaus abgeschreckt. "Natürlich gab es auch Schauspieler:innen, die von vornherein gesagt haben, dass sie gar nicht erst zum Casting kommen. Letztlich ist es eine sehr persönliche Entscheidung, wie jede und jeder mit dem Thema Nacktheit umgeht." Nacktheit ist ja jederzeit verfügbar, berichtet Löbel, in Filmen vor allem in sexualisierter Form. Dabei sieht sie jedoch einen Zweispalt: "Der Blickwinkel darauf ist in aller Regel ein männlicher, der zudem auf komische Art verklemmt ist. Es fühlt sich oft voyeuristisch an. Bei sexualisierter Nacktheit sieht man in Filmen dann den Einsatz von Bettlaken oder Türen, die nur einen Spalt offen sind. Das fühlt sich oft unfrei an." Auf der anderen Seite seien da noch Pornos als "krasser Gegensatz", der mitunter auch mal verstörend sein könnte.

"Was sonst in Filmen häufig gebraucht wird, ist dieses erotisierende Stöhnen. So etwas gibt es aber in der Realität eher weniger. Deshalb ist das letztlich nur peinlich." Helga Löbel, Produzentin von "Even Closer - hautnah"

Um am Set dieser Serie eine fachkundige weibliche Stimme miteinzubeziehen, entschieden sich die Verantwortlichen, mit Paulita Pappel eine Expertin mit an Bord zu holen. Pappel produziert Pornos, ist Mitgründerin einer Amateur-Pornoseite, aber auch Bloggerin, Podcasterin und Schauspielerin. Bei "Even Closer" agierte sie als sogenannter "Intimacy Coordinator" und sei an vielen Stellen ein wichtiger Faktor für die Schauspielerinnen gewesen, insbesondere als es darum ging, wie man eine Sexszene aus weiblicher Sicht gestalte. Mitunter ging es dabei auch um Szenen, die in der Erotikbranche wohl eher selten zu sehen sind. So war eine der Fragestellungen an Pappel etwa: Wie zeigt man schlechten Sex, der unbefriedigend ist? "Paulita hat uns geholfen, für all das erst einmal ein passendes und authentisches Vokabular zu finden. Ziel war es ja, dass wir echt sein wollen", bekräftigt Löbel gegenüber DWDL.de. "Was sonst in Filmen häufig gebraucht wird, ist dieses erotisierende Stöhnen. So etwas gibt es aber in der Realität eher weniger. Deshalb ist das letztlich nur peinlich." Pappel habe geholfen, dass "Even Closer – hautnah" hier authentisch wirke, und außerdem beigetragen, dass sich alle Mitwirkende am Set wohl fühlten. Kein unwichtiger Faktor, wenn es um den Dreh intimer Szenen geht.

Herausgekommen ist vielleicht auch wegen dieser Gesichtspunkte eine Serie, die vorwiegend mit eher unbekannten Namen arbeitet. Die tragenden Rollen sind besetzt mit Vivien König, Mareike Zwahr, Maéva Marie Mathilde Roth und Vinzenz Wagner. Für die Besetzung sei es in erster Linie wichtig gewesen, Schauspielerinnen und Schauspieler mit den "besten Skills" zu finden. "Sie müssen tanzen können, der ein oder andere muss singen können und spielen sowieso. Klar war, dass der Cast als Gruppe funktionieren muss." Deutschland habe, erklärt Löbel, gerade in der jungen Altersklasse viele Talente zu bieten. "Und als Young-Adult-Serie muss man ohnehin nicht so sehr mit bekannten Namen arbeiten." Ob die Macher die richtige Balance zwischen stimmigem Cast, offener Nacktheit und packenden Geschichten gefunden haben, wird sich ab Valentinstag zeigen, wenn die Serie erstmals gestreamt werden kann.

Die ersten drei Folgen veröffentlicht TVNow am Sonntag, 14. Februar. Am 21. Februar folgen drei weitere.