"Ich habe heute leider kein Flugticket für dich." So oder so ähnlich könnte Heidi Klums berühmter Satz in der anstehenden "Germany's Next Topmodel"-Staffel wohl lauten. In diesem Jahr gilt nämlich: Alles ist ein bisschen anders als sonst - und das nicht nur durch die veränderten Drehbedingungen durch Corona-Beschränkungen. Dass die neue Staffel von ProSiebens Modelshow "Germany's Next Topmodel" nicht einfach ein bloßes Abziehbild ihrer Vorgänger ist, zeigen unter anderem schon optische Veränderungen. So wurde etwa das prägende Logo überarbeitet, die bekannte Silhouette ist weg. Ganz offiziell schreibt sich die Show nun  "Germany*s Next Topmodel" - eine Schreibweise, die vermutlich nicht nur zufällig an das Gendersternchen denken lässt. Noch bunter, diverser und inklusiver als in den vorangegangenen Staffeln geht es im diesjährigen Cast zu - eine Entwicklung, die man dem Format in seinen Anfangsjahren wohl kaum zugetraut hätte, die mit Blick die sich verändernde (Mode-)Welt allerdings notwendig und richtig ist. Gleichgeblieben ist die Grundidee; gesucht wird ein weiteres Model, das durch die Teilnahme an der Show gute Startmöglichkeiten für eine internationale Karriere hat.

Daniel Rosemann © ProSiebenSat.1 Daniel Rosemann
Von einer klassischen Cinderella-Story, die es zu erzählen gilt, spricht ProSieben-Senderchef Daniel Rosemann. "In der Show kann man es vom Schulhof oder dem Kinderzimmer direkt auf den Laufsteg schaffen", sagt er. Dabei wollen sein Sender und die produzierende Firma Redseven Entertainment ausdrücklich nicht nur die Geschichte von Privilegierten erzählen, die dann noch privilegierter werden. "'Topmodel' verträgt 100 Prozent Realität", verkündet der Senderchef – das zeigt auch direkt die erste der 17 Folgen in diesem Jahr, in der die Kandidatinnen vorgestellt werden.

Die Marschroute ist klar: Noch mehr Diversity als in den Jahren zuvor ohnehin schon gefragt war, hat sich die Sendung verordnet. Nicht nur Curvy Models oder Trans-Models stünden Tür und Tor offen, auch Models mit Behinderung, Non-Binary-, Petite-Models oder reifere Frauen seien willkommen gewesen. "Es gab keine Altersgrenze. Ich hätte gerne noch mehr ältere Frauen dabei gehabt. Aber sie müssen auch zu uns kommen", sagt Heidi Klum und verbindet damit direkt einen Aufruf für die nächstjährige Staffel. Einmalig in der bisherigen "GNTM"-Geschichte ist in der anstehenden Runde sicherlich die Teilnahme von Maria, einer 20 Jahre alten Frau aus Flensburg, die gehörlos ist. Keinerlei Probleme bei der Produktion habe es gegeben, berichtet das Topmodel über Drehs und Shootings mit der jungen Frau – bei den Arbeiten half ein Dolmetscher. "Es ging alles total easy", erzählt Klum. In den immer wieder in die Szenen hineingeschnittenen Interviewpassagen hören die Zusehenden vor dem Fernseher anstelle von Marias Stimme ein Voice-Over.

Eine für "GNTM"-Verhältnisse zweifelsfrei relativ harte Geschichte bringt Kandidatin Soulin mit. Heute 19 Jahre alt, lebte sie bis vor acht Jahren in Syrien – bis die Bomben kamen und ihre komplette Familie aus der Heimat fliehen musste. "Das ist letztlich eine starke Geschichte, die erzählt werden muss. Das Mädchen hat in Deutschland Abitur gemacht, ihr Deutsch ist vermutlich besser als meins. Ich finde es wichtig, dass wir unseren Zuschauer*innen auch zeigen, wie Menschen anderswo auf der Welt aufwachsen", Heidi Klum. Sowohl Rosemann als auch Klum, beide versprechen Fernsehdeutschland einen starken Cast für die kommenden Donnerstage, zugleich aber auch ein etwas anderes "GNTM" als in den Jahren zuvor.

Damit soll auch ein Zeichen gesetzt werden. "Es gibt noch nicht so viele Petite-Models," berichtet Heidi Klum, die angibt, es sei deshalb spannend gewesen, wie offen der Markt für Frauen sei, die kleiner als die "klassischen Models" sind. "Wir wollen das fördern", sagt sie und Daniel Rosemann ergänzt: "Wir haben die Kraft, Reichweite und Power. Wir müssen nicht abwarten, sondern können mit unserer Brand-Sexiness auch Türen öffnen. Das ist auch unsere Pflicht", erklärt der Senderchef.

Kein Besuch in Bergisch Gladbach

Auf eine weitere, große Veränderung hätte die Produktion wohl lieber verzichtet: Aufgrund der Coronapandemie war es nicht möglich, dass - wie bislang üblich - ein Großteil der Staffel in den USA, Klums Wahlheimat, gedreht werden konnte. Stattdessen arbeitete das Team rund drei Monate lang unter Einhaltung von Hygiene-Regeln in Berlin. Die waren so streng, dass nicht einmal ein Besuch in Bergisch Gladbach, Heidi Klums Heimat, erlaubt gewesen sei. Um sich gegen das Virus bestmöglich zu schützen, sei enormer Aufwand betrieben worden. "Wir sind dauernd nur getestet worden", erinnert sie sich. So fielen dann kurz vor Weihnachten auch zwei Coronafälle auf, in der Weihnachtspause der Produktion erhöhte sich die Zahl auf acht. Alle haben die Infektion gut überstanden, sind wieder gesund. Nur ein Drehtag musste geschoben werden.

Die Hygiene-Regeln haben außerdem dazu geführt, dass den Beteiligten am Set durchaus etwas fehlte: Körperliche Nähe. Kein Umarmen, kein Überreichen der Fotos an die Mädchen. "Jemanden mal in den Arm nehmen, helfen, wenn jemand weint. Das konnte ich diesmal nicht machen", berichtet Heidi Klum. Umso schöner sei es gewesen, als Bill Kaulitz, Bruder ihres Mannes Tom, in einer Folge dabei war. Mit ihm sei körperlicher Kontakt möglich gewesen.

Geld gespart habe ProSieben durch die Produktion innerhalb Deutschlands nicht, beteuert Rosemann. "Alles, was wir haben, hauen wir auch raus. Ich kann über alle Produktionen hinweg sagen, dass Sender zur Zeit nicht sonderlich viel Geld sparen." Glaubt man daran, dass auch für Castingsshows gilt, 'It's all about the cast', dann könnten die Zutaten auch bei der inzwischen 16. Runde der ProSieben-Produktion wieder stimmen. Und auch vergessen lassen, dass die wunderbaren Bilder aus Amerika diesmal fehlen. Zumal Deutschland auch Einiges zu bieten hat – nicht nur landschaftliche Vielfalt, sondern viele und sehr unterschiedliche Model-Talente und Persönlichkeiten, die es zu entdecken und deren Geschichten es zu erzählen gilt. Das ist letztlich wichtiger als die Skyline von L.A.

"Germany's next Topmodel", donnerstags um 20:15 Uhr bei ProSieben