Seine 20-Uhr-Premiere bei der "Tagesschau" hat Constantin Schreiber gerade erfolgreich absolviert. Zusammen mit Julia-Niharika Sen ist der 41-Jährige nach dem Jahreswechsel in die Riege der Sprecher von Deutschlands meistgesehener Nachrichtensendung aufgestiegen. Es ist der vorläufige Höhepunkt seiner journalistischen Karriere, die einst bei der Deutschen Welle begann und ihn zwischenzeitlich zum Nachrichtensender ntv führte, wo er eine Sendung namens "Marhaba" präsentierte, die sich an Geflüchtete richtete und ihm gar den Grimme-Preis einbrachte.

Das Thema Migration hat Schreiber bis heute ebenso wenig losgelassen wie die arabische Welt, der er auch deshalb besonders nahesteht, weil nach seinem Studium mehrere Jahre in Beirut und Kairo lebte und die arabische Sprache fließend beherrscht. Daher spielt auch jetzt längst nicht nur die "Tagesschau" eine wichtige Rolle in Schreibers Leben. "Houdoud" nennt sich sein neues Herzensprojekt, das gerade an den Start gegangen ist. Das Wort, erklärt Schreiber im Gespräch mit DWDL.de, "heißt übersetzt 'Grenzen' auf Arabisch, wobei es eher darum geht, Grenzen durch unterschiedliche Perspektiven ein Stück weit zu überwinden".

Ziel des Programms, an dessen Entwicklung der neue 20-Uhr-Sprecher beteiligt gewesen ist, soll es sein, jungen Medienmachern in Nahost sowohl Ausbildung als auch Praxis bieten. "Etwas, das in Deutschland etwa in Form von Volontariaten etabliert ist, das es aber im Nahen Osten bisher kaum gibt", sagt Constantin Schreiber. Workshops bringen den Medienanwärtern journalistische Standards und technische Möglichkeiten näher, ehe sie eigene Reportagen erstellen können, die dann auch ausgestrahlt werden – etwa von mehreren Sendern in Ägypten. Auf der erst vor wenigen Tagen gestarteten "Houdoud"-Plattform werden die Filme zudem noch einmal gebündelt angeboten.

Die Reportagen haben gemein, dass sie einen inhaltlichen Schwerpunkt verfolgen. "Es geht insbesondere um Menschen im Nahen Osten, die mit dem Gedanken spielen auszuwandern, und um die Herausforderungen, Probleme und Möglichkeiten die damit zusammenhängen", so Schreiber, der sich künftig auch mit eigenen Workshops in "Houdoud" einbringen will. "Es soll darum gehen, dass junge Journalisten ein differenziertes Bild zum Thema Migration in arabischen Medien vermitteln können." Auf diese Weise können also nicht nur die Medienmacherinnen und -macher etwas lernen, sondern auch diejenigen, die sich die Filme anschauen.

"Corona hat viele Themen überlagert"

Hinter "Houdoud" steht Media Frontline, ein gemeinnütziger Verein von Medienmachern in Berlin, mit denen Constantin Schreiber in der Vergangenheit schon Sendungen produziert hat, die ihn zeitweise ins ägyptischen Fernsehen brachten. Im Nahen Osten arbeitet der Verein mit Journalistenschulen in Marokko, Tunesien, Ägypten und Jordanien zusammen, sowie mit mehreren regionalen und überregionalen Medien. "Künftig wird es darum gehen, das Alleinstellungsmerkmal des Programms weiter auszubauen", so Schreiber über die weiteren Pläne. "Damit soll insbesondere talentierten jungen Medienmacherinnen und -machern ein Netzwerk in der Region geboten werden, das es so bisher nicht gibt. Gleichzeitig kann das Programm zu vertiefter Information in der Migrationsdebatte im Nahen Osten beitragen." 

In der "Tagesschau" spielt die Migrationsdebatte indes aktuell meist nur eine Nebenrolle, auch wenn es gute Gründe gibt, den Fokus wieder stärker darauf zu lenken. "Corona hat sicherlich viele Themen überlagert", weiß der neue 20-Uhr-Sprecher. "Gleichzeitig verschärft die Pandemie globale Ungleichheiten, weswegen davon auszugehen ist, dass künftig vermehrt Menschen versuchen werden, woanders ein besseres Leben zu finden." Das dürfte dann auch Auswirkungen auf die Berichterstattung haben. "Ich gehe davon aus, dass das Thema Migration uns wieder sehr beschäftigen wird, wenn die Pandemie kontrollierbar wird."