Als Maria Schrader am Tag der Deutschen Einheit beim Film Festival Cologne auftritt, um gemeinsam mit Anke Engelke und Showrunner Jörg Winger "Deutschland 89" vorzustellen, passiert ein kleines Malheur der charmanten Art. Die Gästeliste weist sie irrtümlicherweise nicht als Schauspielerin aus, hinter ihrem Namen steht "Regisseurin". Dabei hat Schrader an der "Deutschland"-Trilogie ausschließlich vor der Kamera mitgewirkt – als DDR-Spionin und Martin Rauchs undurchsichtige Tante Lenora.

Dennoch ist der Fehler erklärlich. Immerhin hat das 55-jährige Doppeltalent kurz zuvor als erste Deutsche überhaupt den Emmy Award in der Kategorie "Beste Regie" gewonnen – für ihre Netflix-Miniserie "Unorthodox". Darauf ist man in der deutschen Branche verständlicherweise mächtig stolz. Schrader selbst verneint die Frage, ob sie beim Spielen nun stets die inszenatorische Auflösung mitdenke. Im Gegenteil: Es sei ein riesiger Luxus, sich in die Hände anderer Regisseure zu begeben und mal nicht die Gesamtverantwortung tragen zu müssen.

Die Emmys sind die Oscars der Fernsehwelt und seit Jahrzehnten fest in amerikanischer bzw. englischsprachiger Hand. Für deutsche Werke wie "Unsere Mütter, unsere Väter" oder "Deutschland 83" galt es bislang als das Höchste der Gefühle, bei den International Emmys abzuräumen – einem Preis, den in Hollywood niemand so richtig ernst nimmt. Insofern waren schon die acht Nominierungen für "Unorthodox" eine wahre Sensation. Regulatorisch möglich wurden sie, weil die von Anna Winger und Alexa Karolinski geschriebene und von Studio Airlift und Real Film Berlin produzierte Miniserie von der US-Plattform Netflix beauftragt worden war.

Gerade in der Regie-Kategorie sah Schrader sich dieses Jahr einer Konkurrenz gegenüber, die man getrost als überwältigend bezeichnen konnte: "Little Fires Everywhere", "Normal People" und gleich drei Folgen "Watchmen". Als Moderator Jimmy Kimmel dann in der Nacht zum 21. September die magischen Worte "And the Emmy goes to... Maria Schrader" aussprach, war die Überwältigung der aus Berlin zugeschalteten Siegerin nur allzu verständlich. "Das ist so unglaublich, das kommt so unerwartet. Ich bin sprachlos."

"Das ist so unglaublich, das kommt so unerwartet. Ich bin sprachlos"
Maria Schraders erste Reaktion nach dem Emmy-Sieg

Dass "Unorthodox" nicht nur diese Ehre zuteil wurde, sondern auch enorme Resonanz aus aller Welt, hat tatsächlich viel mit Schraders Umsetzung der fiktionalisierten Biografie von Deborah Feldman zu tun. Der "Hollywood Reporter" lobte die "ungeheure Intimität" ihrer Inszenierung, in der der Vierteiler "eine Menge Humanität" finde, "selbst in den Figuren, die klare Antagonisten sind". Besondere Anerkennung fand zudem ihre detailreiche Darstellung jüdischer Rituale wie etwa eine umfangreiche Hochzeitsszene, die "traditionelle Fernsehmomente à la 'Wenn sie ein Glas zerbrechen, ist es jüdisch genug' nur beschämen" könne. Die "New York Times" wiederum erkannte "eine Jenseitigkeit, die auszeichnet, wie gut Maria Schrader sowohl Williamsburg als auch Berlin visualisiert".

Unorthodox / Maria Schrader © Netflix/Anika Molnar "Ungeheure Intimität": Regisseurin Maria Schrader instruiert ihr "Unorthodox"-Ensemble

Dass ein Filmstar aus der A-Liga solche Höhen des Regiehandwerks erklimmt, ist alles andere als selbstverständlich. Durch ihre Rollen in Doris Dörries "Bin ich schön?", Max Färberböcks "Aimée und Jaguar" oder Dani Levys "Väter" hatte Schrader sich längst in die Herzen von Zuschauern und Kritikern gespielt, als sie 2007 mit dem deutsch-israelischen Spielfilm "Liebesleben" ihr Regiedebüt gab. Erst neun Jahre später folgte das hochgelobte "Vor der Morgenröte" über das Leben des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig im Exil. Es war dieser Film, der Serienmacherin Anna Winger so tief beeindruckte, dass sie Schrader nicht mehr nur als Lenora Rauch vor der Kamera einsetzen wollte, sondern bei ihrem nächsten Projekt auch dahinter.

An beiden Positionen hat Maria Schrader uns in diesem ganz besonders streaming-intensiven Jahr unvergesslich intensive Momente geschenkt. Eine feinfühlige Erzählung der jungen Esty gestaltet, die es auf der Flucht vor ihrer ultra-orthodoxen Religionsgemeinschaft nach Berlin verschlägt. Und eine harte, eigensinnige Lenora auf dem schmalen Grat zur Terroristin gespielt, die dabei "Swagger und Charisma ausströmt" ("New York Times"). Dem deutschen Fernsehen ist am meisten gedient, wenn Maria Schrader sich auch künftig nicht zwischen ihren beiden Jobs entscheidet.