Herr de Buhr, im Frühjahr gab es wochenlang keinen Profisport – mit massiven Auswirkungen auf das Angebot von DAZN. Wie sehr hat die Pandemie das Unternehmen verändert?

In erster Linie dahingehend, dass so viele Kollegen wie möglich von zuhause arbeiten, um sich selber zu schützen und die Ansteckungsgefahr zu verringern. Dadurch ändert sich natürlich die Dynamik, die Kommunikation und der Tagesablauf – und zwar an allen Standorten. Auch unsere Produktionen laufen aus Sicherheitsgründen seit Monaten mit geringerem Personalaufwand. Das ist eine Herausforderung.

In der Phase, in der Sie keinen Livesport zeigen konnten, haben Sie mit anderen Formaten experimentiert. Inwiefern wird davon auch nach Corona etwas bleiben?

Unser Kern ist und bleibt der Livesport. Darüber hinaus haben wir immer schon spannende Non-Live-Formate entwickelt wie zum Beispiel die aktuelle Serie "BVB 09 - Storys who we are" oder "The Making Of". Während es keinen Livesport gab, haben wir neue Formate ausprobiert. Zum Beispiel die "Post-Match-Show" mit Antonia Wisgickl und Sebastian Benesch, aus der letztlich zur aktuellen Saison die "Pre-Match-Show" entstanden ist. Das war ein Test, den wir ganz spontan in der DAZN-Küche produziert haben – und es funktionierte. Auch in dieser Phase haben wir sehr wichtige Dinge gelernt.

Inmitten dieses Jahres fiel der neuerliche Erwerb der Bundesliga-Rechte und der Champions League. War das wegen der unsicheren Zukunft ein besonderes Wagnis?

Zunächst gilt DFL-Chef Christian Seifert ein besonderer Dank, weil er den Fußball mit Bravour durch diese Krise manövriert und indirekt dafür gesorgt hat, dass überall auf der Welt wieder gespielt wird. Das Hygienekonzept funktioniert und ich habe derzeit nicht den Eindruck, dass der Livesport abermals eingestellt werden wird. Die Ausschreibung der Bundesliga-Rechte in diesem Jahr hat sicherlich unter besonderen Bedingungen stattgefunden. Als großes Wagnis habe ich das unsererseits aber nicht wahrgenommen. Am Ende freuen wir uns sehr darüber, dass die Fans ab nächster Saison noch mehr Bundesliga bei uns sehen können. 

"Der Kern von DAZN bleibt die OTT-Plattform."

Nun sind Rechte das eine, die Verbreitung das andere. Für manche potenziellen Kunden stellt Streaming noch immer eine Hürde da. Ist das nicht ein Problem, was das Wachstum von DAZN angeht?

Nein, wir sind mit unserem Wachstum sehr zufrieden und wollen diese Entwicklung beibehalten. Dabei helfen uns als Streamingservice Kooperationen wie die mit Vodafone, die unser erster Vertriebspartner in Deutschland werden. Gemeinsam bringen wir ein neues DAZN-Paket auf den Markt, das es so noch nicht gab. Sportfans erhalten bei Vodafone ab sofort den Zugang zu allen DAZN-Inhalten über unsere App und zusätzlich kostenlosen Zugriff auf die beiden lineare Livesport-Kanäle "DAZN 1" und "DAZN 2". Wir wollen es Fans immer so einfach wie möglich machen und erreichen so zum Beispiel auch diejenigen, die noch nicht über das technische Equipment und Know-How verfügen, um über die App zu streamen, aber auch diejenigen, die in Regionen leben, in denen der Breitbandausbau noch nicht weit genug fortgeschritten ist. Der Kern von DAZN bleibt aber die OTT-Plattform.

Sie machen also gewissermaßen aus der Not eine Tugend?

Nein, denn unser Kerngeschäft und unser strategischer Fokus ist und bleibt die App. Die Vorteile von OTT sind evident. Wir übertragen ca. 8.000 Livesport-Veranstaltungen jährlich, viele davon laufen parallel – es ist gar nicht möglich, alle auf den linearen Kanälen abzubilden. Technische Features wie alternative Audiofeeds, Catch-ups, Key Moments, Downloads oder Events zeitversetzt zu sehen, sind nur via OTT möglich und machen DAZN aus. Die beiden linearen Kanäle sind als tolle Ergänzung dazu zu verstehen. Hier werden wir die wichtigsten Live-Ereignisse zeigen, beispielsweise Bundesliga-Spiele, die UEFA Champions League oder die Europa League. Das genaue Programm orientiert sich an dem der Bar-Kanäle, die wir ja schon seit etwa zwei Jahren in Bars, Restaurants oder Wettbüros betreiben.

Wie groß ist denn das Kunden-Potenzial?

In erster Linie geht es darum, den Fans mit weiteren Empfangswegen noch mehr Komfort zu bieten. Wir kommen all jenen entgegen, die aktuell noch nicht streamen. Wahrscheinlich werden wir dadurch auch neue Kunden akquirieren.  

Wie genau sieht das Angebot aus, das Sie den Kunden zusammen mit Vodafone unterbreiten wollen?

Die Fans erhalten über Vodafone den Zugang zu DAZN im Jahresabo für 9,99 Euro statt sonst 11,99 Euro monatlich – das entspricht dem Preis, den wir auch für ein Jahresabo verlangen. Wer sich dafür entscheidet, erhält Zugang zu unserer App mit dem gesamten Content-Angebot aus Live-Events und Non-Live-Features, Highlights, Dokus, etc. Als Bonus obendrauf gibt es als weitere Option Zugang zu den beiden linearen Kanälen im Vodafone-Kabelnetz. Alles lässt sich ganz bequem aus einer Hand zum Vodafone-Vertrag hinzubuchen und über die Vodafone-Rechnung bezahlen. 

"Ich hoffe, dass wir zur Jahresmitte 2021 wieder zu einem relativ normalen Leben zurückkommen werden."

Werden die linearen Sender perspektivisch auch auf anderen Plattformen verbreitet werden?

Vodafone ist das erste Unternehmen, mit dem wir in Deutschland eine solche Kooperation eingehen, aber wir würden unseren Job nicht richtig machen, wenn wir uns nur auf eine Sache konzentrieren würden. (lacht) Natürlich gibt es grundsätzlich die Möglichkeit einer solchen Kooperation mit anderen Partnern. Das gilt für App-Stores ebenso wie für Gerätehersteller oder Telekommunikationsunternehmen. 

Lassen Sie uns zum Schluss nach vorne blicken. Wie sieht mit Blick auf die hohen Summen für TV-Rechte Ihre Prognose für die Zeit nach Corona aus?

Ich hoffe, dass wir zur Jahresmitte 2021 wieder zu einem relativ normalen Leben zurückkommen werden. Ich wäre persönlich überrascht, wenn es langfristige Auswirkungen auf den Wert von großen Sportrechten geben würde. Wie es bei kleineren Rechten aussieht, muss man abwarten. Es gibt viele Sportarten, die sich über Zuschauereinnahmen finanzieren und aktuell schwer gebeutelt sind. Eine seriöse Prognose ist kaum möglich.

Wie viel Spaß macht eigentlich Ihnen persönlich das Schauen von Livesport ohne die Stimmung der Fans im Stadion?

Ich bin jemand, der die Stadionatmosphäre und alles drum herum liebt. Mir fehlen die Fans und die Stimmung im Stadion sehr. Gerade erst habe ich in der "FAZ" eine statistische Auswertung gelesen, welche Auswirkungen die fehlenden Fans auf die Fußballspiele haben. Dabei kam heraus, dass es mehr Heimniederlagen und weniger rote Karten gibt. Fans im Stadion machen in manchen Bereichen also tatsächlich einen Unterschied aus.

Herr de Buhr, vielen Dank für das Gespräch.