Frau Pieper, das "Auslandsjournal" ist fast 50 Jahre alt. Ist das möglicherweise eine Bürde, wenn man eine solche Sendung übernimmt?

Als Bürde habe ich das nicht empfunden. Ich war zuvor mehr als neun Jahre lang Korrespondentin in Italien und in dieser Zeit auch für Griechenland zuständig. Entsprechend habe ich für das "Auslandsjournal" viele Stücke gemacht. Die Sendung ist mir schon als Autorin so sehr ans Herz gewachsen, dass das Magazin sich für mich als Moderatorin von Beginn an vertraut anfühlte. Davon abgesehen helfen mir die neun Jahre auch dabei zu verstehen, was den Kolleginnen und Kollegen in aller Welt wichtig ist.

Worauf kommt es in der Sendung an?

Im täglichen Nachrichtengeschäft bleibt oft nicht viel Zeit, da werden selbst wichtige Nachrichten oft nur in 1:30 abgehandelt. Wir haben jedoch den Platz, länger hinzuschauen und die Menschen hinter den reinen Nachrichten zu zeigen. Gerade in der Corona-Zeit, in der man ja schlecht reisen kann, ist es ein enormer Vorteil, dass wir so viele Korrespondentinnen und Korrespondenten vor Ort haben, um uns Stimmungen aus aller Welt einzufangen. 

Bei Gesprächen mit Korrespondentinnen und Korrespondenten fiel in der Vergangenheit oft der Satz: Wir würden gerne noch so viel mehr berichten, aber wir dürfen nicht. Ist da was dran?

Das war früher vielleicht mal der Fall, aber mein Eindruck ist heute, dass die Kolleginnen und Kollegen momentan ziemlich gut ausgelastet sind – insbesondere in der Corona-Zeit. Ich habe jedenfalls schon lange kein Stöhnen mehr gehört. Mein Eindruck ist zudem, dass es durch die verschiedenen Ausspielwege inzwischen mehr Möglichkeiten denn je gibt, spannende Auslandsreportagen zu finden. 

Eigentlich geht der Trend im ZDF eher weg vom klassischen Magazin, hin zu Reportagen, die repertoirefähig sind und sich gut wiederholen lassen. Wieso funktioniert das "Auslandsjournal" trotzdem so gut?

Dadurch, dass wir keine halbe Stunde mit einer einzigen Reportage füllen müssen, sind wir in der Lage, schneller zu reagieren. Das ist jetzt, da sich die Dinge oft sehr schnell ändern, ein großer Vorteil, den wir mit unseren rund sechsminütigen Stücken haben. Und im besten Fall gelingt es mir durch die Moderation, einen roten Faden durch die Sendung zu ziehen. (lacht) Das scheint auch ganz gut zu klappen, weil das "Auslandsjournal" in diesem Jahr so erfolgreich ist wie lange nicht mehr. 

Antje Pieper © ZDF/Jana Kay Antje Pieper moderiert das "Auslandsjournal" seit 2014

Lässt sich dieser Erfolg mit zwei Worten beschreiben: Corona und Trump?

Natürlich haben wir in der anfänglichen Corona-Zeit ein großes Interesse des Publikums gespürt – es ist doch ganz selbstverständlich, dass man bei einem globalen Thema wie diesem erfahren möchte, wie andere Länder damit umgehen. Wir hatten aber schon in der frühen Phase, als das Virus noch weit weg zu sein schien, aufwühlende Geschichten aus China von Ulf Röller und Stefanie Schöneborn in unserer Sendung. Und klar, auch die bevorstehende US-Präsidentschaftswahl interessiert die Leute stark, weil Trump so sehr polarisiert und spaltet. Nicht wenige fragen sich, warum er trotzdem so viele Unterstützer hat. Unsere Aufgabe ist es, die Antworten darauf zu geben. 

Die Wahlberichterstattung dürfte durch die Reisebeschränkungen vermutlich anders ausfallen als sonst, oder?

Ganz sicher wird die Sendung in der Wahlnacht eine andere sein als in den vergangenen Jahren, weil die Produktionsbedingungen viel komplexer sind. Dennoch versuchen wir mit unseren Kolleginnen und Kollegenvor Ort und einigen zusätzlichen Unterstützern, das ganze Stimmungsbild einzufangen, indem wir in entscheidenden Bundesstaaten sein werden, aber auch in den Headquarters in Washington. Und gerade erst haben wir die Dokumentation "American Voices" ausgestrahlt, für die Elmar Theveßen im Wohnmobil durch 13 Bundesstaaten gereist ist, um die Zerrissenheit dieses Landes besser erklären zu können – zu finden weiter in der ZDF-Mediathek.

Nicht jede Region erfährt so viel Aufmerksamkeit wie die USA. Die Kollegin Ulrike Simon hat beispielsweise vor einigen Tagen Kritik an ARD und ZDF geübt, weil beide Sender niemanden vor Ort in der umkämpften Region Berg-Karabach hatten, wo gerade ein Krieg geführt wird.

Berg-Karabach ist sicher eine Ausnahme. Die Situation vor Ort ist leider nicht ganz einfach – nicht nur wegen Corona. Inzwischen ist aber mein Kollege Armin Coerper vor Ort und berichtet für uns.

Davon mal abgesehen: Wie schwierig ist es in diesen Zeiten, Themen zu finden, die keinen Corona-Bezug haben?

In der jüngeren Vergangenheit hatten wir durchaus wieder Sendungen, in denen es nicht mehr nur um Corona ging. Aber klar, die Pandemie bestimmt unser aller Leben. Da ist es schwer, das Thema komplett auszublenden. Wir hatten zu Jahresbeginn, also noch vor der Krise, viele Stücke produziert, die plötzlich gar nicht mehr relevant waren. Das zeigt, wie sehr Corona den Alltag der Menschen bestimmt. 

Frau Pieper, vielen Dank für das Gespräch.