Der Einbruch, den die gesamte Medienbranche im Frühjahr dieses Jahres erlebt hat, ist einmalig gewesen. Durch die Unsicherheiten wegen der Corona-Pandemie stornieren etliche Unternehmen ihre Anzeigen in Zeitungen oder Spots im Fernsehen, teilweise gingen die Werbebuchungen im TV um mehr als 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. Seither erholt sich der Markt, doch der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW geht davon aus, dass die Netto-Werbeerlöse aller Medien im laufenden Jahr um rund sieben Prozent zurückgehen werden. Und jetzt wird es ernst: Das vierte Quartal ist traditionell das wichtigste für die TV-Vermarkter, machen sie hier doch einen großen Teil ihrer Umsätze. DWDL.de hat sich bei den Vermarktern umgehört und gefragt, was sie für die letzten Monate des Jahres und darüber hinaus erwarten. 

Matthias Dang © Ad Alliance / Marina Rosa Weigl Matthias Dang
Matthias Dang, Geschäftsführer der Ad Alliance, sagt im Gespräch mit DWDL.de, dass Vorhersagen schwierig seien. Man stelle aber fest, dass "the new normal" immer mehr gelebt werde und die Unternehmen auch wieder verstärkt Werbung schalten. "Wir hoffen, dass die Wirtschaft im Herbst weiter stabil bleibt und damit auch die Werbewirtschaft wieder aufs Gaspedal treten wird." Auch für IP bzw. die Ad Alliance ist das vierte Quartal der "entscheidende Zeitraum", so Dang. Voraussetzung für eine weitere Erholung ist laut Dang aber, dass es keine weitere Corona-Welle und neue Restriktionen geben wird. Und genau darauf haben alle TV-Vermarkter keinen Einfluss, es herrscht das Prinzip Zwangsoptimismus. 

Thomas Wagner © ProSiebenSat.1 Thomas Wagner
Auch bei der Seven.One Entertainment Group will man sich "voll auf diese letzten frei entscheidenden Monate" konzentrieren, sagt Thomas Wagner, Chief Sales Officer. Rainer Beaujean, Vorstandssprecher und Finanzvorstand der ProSiebenSat.1 Media SE, erklärte zuletzt in einem Interview mit dem "Handelsblatt", dass das Minus an Werbe-Erlösen im September bei voraussichtlich weniger als zehn Prozent liege. Der Oktober werde vermutlich ähnlich aussehen, so Wagner gegenüber DWDL.de. Eine konkrete Prognose will man aber erst Anfang November abgeben. ProSiebenSat.1 hatte, ähnlich wie die RTL Group, im Frühjahr seine Jahresprognose kassiert und bislang keine neue veröffentlicht. 

Stephan Karrer © RTLzwei/Magdalena Possert Stephan Karrer
"Gemessen an dem harten Einschnitt im Frühjahr sieht die Lage heute gar nicht schlecht aus", sagt derweil Stephan Karrer, Geschäftsführer El Cartel Media. Die Kunden hätten schon im Juli damit begonnen, vermehrt ins TV zurückzukehren. Natürlich werde man die Rückgänge bis Jahresende nicht aufholen können, dennoch sei er "verhalten optimistisch", so Karrer. Derzeit sehe es nach einem erfreulichen letzten Quartal aus. "Wenn kein neuer Lockdown kommt, werden wir an Weihnachten hoffentlich sagen können: Wir haben die Kurve ganz gut gekriegt."

Susanne Aigner © Discovery Susanne Aigner
Und auch bei Discovery, das zuletzt mit Tele 5 ja einen neuen vermarktbaren Sender übernahm, spricht Geschäftsführerin Susanne Aigner gegenüber DWDL.de von einem "schnelleren Aufwärtstrend, als wir erwartet hatten". Aussagen für die letzten Monate seien schwierig, man bewege sich nach wie vor in unsicheren Zeiten, so Aigner. "Aber wir erleben mehr Optimismus auf dem Markt."

Franjo Martinovic © Visoon Franjo Martinovic
Anders als Discovery muss man bei Visoon Video Impact, Vermarkter des Nachrichtensenders Welt und den ViacomCBS-Marken MTV, Comedy Central und Nickelodeon, nicht einen zusätzlichen Sender vermarkten, sondern einen weniger. Nachdem Zee.One von den indischen Betreibern Ende Mai eingestellt wurde, ging damit auch dem Underdog unter den Vermarktern ein Kunde verloren - wenn auch ein recht kleiner. Die Einstellung des Senders habe keinen Einfluss auf das Geschäft von Visoon gehabt, sagt Franjo Martinovic, Geschäftsführer Visoon. Das sagt wahrscheinlich schon viel aus über den früheren Stellenwert von Zee.One. "Natürlich hatten wir [...] mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen", sagt Martinovic mit Blick auf die Corona-Krise und die ausbleibenden Werbebuchungen. Seit August nähere sich mit den Umsätzen immer mehr dem Vorjahresniveau an. 

Ralf Hape © Sky Ralf Hape
Getroffen wurde im Frühjahr durch die Corona-Pandemie auch Pay-TV-Schwergewicht Sky, das plötzlich keine Sport-Veranstaltungen mehr zeigen konnte, weil keine mehr stattfanden. Im Mai stellte Ralf Hape, Sales-Chef bei Sky Media, gegenüber DWDL.de eine Verbesserung der Situation ab September in Aussicht. Jetzt sei man tatsächlich "stark" in die neue Bundesliga-Saison gestartet. "Wir sehen insgesamt wieder eine stärkere Nachfrage nach Sport und Entertainment im Markt. Eine positive Entwicklung, die Anlass für Optimismus gibt." Es sei erfreulich, dass man mit der damaligen Prognose richtig lag, so Hape. "Das Potenzial für ein starkes 4. Quartal ist also durchaus gegeben. Ein Quartal, das den Rückgang im Werbemarkt voraussichtlich ein wenig abfedert." Allerdings werde nicht jeder Werbungtreibende seine im Laufe des Jahres stornierten Budgets nun noch bis Ende des Jahres investieren. 

Uwe Esser © AS&S Uwe Esser
Auch die Öffentlich-Rechtlichen sind von der Corona-Pandemie und seinen Auswirkungen im Werbemarkt nicht verschont geblieben. Zudem wurden sportliche Großveranstaltungen wie die Fußball-EM und die Olympischen Spiele im Sommer verschoben - eigentlich auch aus Vermarktungssicht Highlights für ARD und ZDF. Die Verschiebung sei auf Jahressicht zwar nicht zu kompensieren, sagt Uwe Esser, Geschäftsleiter TV bei der ARD-Werbung Sales & Services. Aber er sei froh, dass die UEFA die Spielansetzungen für die EM unverändert für 2021 übernommen habe. So kann man im nächsten Jahr hochkarätige Spiele der deutschen Nationalelf am Vorabend vermarkten. Inzwischen laufe das Geschäft besser, als man es auf dem Höhepunkt des Lockdowns befürchtet hatte, so Esser. Im täglichen Geschäft seien die Einnahmenrückgänge "vergleichsweise moderat" gewesen. Esser: "Wir sind bislang sehr glimpflich durch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie gekommen." Und auch die Ausgangsbasis für das letzte Quartal stimme: "Der Vorabend läuft verlässlich mit der hohen Drehzahl der letzten Jahre und der Mix aus niveauvoller Unterhaltung und verschiedenen Informationsformaten über die Viertelstunde vor Acht bis hin zur Tagesschau ist für die Zuschauer ein sicherer Hafen in unsicheren Zeiten."

Hans-Joachim Strauch © ZDF Werbefernsehen/Steffen Henkel Hans-Joachim Strauch
Hans-Joachim Strauch, Chef des ZDF-Werbefernsehens, sagt, im April habe man laut Nielsen ein Umsatzminus von 23 Prozent bei den Brutto-Werbeumsätzen gehabt. "Von Januar bis September 2020 sind unsere Brutto-Werbeeinnahmen im Vorjahresvergleich um insgesamt 3,2 Prozent zurückgegangen. Ich denke dieser Wert spricht für sich", sagt Strauch. Netto-Zahlen, also ohne Rabatte etc., nennt er aber keine. Grundsätzlich sei das Buchungsverhalten der Kunden durch die Krise "sehr viel kurzfristiger" geworden, Prognosen würden dadurch schwieriger. Es hänge sehr von den jeweiligen werbetreibenden Unternehmen in den verschiedenen Branchen ab. Und die sind abhängig vom Infektionsgeschehen und den von der Politik verordneten Maßnahmen. "Da die politischen Entscheidungsträger einen erneuten nationalen Lock-Down möglichst vermeiden wollen und Maßnahmen entsprechend dem Infektionsgeschehen regional begrenzt erfolgen sollen, gehen wir für das vierte Quartal nach heutigem Stand von einer weiteren Normalisierung unseres Geschäfts aus", sagt Strauch.

Erholung wird wohl auch 2021 andauern

2020 ist ein Krisenjahr - das wird sich auch in den Bilanzen der TV-Vermarkter niederschlagen. Doch wie sieht es eigentlich für die Zeit danach aus? Wird der Markt wieder das Vorkrisen-Niveau erreichen? Und wenn ja, wann? Prognosen sind schwierig - aber es sieht derzeit so aus, als müsste sich der Markt 2021 weiter erholen, um dann eventuell 2022 wieder auf dem Niveau von 2019 zu liegen. "Für 2021 wünschen wir uns und rechnen optimistisch mit einer weiteren Stabilisierung", sagt Visoon-Chef Franjo Martinovic. Und Stephan Karrer von El Cartel Media ergänzt: "Wenn es gut läuft, machen wir 2022 wieder die gleichen Umsätze wie früher." Sky-Mann Ralf Hape spricht von einem volatilen Markt. "Bei Sky Media gehen wir davon aus, dass sich der Werbemarkt nächstes Jahr erst einmal erholen wird, bevor er im Jahr darauf wieder an das Niveau von 2019 anknüpft."

Ad-Alliance-Geschäftsführer Matthias Dang sagt, die ersten Gespräche für das nächste Jahr würden ihn "vorsichtig optimistisch" stimmen. Man gehe davon aus, dass die meisten Unternehmen ab 2021 wieder mit ihren "bekannten" Etats zurückkehren werden und werben. Überhaupt keine Aussagen über das laufende Jahr hinweg treffen wollen Thomas Wagner von der Seven.One Entertainment Group und Discovery-Chefin Susanne Aigner. "Früher wussten wir vier bis sechs Wochen vorher, wie das Geschäft läuft. Seit Corona buchen die Firmen teilweise ein, zwei Wochen im Voraus", sagt Wagner. Aigner verweist auf die steigenden Corona-Zahlen - in Deutschland, aber auch international. "Welche regulatorischen Konsequenzen daraus gezogen werden und wie sich das auf das Konsumentenverhalten auswirken wird, ist heute noch vollkommen offen. Das gleiche gilt für die Frage, wie die Unternehmen auf diese Entwicklung im Bereich ihrer Werbebudgets dann gegebenenfalls reagieren werden."

Für den Gesamtmarkt will Hans-Joachim Strauch keine Prognose treffen, zeigt sich in Bezug auf das eigene Geschäft aber selbstbewusst. "Für unser Geschäft gehen wir davon aus, dass sich die Buchungen auf absehbare Zeit wieder normalisieren werden", sagt er. Und Uwe Esser von der ARD-Werbung Sales & Services, sagt, Deutschland sei bislang "recht glimpflich" durch die Pandemie gekommen. "Wenn wir das auch in den kommenden Monaten schaffen, sehe ich auch für die Werbewirtschaft positive Impulse." Esser verweist aber auch auf die anstehende US-Präsidentschaftswahl sowie die Bundestagswahl 2021. Beides habe auch für die Wirtschaft eine hohe Relevanz. Das alles dominierende Thema bleibt, sehr zum Leidwesen der TV-Vermarkter, aber Corona.