Das deutsche TV-Publikum kennt ihn am besten als Kriminalkommissar Jan Richter aus der siebten und achten Staffel von "Alarm für Cobra 11". Dabei hatte Christian Oliver längst vorher in etlichen US-Serien und -Filmen mitgespielt. Zu seinen größten internationalen Erfolgen zählen Steven Soderberghs "The Good German" an der Seite von George Clooney und Cate Blanchett oder Bryan Singers "Operation Walküre" neben Tom Cruise. Zuletzt spielte er den grausamen Auschwitz-Arzt Wilhelm Zuchs alias "der Wolf" in der umstrittenen Amazon-Serie "Hunters". In seiner Wahlheimat Los Angeles gründete Oliver die Produktionsfirma Chabo Films, mit der er sich nun auch in Richtung Deutschland orientiert. DWDL.de erreichte ihn im Familienurlaub in der alten Heimat.

Herr Oliver, normalerweise pendeln Sie zwischen Los Angeles und Deutschland, jetzt sind Sie coronabedingt seit Monaten in Ihrer alten Heimat. Könnten Sie sich vorstellen, hier auch wieder mehr zu arbeiten?

Das würde ich mir auf jeden Fall wünschen. Wir sind mit der Familie jeden Sommer in Deutschland, um Omas und Opas, Cousinen und Cousins zu besuchen. Mir liegt es am Herzen, meinen Töchtern immer wieder auch deutsche Einflüsse nahezubringen, damit sie nicht allzu sehr zu typischen California Girls werden. (lacht) Mein Gefühl ist, dass ich zwei Heimaten habe. Insofern kommt es mir durchaus zupass, länger am Stück hier zu sein. Den Wunsch, als Schauspieler und Produzent mehr in Deutschland zu machen, habe ich schon seit Jahren. Und seit Jahren versuche ich vergeblich, dieses Stigma "Der ist ja in Hollywood" loszuwerden.

Seit wann ist das ein Stigma?

Das würde vermutlich niemand offen zugeben. Aber in der Branche nehme ich es schon so wahr, dass man da schnell in der Schublade "weit weg" landet und für bestimmte Projekte gar nicht erst angefragt wird. Dabei war ich vor Corona immer flexibel und bin auch bei Bedarf ruck, zuck für ein Casting rübergeflogen. Die Leute, die mit mir gearbeitet haben, wissen, dass ich meine Flüge selbst übernehme. Meine Schwester arbeitet bei einer Airline, dadurch bekomme ich gute Konditionen. 

Hat das nur mit Entfernung zu tun oder auch mit Neid?

In Deutschland ist es oftmals so, dass man anderen Menschen die Butter auf dem Brot nicht gönnt. Die meisten namhaften deutschen Schauspieler kommen regelmäßig nach Hollywood, um dort Flagge zu zeigen und ihre Optionen auszuchecken – von Til Schweiger bis Veronica Ferres. Die meisten von ihnen sind klug genug, den Ball flach zu halten, weil sie wissen, dass daheim schnell der Eindruck entsteht, man sei abgehoben, wenn man nach Hollywood geht.

"Ich habe mich nie als 'Deutscher in Hollywood' wahrgenommen und auch lange darauf geachtet, keine Deutschen zu spielen"
Christian Oliver 

Bei Ihnen ist es genau umgekehrt: Sie haben zuerst in Hollywood gespielt, dann in Deutschland.

Ich hatte nie vor, Schauspieler zu werden. Ich bin nach New York gegangen, weil ich in die Werbung wollte. Einen Tag nach dem Abitur saß ich im Flieger und habe ein Praktikum bei BBDO angefangen. Nach drei Monaten merkte ich, dass ich etwas anderes vom Leben wollte. Ich gestand mir ein, dass da eine Leidenschaft fürs Schauspiel in mir schlummerte, die schon einmal beim Schülertheater geweckt worden war. Dann bin ich nach Los Angeles gegangen und war relativ schnell im Ensemble der NBC-Serie "Saved by the Bell". So ergab sich eins aus dem anderen. Ich arbeitete in Amerika und sehnte mich immer wieder nach Deutschland.

Welche Rolle spielt Ihre deutsche Herkunft für Ihre US-Karriere?

Christian Oliver© Marc Cartwright
Auch da gibt es natürlich Stigmata: "the German Krauts", um das böse Wort "Nazis" mal zu vermeiden. Ich habe mich selbst nie als 'Deutscher in Hollywood' wahrgenommen und auch lange bewusst darauf geachtet, keine Deutschen zu spielen. Gleich in meiner ersten Rolle in "Saved by the Bell" wurde ich zum Schweizer gemacht. Man wollte den Austauschschüler an einer kalifornischen High School wohl lieber neutral halten. Das ging etwas nach hinten los, weil manche Zuschauer Schweiz und Schweden verwechselten. Rückblickend muss man sagen, dass Witze über Deutsche wahrscheinlich besser funktioniert hätten als Witze über Schweizer. Jedenfalls habe ich über Jahre immer so den Typ 'Cutie' und 'High School Sweetheart' gespielt. Das änderte sich erst 2006, als Steven Soderbergh mich in "The Good German" als SS-Offizier Emil Brandt besetzte. Hätte ich da aus Imagegründen nein gesagt, wäre ich ja völlig bescheuert gewesen. Und spätestens seit die Wachowskis mir die Rolle des Snake Oiler in "Speed Racer" gaben, hatte ich auch kein Problem mit Erzbösewichten mehr. (lacht)

In der Reihe abgrundtief böser Deutscher ist der KZ-Arzt Wilhelm Zuchs alias "der Wolf" in "Hunters" der vorläufige Höhepunkt. Hatten Sie keine Sorge, sich mit voller Wucht in die Schublade zu katapultieren, die Sie immer vermeiden wollten?

Vor Jahren hätte ich vielleicht noch gezuckt und mein Ego hätte mich davon abgehalten. Das ist heute anders. Mein Agent rief mich an, um mich auf das Projekt aufmerksam zu machen, und sagte gleich dazu, es sei nur eine kleine Rolle. Als ich hörte, dass Jordan Peele produziert und Al Pacino die Hauptrolle spielt, gab es für mich keinen Moment des Zweifels. Das wollte ich unbedingt machen, auch wenn es für einen deutschen Schauspieler dünnes Eis sein mag. Meine Belohnung war quasi, dass die Rolle deutlich größer wurde als geplant. Wir waren zu Beginn von einer Episode ausgegangen, dann wurde es im Wochentakt mehr. Am Ende war ich in den Episoden 3, 4, 5, 8 und 10. Und der höchst überraschende Twist im Finale war wie ein Sahnehäubchen für mich.

"Eines der Projekte, die ich gern realisieren würde, ist 'Geisterjäger John Sinclair' – ein urdeutscher Stoff, an dem ich mir die Rechte für eine Neuauflage als internationale Serie gesichert habe"
Christian Oliver 

"Hunters" hat extrem polarisiert. Unterscheidet sich die Resonanz, die Sie aus den USA bekommen, von der aus Deutschland?

Rein quantitativ kam aus Deutschland viel weniger Resonanz. Meine Mutter hat mir jede Menge Zeitungsartikel zugeschickt, in denen stand, wer sich alles distanziert und die Serie verurteilt, aber die habe ich mir nicht alle angetan. In LA wurde ich oft drauf angesprochen, überwiegend positiv. Ich verstehe absolut, dass die Serie polarisiert und dass sich manche Zuschauer vielleicht sogar verletzt fühlen. Ich glaube aber, dass sie einen wichtigen Beitrag zur Diskussion leistet und Geschichte auf ganz andere Weise vermittelt, als es uns früher beigebracht wurde. Wir mussten in der Schule zahlreiche Auschwitz-Dokus mit schlimmsten Bildern des Grauens anschauen. So richtig konnten wir das als Jugendliche nicht verarbeiten.

Zurück zu Ihrer Sehnsucht nach Deutschland: Es scheint schwer vorstellbar, dass es hier keine attraktiven Angebote für Sie geben soll. Ihre "Alarm für Cobra 11"-Rolle Jan Richter wird bis heute in Fanforen diskutiert, manche wünschten sich gar ein Comeback. 

Das waren zwei sehr schöne und wichtige Jahre für mich. Tatsächlich habe ich RTL vorgeschlagen, dass Jan Richter doch mal zurückkehren könnte – nicht im Hauptcast, aber vielleicht als kurzfristige Gastrolle. Wenn RTL morgen anrufen würde, wäre ich sofort dabei.

Mit Ihrer Produktionsfirma Chabo Films haben Sie Ihr berufliches Spektrum erweitert. Strecken Sie auch als Produzent die Hände nach Deutschland aus?

Ja, ich nutze die Zeit, um auch hier verstärkt Gespräche zu führen. Als Schauspieler wird einem immer wieder bewusst, wie stark man von den Entscheidungen anderer abhängt. Mehr als einmal sind Szenen, auf die ich stolz war, aus Filmen herausgeschnitten worden. Sowas passiert eben. Insofern freue ich mich, dass ich inzwischen auch Projekte mitgestalten kann, unabhängig davon, ob ich mitspiele oder nicht. Im US-Markt haben wir bisher sieben Independent-Spielfilme produziert, von denen zwei für Sundance ausgewählt wurden. Außerdem beraten wir Investoren, die in die Filmfinanzierung wollen. Gemeinsam mit der Constantin Film habe ich zuletzt als Executive Producer "Wrong Turn: The Foundation" gemacht, ein Reboot der legendären Horrorfilmreihe von Alan McElroy, das hoffentlich bald ins Kino kommt. Und wir entwickeln in LA auch gemeinsam eine Serie. Eines der weiteren Projekte, die ich gern realisieren würde, ist "Geisterjäger John Sinclair" – ein urdeutscher Stoff, an dem ich mir die Rechte für eine moderne Neuauflage als internationale Serie gesichert habe. 

Herr Oliver, herzlichen Dank für das Gespräch.